Vibativ®

Telavancin

01.09.2014


Neues Antibiotikum zur systemischen Anwendung bei Pneumonien
Nosokomiale Pneumonien oder Beatmungspneumonien, die sicher oder vermutlich durch einen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) verursacht wurden, können mit dem Lipoglycopeptid-Antibiotikum Telavancin (Vibativ®) behandelt werden. Die Substanz sollte jedoch nur bei Fehlen anderer Alternativen angewendet werden.

Telavancin 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung


J01: Antibiotika zur systemischen Anwendung


J01X: Andere Antibiotika


J01XA: Glycopeptid-Antibiotika


J01XA03: Telavancin


Wirkungsmechanismus

Die bakterizide Wirkung des Lipo­glycopetids Telavancin beruht auf einem dualen Mechanismus. Einerseits bewirkt die Substanz eine Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese durch Bindung an Peptidoglykan-Vorläufer in der Spätphase der Biosynthese. Als Folge werden die Polymerisation dieser Vorläufer und die nachfolgende Quervernetzung unterbunden. Andererseits führt Telavancin eine Störung der bakteriellen Zellmem­branfunktion herbei. Über eine Depolarisation des Membranpotenzials und eine Zunahme der Membranpermeabilität kommt es zur Hemmung der Synthese von Proteinen, RNA und von Lipiden. Die Wirkung von Telavancin ist konzentrationsabhängig und richtet sich nur gegen grampositive Bakterien.

Pharmakokinetik

Resorption: Die Applikation erfolgt intravenös.


Proteinbindung, Verteilung: Telavancin wird zu etwa 90% an Plasma­proteine, überwiegend an Albumin, gebunden. Das Verteilungsvolumen im Steady-state liegt bei 133 ml/kg.


Metabolismus: Die Substanz wird nur wenig biotransformiert. Bislang wurden drei hydroxylierte Derivate identifiziert, die durch mehr als zehn verschiedene CYP450-Isoenzyme entstehen können.


Exkretion: Die Ausscheidung von Telavancin erfolgt hauptsächlich über die Nieren, zu etwa zwei Dritteln in unveränderter Form. In den Fäzes wurde weniger als 1% der Dosis wiedergefunden. Bei normaler Nierenfunktion beträgt die Eliminations­halbwertszeit acht Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Tagesdosis für Erwachsene liegt bei einmal 10 mg/kg über sieben bis 21 Tage. Die intravenöse Applikation sollte nicht als Bolus, sondern über einen Zeitraum von etwa einer Stunde erfolgen. Wegen der überwiegend renalen Exkretion erhalten Patienten mit mäßiger Nieren­insuffizienz (Kreatinin-Clearance 30 bis 50 ml/min) eine reduzierte Dosis von 7,5 mg/kg täglich. Auch bei älteren oder adipösen Patienten muss die Dosis gemäß dem Körpergewicht und der Nierenfunktion angepasst werden.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen ­Telavancin, schwerer Niereninsuffi­zienz, Hämodialysepflicht, akutem Nierenversagen sowie während der Schwangerschaft besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Applikation von Telavancin kommt es sehr häufig zu Übelkeit und Geschmacksstörungen. Häufig treten Pilzinfektionen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, gastrointestinale Störungen, Anstieg der Leberenzyme, Juckreiz, Ausschlag, akutes Nierenversagen, erhöhte Kreatinin-Werte im Blut, schaumiger Urin, Müdigkeit und Schüttelfrost auf. Mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen sind Clostridium-difficile-assoziierte-Colitis, Blutbildveränderungen, Hypokaliämie, Arrhythmien, Angina pectoris, Hepatitis, Myalgien, Anaphylaxie und Taubheit.

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Gabe anderer ebenfalls oto- oder nephrotoxisch wirkender Substanzen sollte vermieden werden. Das Gleiche gilt für Arzneistoffe, die wie Telavancin das QT-Intervall verlängern. Dagegen hat Telavancin keinen Einfluss auf die Elimination von Substanzen, die über CYP1A2, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6 und CYP3A4 biotransformiert werden. Relevante Interaktionen mit Inhibitoren oder Induktoren des CYP450-Systems sind ebenfalls unwahrscheinlich. Die Pharmakokinetik von Aztreonam oder Piperacillin/Tazobactam wird nicht signifikant durch Telavancin verändert und umgekehrt. Ebenso ist nicht mit Interaktionen mit anderen Betalaktamen, Clindamycin, Metronidazol und Fluorchinolonen zu rechnen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Während der Telavancin-Behandlung sollte die Nierenfunktion engmaschig überwacht werden. Durch zu schnelle intravenöse Applikation kann es zu einem „Red-man-Syndrom“ mit Hautrötungen am Oberkörper, Urtikaria, Juckreiz oder Hautausschlag kommen. Solche infusionsbedingten Reaktionen können durch langsame Applikation über 60 Minuten reduziert werden. Bei allergischen Reaktionen auf Vancomycin in der Vorgeschichte wurden Kreuzallergien mit anaphylaktischen Reaktionen auf Telavancin beschrieben. Unter der Behandlung mit Telavancin besteht die Gefahr einer relevanten QT-Verlängerung. Die Substanz kann wie andere Glycopeptide zu Ototoxizität mit Taubheit und Tinnitus führen. Bei der Behandlung von Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz, Blutbildungsstörungen und schweren Lungenerkrankungen ist wegen fehlender Erfahrungen Vorsicht geboten. Die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Telavancin bei Kindern und Jugendlichen wurde bisher noch nicht nachgewiesen.

