Auch im dritten Jahr

Apotheken erbringen zu wenige pharmazeutische Dienstleistungen

03.01.2025, 12:15 Uhr

Nach wie vor werden wenig pDL erbracht, das weckt Begehrlichkeiten. (Foto: DAZ/Schelbert)

Nach wie vor werden wenig pDL erbracht, das weckt Begehrlichkeiten. (Foto: DAZ/Schelbert)


Dass der Nacht- und Notdienstfonds die Zahlen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) seit diesem Jahr nicht mehr quartalsweise ausweist, sondern nur noch jeweils für ein halbes Jahr, spricht wohl Bände: Die pDL gehören für die Apotheken immer noch nicht zur Routine und halbjahresweise gebündelt sieht es einfach nach ein bisschen Mehr aus.

So haben im ersten Halbjahr 2024 lediglich 7763 Vor-Ort-Apotheken pDL erbracht, immerhin etwas mehr als im vierten Quartal 2023. Da waren es 6284. Ausgeschüttet wurden in den Monaten Januar bis einschließlich Juni knapp 11 Millionen Euro, im zweiten Halbjahr 2023 waren es knapp 7 Millionen Euro (Q4/2023: 3.839.502,81; Q3/2024: 3.138.643,77 Euro). Davon, die 150 Millionen Euro, die jährlich zur Verfügung stehen, zu verbrauchen, ist man also weit entfernt. Dabei legt die Standesvertretung vielfältige Bemühungen an den Tag, den Apotheken die pDL schmackhaft zu machen. Unter anderem rief sie einen bundesweiten Wettbewerb zur „standardisierten Risikoerfassung hoher Blutdruck“ unter den Pharmazeut*innen im Praktikum (PhiP) aus.

Wer hingegen mitmachen will, aber dafür keine Vergütung vom NNF hält, sind die EU-Arzneimittelversender. DocMorris klagt deshalb bereits und pocht auf Gleichberechtigung.

Kassen wollen direkt abrechnen

Die stetig wachsende Summe weckt auch andernorts Begehrlichkeiten: Aus dem Kassenlager kam bereits zu Beginn des Jahres der Vorschlag, die pDL direkt zwischen Apotheken und Krankenkassen abzurechnen, statt Gelder in den NNF-Topf zu werfen, „aus dem sie nicht abgerufen werden“. Es habe seine Gründe, wenn „mit 4,2 Prozent nur ein niedriger einstel­liger Prozentsatz der Gelder aus dem Fonds“ abgerufen werde, so der Chef des BKK-Dachverbands Franz Knieps. Die ungenutzten 300 Millionen Euro könnten an „anderer Stelle und sinnvoll eingesetzt“ eine Verbesserung der Patientenversorgung bewirken, erklärte er. Diese Forderung wurde im Laufe des Jahres auch aus anderen Kassenverbänden laut.

Die Politik wollte ebenfalls an den Topf: So sah der Entwurf für die Apothekenreform vor, die geplante Erhöhung der Notdienstpauschale aus den für die pDL vorgesehenen, aber nicht abgerufenen Mitteln gegenzufinanzieren. Nachdem es dieses Gesetz aber nicht einmal ins parlamentarische Verfahren schaffte, ist die Idee, die Mittel aus dem Topf umzuwidmen, zumindest aufgeschoben. Aufgehoben ist sie angesichts knapper Kassen­finanzen sicher nicht.

Weniger Mittel für mehr pDL

Lauterbachs Pläne, die Gelder aus dem Fonds abzuschmelzen, standen allerdings in ziemlichem Gegensatz zu einem anderen Vorhaben aus seinem Hause: Laut dem Entwurf für das Gesunde-Herz-Gesetz (GHG) sollten drei niedrigschwellige Beratungsleistungen als neue pharmazeutische Dienstleistungen etabliert werden: Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus, Beratung mit Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen und eine Beratung und Messungen zu Risikofaktoren zur Einschätzung des individuellen Erkrankungsrisikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Diabetes mellitus und weiteren Risikoerkrankungen. Es sollte also für mehr Leistungen weniger Geld zur Verfügung stehen. Der Entwurf für das GHG zeigte aber auch: Die Politik steht grundsätzlich hinter den pDL. Dennoch scheiterten Lauterbachs Pläne. Am 6. November, also dem Tag, an dem die Ampelkoalition brach, erfolgte die 1. Lesung im Bundestag – und damit war Schluss.

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Doch es gab 2024 auch positive Nachrichten zu den pDL: So wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im vergangenen Oktober die Klagen des GKV-Spitzenverbandes und der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gegen den im Jahr 2022 ergangenen Schiedsspruch ab. Den Kassen war die Ver­gütungshöhe aller pDL ein Dorn im Auge, zudem monierte sie die Dienstleistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“, die aus ihrer Sicht gar keine wirkliche pharmazeutische Leistung ist, sondern nur eine Messung, die Patienten ebenso gut selbst vornehmen können. Die KV meinte, ihrem Sicherstellungsauftrag nicht hinreichend nachkommen zu können, wenn Apotheken derart in die Therapiehoheit der Ärztinnen und Ärzte eingriffen. Mit der Zurückweisung der Klagen haben die pDL in der aktuellen Ausprägung Bestand. Allerdings wurde die Revision zum Bundessozialgericht in beiden Verfahren zugelassen. Dass der GKV-Spitzenverband nicht so schnell aufgibt, ist denkbar.

DAV will mehr Geld

Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht mit den pDL: Die DAV-Spitze hat im DAZ-Interview bereits angekündigt, dass sie neue Preise erwartet. So seien seit dem Schiedsspruch beispielsweise die Personalkosten massiv gestiegen. Man bereite sich derzeit auf Verhandlungen vor. Der Wunsch wäre bei der Vergütung der pDL wie grundsätzlich beim Apothekenhonorar eine Dynamisierung, um steigende Kosten abzufangen, also lieber jedes Jahr eine kleine Honoraranpassung, als alle paar Jahre neue Gespräche führen zu müssen.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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