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Arzneimittel und Therapie
Contergan: Eine Renaissance
Thalidomid dämpft die Aktivität des menschlichen Immunsystems und hemmt die Bildung eines Zytokins, des Tumornekrosefaktors alpha, der an Entzündungsvorgängen beteiligt ist; diese Eigenschaften erklären die neuen Anwendungsgebiete.
Einsatz bei AIDS-Patienten
Nun zeichnet sich eine weitere Einsatzmöglichkeit in der Behandlung von AIDS-Patienten ab, die häufig an ausgedehnten Geschwüren, Aphten, im Mund und in der Speiseröhre leiden. Eine vierwöchige Thalidomidbehandlung führte zu einer Heilungsquote von 55% im Vergleich zu 7% unter Plazebo; das ergibt sich aus einer Studie in den Vereinigten Staaten unter der Verantwortung des National Institute of Allergy and Infectious Diseases. Berücksichtigt man auch die Fälle einer teilweisen Besserung, so haben rund 90% der Patienten profitiert. Ein überzeugendes Ergebnis. Allerdings steht die optimale Dosierung noch nicht fest. Ob 100, 200 oder 400 mg täglich benötigt werden, soll in einer neuen Studie an 84 Patienten untersucht werden. Celgene, ein börsennotiertes Venture-Unternehmen, das im Staat New York ansässig ist, hat sich die Entwicklung neuer Anwendungsgebiete für Thalidomid zum Ziel gesetzt und erprobt den Wirkstoff auch bei AIDS-Kranken mit schweren Durchfällen. Geplant ist ferner eine Studie an kachektischen AIDS-Patienten. Fachleute dagegen warnen vor Nebenwirkungen wie schmerzhaften Nervenschäden. Sorgen macht auch die unerwartete Zunahme der Viruslast unter der Therapie. Eigentlich hatte man das Gegenteil erwartet. Möglicherweise werden Mittel wie Thalidomid in der Aids-Behandlung auch bald nicht mehr gebraucht: Unter den neuen Kombinationstherapien mit drei Anti-HIV-Wirkstoffen verschwindet das Virus aus dem Blut; die körpereigene Abwehr erholt sich, und damit bilden sich auch die Folgeerscheinungen der Immunschwäche zurück. Erschließung neuer Einsatzgebiete Bei der Erschließung neuer Einsatzgebiete für Thalidomid geht es auch um ≥Psychologie" und Geld; denn es gilt, Wagniskapital für Projekte zu mobilisieren, deren Aussichten ungewiß sind. Da macht es sich gut, wenn man Therapien für Krankheiten in Aussicht stellen kann, die bisher nur unzureichend zu behandeln sind, die Multiple Sklerose zum Beispiel, der septische Schock oder die Rheumakrankheit. Die Firma Celgene hat sich mit der angesehenen Rockefeller Universität verbündet. Gemeinsam verfolgt man das Ziel, die Hemmwirkung von Thalidomid auf die Bildung des Tumornekrosefaktors alpha therapeutisch nutzbar zu machen. Den großen Durchbruch sollen langfristig aber Thalidomidabkömmlinge bringen, die besser verträglich sind. Molekülvarianten, die die Bildung von Tumornekrosefaktor 400- bis 500mal stärker unterdrücken als die Muttersubstanz, wurden im Rahmen eines Screeningprogramms bereits 1996 entdeckt. Für solche Substanzen gäbe es tatsächlich potentielle Einsatzmöglichkeiten: Zahlreiche entzündliche Erkrankungen ließen sich wirksamer behande
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