Schwangerschaft und Stillzeit

Wegen fehlender Erfahrungen und möglicher schädigender Wirkungen ist die Anwendung von Telavancin während der Schwangerschaft kontraindiziert. Tierexperimente ergaben Reproduktionstoxizität. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung eine sichere Kontrazeption durchführen. Wegen ebenfalls fehlender Daten zum Übertritt von Telavancin in die Muttermilch sollte zur Sicherheit eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen oder die Behandlung mit Telavancin zu unterlassen ist.

Handelspräparat Vibativ® 

Hersteller

Clinigen Healthcare Limited, Großbritannien

Einführungsdatum

01. September 2014

Zusammensetzung

250 oder 750 mg Telavancin als Hydrochlorid

Sonstige Bestandteile

Hydroxypropylbetadex, Mannitol (E421), Natriumhydroxid (zur Einstellung des pH-Werts) (E524), Salzsäure (zur Einstellung des pH-Werts) (E507)

Packungsgrößen, Preise, PZN

eine Durchstechflasche mit Pulver zur Herstellung eines Konzentrats zur Herstellung einer Infusionslösung (à 250 oder 750 mg), 774,00 Euro (nur Krankenhausapotheke), PZN der 750-mg-Dosis: 10420476

Indikation

Erwachsene mit nosokomialer Pneumonie, die bekanntlich oder vermutlich durch Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Spezies (MRSA) verursacht wird und ebenso bekannt ist oder vermutet wird, dass andere Alternativen nicht angemessen sind.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg/kg einmal täglich intravenös über sieben bis 21 Tage. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die Dosierung entsprechend der Kreatinin-Clearance anzupassen. Ältere und/oder adipöse Patienten sollten eine Dosis gemäß ihrem Körpergewicht und der Nierenfunktion erhalten.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min), akutes Nierenversagen, Schwangerschaft

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die bei > 1% der Patienten auftraten, waren Pilzinfektion, Schlaflosigkeit, Geschmacksstörung, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Obstipation, Durchfall, Erbrechen, Anstieg der Alanin- und Aspartataminotransferase, Juckreiz, Hautausschlag, akutes Nierenversagen, erhöhte Kreatinin-Werte im Blut, schaumiger Urin, Müdigkeit und Schüttelfrost.

Wechselwirkungen

Die Pharmakokinetik von Aztreonam oder Piperacillin/Tazobactam wird durch Telavancin nicht verändert und umgekehrt. Telavancin hat auch keine Auswirkung auf die Clearance von Arzneimitteln, die über die CYP-Isoformen 1A2, 2C9, 2C19, 2D6 und 3A4 metabolisiert werden. Obwohl die Substanz keinen Einfluss auf die Blutgerinnung hat, beeinflusst sie bestimmte, zur Überwachung der Blutgerinnung verwendete Labortests.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Vorsicht ist bei der Anwendung bei Patienten geboten, die nephrotoxische Begleitmedikamente erhalten, eine bereits bestehende Nierenerkrankung aufweisen oder Begleiterkrankungen von denen bekannt ist, dass sie prädisponierend für Nierenfunktionsstörungen sind. Überempfindlichkeitsreaktionen, einschließlich lebensbedrohlicher anaphylaktischer Reaktionen, sind bei Telavancin-Applikation beschrieben worden. Wie bei anderen Glycopeptiden wurde bei Patienten unter Telavancin-Behandlung über Ototoxizität berichtet. Patienten mit einem bereits bestehenden akuten Nierenversagen hatten in klinischen Studien durch Telavancin ein höheres Mortalitätsrisiko als durch Vancomycin (44 vs. 25%).

Literatur

[1] Fachinformation zu Vibativ®, Stand September 2011


[2] Rubinstein E, Lalani T, Corey GR, Kanafani ZA et al. (ATTAIN Study Group). Telavancin versus vancomycin for hospital-acquired pneumonia due to gram-positive pathogens. Clin Infect Dis. 2011/1;52(1):31-40


[3] EPAR summary for the public. Vibativ® Telavancin. EMA/425452/2011; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu


 

Copyright

©2015-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

01/2015

Apothekerin Dr. Monika Neubeck