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DAZ-Interview mit Sanacorp-Chef Dr. Brink: Der Konzentrationsprozeß im deutsche
?Herr Dr. Brink, auf welchem Platz sieht sich die Sanacorp im deutschen Markt der Pharmagroßhändler? Dr. Brink: Wir sind ein apothekereigenes Großhandelsunternehmen. Zu 100% sind die stimmberechtigten Aktien im Eigentum der Genossenschaft. Wir sehen uns zusammen mit der ANZAG und der Noweda als dritte Kraft im deutschen Pharmagroßhandelsmarkt. Insgesamt eine bemerkenswerte Entwicklung, so meine ich, daß es den Apothekern nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, einen Marktanteil von über 30% zu erreichen.
?Vor etwa einem guten Jahr ging die Sanacorp an die Börse. Wie schätzen Sie rückblickend den Börsengang für die Sanacorp ein? Dr. Brink: Dieser Schritt war wichtig und richtig. Wir haben über 70 Mio. DM in die Kasse bekommen. Der Börsengang ermöglicht uns darüber hinaus weitere Kapitalerhöhungen in der Zukunft für Akquisitionen und Investitionen. Ich denke, daß unser Konzept aufgegangen ist, die Vorteile einer Genossenschaft mit den Vorteilen eines börsennotierten Unternehmens zu verbinden. Wobei ich allerdings anmerken muß, daß das Leben für uns schwieriger geworden ist. Während Genossenschaften hinsichtlich der Kommunikation mit den Mitgliedern einfacher zu pflegen sind, ist ein börsennotiertes Unternehmen mit all seinen Publizitätsverpflichtungen wesentlich schwieriger zu führen. Hier haben wir einen Lernprozeß durchgemacht.
?Es ist Geld in die Kasse gekommen, Herr Brink. Was hat die Sanacorp jetzt damit vor? Gibt es größere Investitionspläne, ist ein Ausbau in eine bestimmte Richtung geplant? Dr. Brink: Zunächst einmal wirkt sich dieses Geld direkt durch einen wesentlich verminderten Zinsaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung aus. Der zweite Effekt ist, daß die Sanacorp aufgrund einer Eigenkapitalausstattung von fast 40% eine ausgezeichnete Bonität besitzt. Schließlich ist der entscheidende Vorteil aber, daß Investitionsfinanzierungen wesentlich erleichtert werden. Wir haben beispielsweise in den letzten fünf Jahren über 200 Mio. DM investiert, vornehmlich in neue Betriebsstätten. Die nächste größere Investition, die ansteht, ist ein An- und Umbau der Niederlassung in Ulm. Mittelfristig wird man auch in Hamburg neu bauen müssen, wo man sich der Kapazitätsgrenze nähert, ebenso in Offenburg. Lassen Sie mich vielleicht noch hinzufügen: Immer wieder wird angemerkt, wir hätten auch in der Genossenschaft Kapital aufnehmen können. Das ist zwar richtig, aber in der Genossenschaft wird kein Agio realisiert, das steuerfrei in die Rücklagen eingestellt wird und weder mit Zins noch Kapitaldividende bedient werden muß. Darüber hinaus hat der Apotheker erstmals die Chance, an der Substanz des Unternehmens beteiligt zu werden, was in der Genossenschaft nicht möglich ist.
?Eine Zwischenbemerkung dazu: In der Wirtschaftspresse wurde die Sanacorp kritisiert, daß es zum Jahresabschluß Mitte letzten Jahres keine Bilanzpressekonferenz gegeben hat. Das sei üblich, so hieß es. Jetzt geben Sie, was eher außergewöhnlich ist, eine Pressekonferenz sogar zur Vorstellung des Halbjahresergebnisses. Hat das einen besonderen Grund? Dr. Brink: Nein, einen besonderen Grund hat dies nicht. Aber vielleicht lassen Sie mich dazu anmerken: Wir hatten eine Halbjahrespressekonferenz terminiert. Zum gleichen Zeitpunkt jedoch hatte ein anderes Unternehmen wegen des anstehenden Börsengangs kurzfristig eine Pressekonferenz angesetzt, so daß wir unsere Pressekonferenz absagten. Es war der gleiche Teilnehmerkreis eingeladen. Diese Absage war jedoch, wie wir danach feststellten, ein Fehler, der auch heftig kritisiert worden ist. Wir haben daraus gelernt.
