Kommentar

Perverser geht es nicht. Dümmer auch nicht. Wie da einige Ärztefunktionäre in Berlin, Brandenburg und Hessen die regreßbedrohten Taschen der Ärzte mit Bonusgeld zu füllen versuchen, provoziert nun wirklich die Frage: Für wie naiv halten diese Funktionäre eigentlich die Patienten? Mehr Geld sollen die Ärzte bekommen, wenn sie bei ihren Arzneiverordnungen kräftig sparen. Wenn die Patienten das merken, riskieren die Ärzte, daß aus dem schmutzigen Bonus-Money ein sauberes Malus-Image wird, das sie letztlich sehr, sehr teuer zu stehen kommt. So verblendet sind die Patienten wahrlich nicht. Sie werden es sogar sehr schnell merken - sobald die Publikumsmedien erst einmal die Lunte an dieses Pulverfaß legen. Ich denke, da reichen notfalls einige zarte Hinweise - und die Argumente werden zum Selbstläufer, wie das Gift nach dem Schlangenbiß.

Daß es pervers ist, wenn der Arzt mehr verdient, sobald er teurer und mehr verordnet - diese Einsicht war mit der Anlaß, daß Kaiser Friedrich II seligen Angedenkens im 13. Jahrhundert den segensreichen Beschluß durchsetzte, den ärztlichen von dem apothekerlichen Tätigkeitsbereich zu trennen. Nicht weniger pervers ist freilich die umgekehrte Situation, wenn der Arzt also mehr verdient, sobald er nur weniger oder billiger oder gar nicht verordnet. Ich bin sicher: Eine Diskussion über dieses Thema können die Ärzte vor der Öffentlichkeit nicht durchstehen, ohne sich schlimme Blessuren zu holen. Wie ein Krebsgeschwür wird das Mißtrauen der Patienten selbst dort sich ausbreiten, wo guter Wille und ehrliches Engagement die Leitschnur des ärztlichen Handelns geblieben ist. Die Mehrheit der Ärzte, die nicht an den grünen Tischen der Funktionäre sitzen, sieht diese Gefahr - da bin ich sicher - ebenso.

Was für die Ärzte gilt, gilt in ähnlicher Weise auch für die Krankenkassen. Die AOK, die ihre Vertragsärzte in einigen Regionen in derart unsittliche Verträge einbindet bzw. einzubinden versucht, riskiert viel. Jedenfalls solange nicht alle Kassen das gleiche tun. Danach sieht es nicht aus - und eine vorbehaltlose öffentliche Diskussion wird dem auch in Zukunft einen Riegel vorschieben. Die Ersatzkassen werden zum Beispiel bereitstehen, jene Patienten aufzunehmen, die sich fragen, ob sie denn in der AOK noch richtig sind, wenn diese meint, ihr Arzt solle ruhig mehr verdienen, wenn seinen Patienten nichts oder weniger oder besonders billige Arzneimittel verordnet.

Dürfen wir Apotheker dieses Thema aufgreifen? Wird man uns nicht vorwerfen, wir verteidigten doch nur unsere Interessen? In der Tat: der Vorwurf wird kommen, so sicher, wie das Amen in der Kirche. Er muß uns nicht stören, solange unsere Argumentation sauber und konsequent bleibt - und wir nicht auf anderen Feldern selbst vergleichbare Fehler machen. Das gilt z. B. für eine verstärkte Einbindung der Apotheker in die Generikasubstitution.
Klaus G. Brauer