Prisma

""""Functional food": Eine neue Größe auf dem Gesundheitsmarkt

""""Functional food", "pharma food", "food for specified health use" sind die gängigen Bezeichnungen für eine Produktgruppe, die seit einiger Zeit die Lebensmittelregale erobert und die nicht nur auf dem Lebensmittelmarkt für viele Unruhe sorgt.

Was ist an diesen Produkten so problematisch? Der BAH nahm sich bei einem Presseseminar am 2./3. Juli 1997 der Fragestellung an. Gegenstand der Ausführungen von BAH-Justiziarin Simone Gawrich waren daneben auch die sogenannten Nahrungsergänzungsmittel, die hierzulande ebenfalls nicht unumstritten sind.

In den USA und Japan boomt der Markt der functional foods bereits seit den achtziger Jahren, und auch die deutschen Zahlen sind beeindruckend: Im Jahr 1996 wurde mit prä- und probiotischen Joghurts zu Endverbraucherpreisen ein Jahresumsatz in Höhe von 170 bis 180 Mio DM erzielt. Für 1997 wird ein Umsatz von 300 Mio. DM erwartet. Wo die weltweit operierenden Lebensmittelkonzerne noch hinwollen, lasse ein Blick in die Ursprungsländer USA und Japan erahnen, meint Gawrich. So würden In den USA bereits Tiefkühl-Fertigmenüs angeboten, die eindeutig pathophysiologische Zustände wie Bluthochdruck oder einen erhöhten Cholesterinspiegel positiv beeinflussen sollen. In Europa stießen die multinationalen Großkonzerne mit solchen Produkten allerdings an die Grenzen der hier geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Zum einen sei fraglich, ob die "functional food"-Produkte überhaupt als Lebensmittel verkehrsfähig sind, und zum anderen bestehen aus Sicht der BAH-Justiziarin erhebliche Bedenken bezüglich der Werbeaussagen, der sog. "health claims".

Der Aufmachung nach handele es ich zugegebenermaßen um im Lebensmittelbereich angesiedelte Milchprodukte, stellte Gawrich fest, jedoch trete der Ernährungs- oder Genußzweck aufgrund der vordringlichen Werbung mit den positiven Wirkungen auf die Darmflora und die Abwehrkräfte völlig in den Hintergrund. Rechtliche Bedenken bestünden außerdem im Hinblick auf das Irreführungsverbot in § 17 LMBG. Hiernach dürften für Lebensmittel keine Wirkaussagen gemacht werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Gawrich zog in Zweifel, daß es gerechtfertigt sei, an Lebensmittel und Arzneimittel in diesem Punkt unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen. Als weiteres Vermarktungshindernis führte sie § 18 LMBG mit dem Verbot der krankheitsbezogenen Werbung an, für die Lebensmittelindustrie wohl die hinderlichste Vorschrift, denn sie begrenzt die Möglichkeiten, den besonderen Gesundheitsaspekt solcher Produkte den Verbrauchern gegenüber ausreichend deutlich herauszustellen. Der europäische Lebensmittelverband CIAA strebe daher eine Liberalisierung diese Werbeverbotes an.

Verbraucherschützer, aber auch Politiker und Behördenvertreter zeigten sich der neuen Entwicklung gegenüber zwar insgesamt skeptisch, berichtete Gawrich, gleichzeitig herrsche jedoch allgemeine Ratlosigkeit, zumal mit der begonnenen Vermarktung der functional food Produkte bereits Fakten geschaffen wurden. Und welche Strategien hegt die Pharmaindustrie? Der BAH lehne grundsätzlich jegliche Verwischung der Grenzen zwischen Arzneimittel und Lebensmittel, jegliche Aufweichung der bestehenden Rechtslage genauso wie die Schaffung einer neuen Produktkategorie ab. Im übrigen wehre er sich gegen die Ungleichbehandlung mit den Arzneimitteln in bezug auf den Wirksamkeitsbeleg und die Gewährleistung einer gleichbleibenden Qualität über die gesamte Laufzeit.

Nahrungsergänzungen als "Puffer" zwischen Lebensmittel und Arzneimittel Der Verband habe daher eine Anfrage an das Bundesministerium für Gesundheit zur Einordnung der pro- und präbiotischen Joghurts gerichtet. Die Antwort stehe noch aus. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) jedenfalls teile die Zweifel an der wissenschaftlichen Belegbarkeit der claims und die Bedenken bezüglich der krankheitsbezogenen Werbung und erwäge nun die Etablierung der Nahrungsergänzungen als klar abgegrenzte Kategorie zwischen Arzneimittel und Lebensmittel. Auch für den Selbstmedikationsverband wäre eine klare und transparente Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Nahrungsergänzungen als "Pufferzone" gegen das Vordringen der Lebensmittelindustrie in den Gesundheitsbereich ein "vorstellbarer strategisch-pragmatischer Ansatz".

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