?War die Sanacorp früher als Genossenschaft ein rein apothekereigenes Unternehmen, so hat die Sanacorp AG jetzt auch andere "Shareholder". Inwieweit muß die Sanacorp die Interessen der anderen Eigentümer beachten? Dr. Brink: Es ist richtig, die Vorzugsaktionäre sind eine zweite Eigentümergruppe, deren Interesse darauf gerichtet ist, eine angemessene Dividende zu erzielen und über den Kurs am steigenden Unternehmenswert beteiligt zu werden. Das gleiche Interesse haben aber auch die Apotheker. Ich denke, vor diesem Hintergrund gibt es keine Interessensgegensätze.
?In der Pharmaindustrie grassiert das Fusionsfieber. Es gibt Fusionen, die gelungen sind, und andere, die nichts gebracht haben oder sogar gescheitert sind. Nun sind Fusionen von forschungsabhängigen Produktionsunternehmen ja möglicherweise etwas anderes als die von Handelsunternehmen. Trotzdem die Frage: Erwarten Sie weitere Fusionen auf der Großhandelsebene? Dr. Brink: Nach meiner persönlichen Auffassung ist der Konzentrationsprozeß im pharmazeutischen Großhandel in Deutschland abgeschlossen.
?Aber ist nicht die eine oder andere Übernahme von kleineren Pharmagroßhändlern denkbar? Dr. Brink: Nein, dies sehe ich nicht so. Die verbliebenen Familienunternehmen sind alle hervorragend geführt und haben eine gute Performance. Ich sehe hier keinen Übernahmekandidaten. Auch bei den drei oder vier großen Pharmagroßhändlern sehe ich hier aus Gründen der Fusionskontrolle keine weiteren Übernahmen. Ich glaube, der Konzentrationsprozeß ist abgeschlossen.
?Ist es denkbar, daß die apothekereigenen Pharmagroßhandlungen enger zusammenrücken, Stichwort Noweda und Anzag? Dr. Brink: Die Noweda ist ein gut geführtes Unternehmen und mit ihrer auf Eigenständigkeit ausgerichteten Politik sehr erfolgreich. Deshalb sehe ich kurz- und mittelfristig keine Chance für ein engeres Zusammenrücken. Was allerdings angestrebt wird, ist eine Kooperation dort, wo es sich für beide rechnet, beispielsweise bei Marketingkonzepten für Apotheker. Eine andere Frage ist, wie wir mit dem ANZAG-Engagement umgehen. Bekanntlich hält die Sanacorp direkt 25% an der Anzag, darüber hinaus nochmals Optionen auf Aktien, so daß man insgesamt auf einen Wert von 48,3% kommt. Die Noweda hält bekanntlich 25%. Vor diesem Hintergrund muß man darüber nachdenken, welchen strategischen Nutzen die Beteiligungen bringen. Wir haben der Noweda vorgeschlagen, hierüber Gespräche zu führen. Eins möchte ich jedoch klar sagen: Eine Fusion zwischen Sanacorp und ANZAG, wie es kolportiert wird, wird von uns überhaupt nicht angestrebt, macht betriebswirtschaftlich keinen Sinn und läge nicht im Sinne der Aktionäre, der Kunden und Mitarbeiter.
