- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/1997
- Ernährung: Folsäure in ...
Arzneimittel und Therapie
Ernährung: Folsäure in der Schwangerschaft und gegen Depressionen
Folsäure wurde Anfang der vierziger Jahre aus Spinat isoliert und nach ≥folium", dem lateinischen Wort für Blatt, benannt. Das Vitamin der B-Gruppe hat als Coenzym im menschlichen Organismus eine Reihe von Stoffwechselfunktionen zu erfüllen. Es ist unentbehrlich für den Aufbau der Erbsubstanz sowie für die Vorgänge der Zellteilung und damit der Zellneubildung. Unter anderem wird Folsäure für die Bildung der roten und weißen Blut-körperchen sowie der Schleimhäutebenötigt. Frühes Zeichen eines Fol-säuremangels sind Störungen im Blutbild. Eine folsäurefreie Ernährung führt bereits nach vier Monaten zur Ausbildung einer makrozytären, hyperchromen Anämie.
Vor allem grüne Gemüse enthalten Folsäure Da der Körper Folsäure nicht selbst herstellen kann, muß sie ihm über die Nahrung zugeführt werden. Besonders gute Folsäurelieferanten sind Gemüsearten wie Feldsalat, Spinat, Grünkohl, Rosenkohl, Broccoli, Spargel, Brot und Backwaren aus Vollkornmehl, Weizenkeime, Sojabohnen, Ei, Milch oder auch Leber. Folsäure ist sehr empfindlich gegen Hitze, Licht, Sauerstoff, Säuren und Laugen. Deshalb müssen die Mahlzeiten, um Folsäureverluste so gering wie möglich zu halten, schonend zubereitet werden (kein langes Erhitzen und Warmhalten, Wiederaufwärmen vermeiden). Aufgrund der hohen Wasserlöslichkeit des Vitamins sollte man Gemüse nur wasserarm garen und Salate nicht wässern.
Erhöhter Bedarf in der Schwangerschaft Die Bedeutung einer ausreichenden Folsäureversorgung wurde inzwischen vielfach belegt. Deutlich erhöht ist der Bedarf in der Schwangerschaft. Danach wird eine mangelhafte Folsäureversorgung der werdenden Mutter mit einem gehäuften Auftreten von Fehlgeburten und einem erhöhten Risiko für Lippen- und Gaumenspalten sowie für Neuralrohrdefekte in Zusammenhang gebracht. Da sich die Neuralrinne beim Kind bereits zwischen dem 23. und 28. Tag schließt – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schwangerschaft oft noch nicht bekannt ist –, wird heute allgemein Frauen mit Kinderwunsch geraten, auf eine ausreichende Versorgung mit Folsäure zu achten. So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Schwangeren und Frauen, die sich ein Kind wünschen oder bei denen die Möglichkeit einer Schwangerschaft besteht, einem Folsäuremangel mit einer vollwertigen Ernährung und der zusätzlichen Einnahme von 0,4 Milligramm Folsäure pro Tag mit geeigneten Präparaten vorzubeugen. Frauen, in deren Familien bereits Neuralrohrdefekte aufgetreten sind, sollten pro Tag vier Milligramm Folsäure zusätzlich aufnehmen.
Folsäure und Homocysteinblutspiegel Weiterhin zeigen Untersuchungen einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer schlechten Versorgung an Folsäure, Pyridoxin und Cobalamin und hohen Homocysteinblutspiegeln. Als Coenzyme sind die drei Vitamine der B-Gruppe an der Metabolisierung der toxischen Aminosäure Homocystein beteiligt. Ein erhöhter Homocysteinspiegel im Plasma wird heute neben Hypercholesterinämie, Hypertonie und Rauchen als eigenständiger Risikofaktor für atherosklerotische Erkrankungen angesehen, wobei sich das Risiko vervielfacht, wenn die erhöhten Homocysteinwerte mit Rauchen oder Bluthochdruck kombiniert sind. Insbesondere eine Supplementation von Folsäure kann den Homocysteinspiegel reduzieren. Noch ist nicht geklärt, ob die derzeit gültigen Zufuhrempfehlungen von Folsäure, Vitamin B12 und B6 ausreichen.
Folsäure und Depressionen Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Rolle von Folsäure bei depressiven Erkrankungen. Menschen mit Depressionen weisen häufig einen niedrigen Folsäurespiegel im Blut auf. Bereits 1962 berichteten amerikanische Wissenschaftler, daß nach einer viermonatigen folsäurearmen Ernährung Vergeßlichkeit, Erschöpfung, Reizbarkeit und Schlaflosigkeit auftraten. Zahlreiche Untersuchungen folgten, um den Zusammenhang zwischen Folsäure und Depressionen zu erforschen. Bei Patienten, die aufgrund eines starken Folsäuremangels eine megaloplastische Anämie bekommen, werden depressive Symptome als die am häufigsten neuropsychiatrischen Komplikationen beschrieben. Umgekehrt wurden in verschiedenen Kohortenstudien bei 15 bis 38% der Patienten mit Depressionen niedrige bis mangelhafte Folsäurekonzentrationen im Serum oder roten Blutkörperchen festgestellt. Diese Beobachtungen müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Sie sind kein Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen niedrigen Folsäurespiegeln und depressiven Erkrankungen. So ist zum Beispiel nicht geklärt, ob der Folsäuremangel selbst die Ursache für die Erkrankung ist oder ob es nur deshalb zu einer schlechten Versorgung mit Folsäure und damit niedrigen Folsäurespiegeln im Blut kommt, weil sich depressive Menschen auch oft schlecht ernähren. Bei Alkoholabhängigen oder anderen körperlich kranken Menschen ist es plausibel, daß Folsäuremangel der prädisponierende Faktor für die Entwicklung einer Depression sein könnte. Leiden Menschen bereits an einer anhaltenden Depression, könnte der Appetitverlust und die schlechte Lebensmittelauswahl zu niedrigen Folsäurewerten im Blut führen, was wiederum der Grund für eine Verschlimmerung der Depression und für eine größere Hartnäckigkeit gegenüber Standardtherapien sein könnte. Gesichert scheint aber, daß die Gabe von Folsäure bei Depressionen die Symptome bessern und die Ansprechbarkeit auf bestimmte Medikamente erhöhen kann.
Literatur Alpert, J. E., M. Fava: Nutrition and depression: The role of folate. Nutrition Reviews 55, 145–149 (1997). Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Folsäuremangel vor und während der Schwangerschaft kann gefährlich sein. DGE aktuell 23/97. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, 5. Überarbeitung 1991. Folsäure-Mangel – Gefahr für das ungeborene Leben. Ernährungs-Umschau 40, 26 (1993). Graham, I. M., et al.: Plasma homocysteine as a risk factor for vascular disease. J. Am. Med. Assoc. 277, 1775–1781 (1997). Heseker, H.: Folsäure. Ernährungs-Umschau 43, 222–224 (1996). Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Prävention von Neuralrohrdefekten durch Folsäurezufuhr in der Frühschwangerschaft. Der Frauenarzt 39, 1007–1010 (1994). Wolfram, G.: Homocystein und Arteriosklerose. DGE-Info 12/95, S. 52–53.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.