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- DAZ 44/1997
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Die Seite 3
Editorial
Noch gut ein Jahr haben Deutschlands Apotheken Zeit, um einen Beratungsplatz in ihren Offizinen einzurichten oder besser gesagt: eine Einrichtung zu schaffen, mit der die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt werden kann. Die Übergangsfrist endet am 31. Dezember 1998. Danach wird es in aller Regel kein Pardon mehr geben. Also ran ans Umgestalten.
Die Frage lautet nur: Was bedeutet eine "Vertraulichkeit der Beratung" nach § 4 der Apothekenbetriebsordnung? Wenn man die Aussagen auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag in Düsseldorf heranzieht, so wird man mit einer Antwort ziemlich allein gelassen. Über das "Was" hörte man nichts, allenfalls über das "Wo". Das Thema kam in einer Passage der Rede von ABDA-Sprecher Pieck vor und hier nicht sonderlich konkret. "Individuelle Lösungen mit Augenmaß sollten angestrebt werden, so der Justitiar aus dem Apothekerhaus, nichts Unmögliches, aber das Machbare und Zumutbare müsse umgesetzt werden. Gummiformulierungen, mit der Sie als Apothekerin und Apotheker wohl ziemlich einsam in Ihrer Apotheke stehen. Reicht es, wenn ich ein Schild aufstelle "Bitte Abstand halten", wie es Banken und Post vormachen, evtl. mit einem Streifen auf dem Fußboden? Reicht es, wenn ich den Kunden auf ein Besucherstühlchen in der Offizin bitten kann? Kann es im wörtlichen Sinn eine "Beratungsecke" sein oder sollte dieses vertrauliche Beratungsgespräch an jedem Platz des HV-Tisches möglich sein? Oder würde auch ein kleines Zimmerchen im "hinteren" Teil der Apotheke die Anforderungen erfüllen, wo man den Kunden hinführen kann?
Ein wenig Hilfestellung kommt hier möglicherweise von der letzten Arbeitstagung der Pharmazieräte und Amtsapotheker, wo man über dieses Thema diskutierte. Die auf der Tagung verabschiedeten Leitsätze zur Vertraulichkeit der Beratung versuchen, Anhaltspunkte zu geben. Bei Durchsicht dieser Leitsätze ist nach meiner Meinung der Weichgummi von § 4 der Apothekenbetriebsordnung lediglich zum Hartgummi mutiert - allzu deutlich sind auch diese Leitsätze noch nicht (siehe den Bericht in unserer Rubrik "Was wann wo Berichte"). Aber es sind eben nur Leitsätze.
Möglicherweise wird es auch schwer sein, präzisere Anhaltspunkte zu geben, denn die individuellen Verhältnisse in Deutschlands Apotheken sind einfach zu unterschiedlich. Das scheint auch der Verordnungsgeber geahnt zu haben. Denn er hat bereits die Klausel aufgenommen, daß die Behörde Ausnahmen von dieser Vorschrift zulassen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Beim Heiligen St. Bürokratius: Wenn eine Apothekerin oder Apotheker die vertrauliche Beratung ernst nimmt, dann läuft das bereits heute. Der Kunde wird auf die Seite genommen, um mit ihm heikle Probleme zu besprechen. Nicht zuletzt ist es auch eine Sache des Fingerspitzengefühls, nicht nur wo man das macht, sondern auch wie. Denn selbst an einem nach der Apothekenbetriebsordnung ausgestatteten und abgenommenen Beratungsplatz lassen sich mit entsprechender Stimmlautstärke laute Beratungsgespräche führen genauso wie vertrauliche Gespräche an solchen Beratungsplätzen möglich sind, die vielleicht nicht dem einen oder anderen Pharmazierat gefallen.
Bleibt nur zu hoffen, daß diese Bestimmung von beiden Seiten, Pharmazieräten und Apothekern, mit Einsicht Augenmaß und Vernunft umgesetzt wird - und nicht die Gerichte und Rechtsanwälte beschäftigt.
Peter Ditzel
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