?Welchen Platz wird Sanacorp kurz- und mittelfristig in Europa einnehmen wollen? Was ist hier geplant? Dr. Brink: Ich denke, es wird mittelfristig in er Europäischen Union einen harmonisierten Arzneimittelmarkt geben. Der Euro wird einen Anpassungsdruck auslösen. Zwei deutsche Pharmagroßhändler haben sich bereits massiv außerhalb Deutschlands in Europa engagiert. Ich glaube, die Apotheker müssen in Europa über ihre apothekereigenen Unternehmen eine Gegenmacht formieren. Nur so werden sie langfristig die Marktbedingungen zu ihren Gunsten beeinflussen können.
?Bedeutet dies, daß die Sanacorp mit anderen Unternehmen in Europa enger zusammenrückt? Dr. Brink: Ich bin überzeugt, dies wird für die Zukunft notwendig d. Man muß allerdings berücksichtigen, daß wir das Ziel, eine marktstarke apothekereigene Großhandelsgruppe zu formieren, nur auf dem Wege der Kooperation und durch Überzeugungsarbeit erreichen können. Dies ist ungleich schwieriger als durch Übernahmen.
?Gibt es Signale von anderen europäischen apothekereigenen Unternehmen für engere Kooperation? Dr. Brink: Ja, die gibt es, z. B. von der OPG in den Niederlanden, in Italien von der Unipharm, in Österreich von der Herba Chemosan, in der Schweiz von der Galenica und andere. Wir werden beispielsweise noch in diesem Jahr die Sanacorp und Herba Chemosan in eine Holding einbringen. Auch mit der OPG stehen wir in intensiven Gesprächen. Was mich dabei allerdings stört, ist die Unterstellung einiger, daß wir auch auf Apothekenketten spekulierten, nur weil wir mit der holländischen Apothekergenossenschaft kooperieren und das niederländische Recht Ketten zuläßt. Ich finde das schlimm, wenn solche Rückschlüsse vorgenommen werden. Das niederländische Recht ist anders aufgebaut als das deutsche Recht. Nach dem niederländischen Recht ist Fremd- und Mehrbesitz möglich, in Deutschland nicht..
?Kommen wir zurück auf den deutschen Pharmagroßhandelsmarkt: Was muß in Zukunft ein Pharmagroßhandel seinen Kunden bieten - neben schneller und pünktlicher Lieferung? Dr. Brink: Neben dieser Basisleistung muß die Pharmagroßhandlung dem Apotheker verstärkt Hilfestellung geben bei der notwendigen Umstellung von der nachfrage- zur angebotsorientierten Verhaltensweise. Für mich gibt es keine Gegensätze zwischen Heilberuf und Kaufmann. Wenn der Apotheker seine vielzitierte Beratungskompetenz überbringen will, müssen die Kunden und Patienten erst mal zu ihm in die Apotheke kommen. Also konkret: Hilfestellung z. B. bei der Schaufenstergestaltung, bei der Warenpräsentation, bei der Freiwahlgestaltung. Hier greifen u. a. die Sortimentskonzepte der Sanacorp, die darauf ausgerichtet sind, dem Apotheker zusätzliche Umsätze zu generieren. Sanacorp hilft ihm, die Kosten zu senken. Mit unseren Leanstore-Ansätzen optimieren wir die betrieblichen Ansätze seiner Apotheke.
?Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Herr Brink, glauben Sie, daß es angesichts aller zukünftigen elektronischen Möglichkeiten - Stichwort elektronisches Rezept - die Apotheke auch noch im Jahre 2010 in der heutigen Form geben wird? Dr. Brink: Der Markt ist natürlich dynamisch, es wird Veränderungen geben. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß es im Jahr 2010 noch die Apotheke geben wird, ich halte sie für nicht ersetzbar. Veränderungen durch die Einführung des elektronischen Rezepts wird es vielleicht geben. Man wird die Dynamik solcher Medien nicht aufhalten können. Entscheidend ist, daß wir Entwicklungen mitgestalten.
!Herr Dr. Brink, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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