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Kommentar: Notbremse für das ZL
Das Zentrallaboratorium der Deutschen Apotheker (ZL), das sich in den letzten fünfzehn Jahren zu einer auch international renommierten Institution der deutschen Apothekerschaft entwickelt hatte, ist in den letzten Tagen des alten Jahres unversehens massiv ins Gerede gekommen (vgl. DAZ 1997, Nr. 51/52, S.19). Die Entlassung des ZL-Leiters Professor Blume durch den ZL-Vorstand - im gegenseitigen Einvernehmen, wie es in solchen Fällen typischerweise heißt - droht für das Zentrallaboratorium und das Ansehen der Apotheker zum Fiasko zu werden.
Eine wachsende Zahl von Repräsentanten von ABDA und Bundesapothekerkammer scheint sich dieser Tatsache inzwischen bewußt zu werden. In der Tat: Noch ist nicht aller Tage Abend - es lohnt, die Notbremse zu ziehen und das Steuer herumzureißen. Die vertrackte gegenwärtige Situation hatte sich im Verlauf der Diskussionen um eine Neustrukturierung des ZL entwickelt - eine Diskussion, die vor dem öffentlichen Knall kurz vor Weihnachten bereits mehr als ein Jahr im Hintergrund ablief und zeitlich und emotional allen Beteiligten einiges abverlangte. Unstrittig zwischen dem Institutsleiter Professor Blume und dem ZL-Vorstand unter Leitung des Präsidenten der Apothekerkammer Bremen, Dr. Richard Klämbt, war dabei die prinzipielle Notwendigkeit einer Reorganisation. Sie ergab sich vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher und steuerrechtlicher Vorgaben für gemeinnützige Organisationen. Kommerzielle Betätigungsfelder sind danach unter dem Dach solcher Organisationen zukünftig nicht mehr in dem Maße wie früher möglich. Die entscheidenden Fragen in diesem Zusammenhang sind: Wenn eine Reorganisation unerläßlich ist, was sollte das ZL in Zukunft als Kernauftrag verstehen, welche Aktivitäten könnte man eventuell auslagern, auf was ließe sich ggf. - ohne größeren Schaden - ganz verzichten? Zwischen den dazu von Blume ausgearbeiteten Vorschlägen und der Mehrheitsmeinung im ZL-Vorstand wurde der Graben im Verlauf der Diskussion immer größer. Blume hat das Zentrallabor profiliert, indem er dort eine auch international anerkannte Kompetenz für Freisetzungsuntersuchungen, für vergleichende Reihenuntersuchungen wirkstoffidentischer Arzneimittel sowie für Bioverfügbarkeitsstudien aufbaute. Blume setzte sich, wie nicht anders zu erwarten, dafür ein, diese Bereiche auch in Zukunft weder ganz noch in wesentlichen Teilen aufzugeben bzw. outzusourcen, also nach außen zu vergeben. Er befürchtete, daß sonst die Kompetenz und das Renommee des ZL - auf diesen Feldern besonders eng mit seiner persönlichen Reputation verbunden - nicht erhalten werden könne. Ich denke, Blume liegt mit seiner Einschätzung richtig. Ein ZL, das sich in seiner Arbeit auf Untersuchungen zu den traditionellen Parametern der Qualität und Stabilität von Arzneimitteln beschränkt oder hier seinen Schwerpunkt legt, löst Probleme, die am bundesdeutschen Arzneimittelmarkt kaum noch existieren. So macht man sich überflüssig. Den Schaden hätte nicht nur das ZL, sondern die Apothekerschaft insgesamt. Ganz anders ist die schwerpunktmäßige Beschäftigung mit den biopharmazeutischen Aspekten der Arzneimittelqualität zu bewerten. Hier gibt es nach wie vor und bei vielen Arzneistoffen und Stoffgruppen, bei vielen Indikationen und bei einer Vielzahl von Zubereitungen erhebliche Probleme - am Markt, bei den Studien und in der Grundlagenforschung. Ganz neue Qualitätsfragen stellen sich im Zusammenhang mit den an Bedeutung gewinnenden biotechnisch hergestellten Arzneimitteln. Auf all diesen Feldern zeigt sich: Arzneimittel sind und bleiben problematische Produkte. Diese Botschaft signalisiert auch, daß apothekerlicher Sachverstand wichtig bleibt. Sie muß aber zugleich auch als Verpflichtung verstanden werden, diesen Sachverstand im eigenen Haus, in den eigenen Institutionen zu erhalten und auszubauen. Es wäre auch politisch verheerend, wenn sich die Apothekerschaft diesen Problemen nicht mehr stellen würde. Sie schadete damit nicht nur den Patienten, sondern auch sich selbst. Die Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz sind die Basis einer rationalen Bewertung wirkstoffgleicher Präparate, die Grundlage für die richtige Beantwortung der Frage, wann wirkstoffgleiche Präparate ausgetauscht werden können und wann eben nicht. Die Forderung nach Einbindung der Apotheker in die Auswahl unter wirkstoffgleichen Arzneimitteln - Motto: wir können es besser als der Arzt - wäre kaum noch glaubwürdig zu machen, wenn wir unser ZL auf diesem Arbeitsfeld abrüsten. Daß wir bislang - vom Notdienst einmal abgesehen - mit dieser unserer Forderung nicht weiter durchgedrungen sind, liegt an Ungeschicklichkeiten im eigenen Lager, die nicht das ZL zu verantworten hat, ihm sogar - bei Aufträgen aus den Kooperationen mit der Industrie - geschadet haben. Natürlich mauert die Industrie, dem ZL Daten für eine Qualitätsdatenbank zu liefern, wenn wir andererseits mit den Krankenkassen Verträge abschließen, in denen wir uns verpflichten, im Fall des Falles allein nach Preiskriterien auszuwählen - nach Spielregeln, bei denen ganzen Marktsegmenten faktisch das weitere Mitspielen verboten würde. Sie blieben ohne Chancen, auch wenn sie hinsichtlich der Qualität gute Argumente auf ihrer Seite hätten. Daß wichtige Teile der Industrie da weiter lieber ganz auf den Arzt setzen, ist zumindest nachvollziehbar. In dieser Situation wäre es töricht, dem ZL die Zähne zu ziehen und es konzeptionell zurück in die fünfziger, sechziger oder siebziger Jahre zu schicken. Die Bundesapothekerkammer und die ABDA stehen vor der unangenehmen Frage, ob es nicht im Sinne der Schadensbegrenzung klüger wäre, den bisherigen ZL-Vorstand in allen Ehren zu entlassen. Er hat sich in schwieriger Zeit redlich bemüht. Aber nach dem unschönen Geplänkel der letzten Wochen und der Art und Weise, wie man Blume - ohne ihn überhaupt bei den entscheidenden Sitzungen anzuhören - abserviert hat, wäre wohl nur dies ein gangbarer Weg. Ein neuer ZL-Vorstand wäre dann frei für einen Neuanfang auf dem steinigen Weg zur notwendigen Umstrukturierung des ZL. Er hätte die Chance aufzuräumen. Es bleibt abzuwarten, ob er sich dabei wieder die Unterstützung des langjährigen Leiters des ZL sichern kann, des Leiters, unter dem das Zentrallabor zu so hohem Ansehen gekommen ist. Zu wünschen wäre es.
Klaus G. Brauer
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