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Kommentar

Ärzte und Heroin

Es tut sich etwas in der Drogendiskussion. In der vergangenen Woche haben sich die Ärzte erstmals für das kontrollierte Verabreichen von Heroin an Süchtige ausgesprochen. Das bringt die Bundesregierung in Zugzwang, war es doch immerhin die Bundesärztekammer, die hier etwas überraschend alte Positionen über Bord warf. Prompt erfolgte die Reaktion des Bundesgesundheitsministers. Das Konzept der Regierung basiere auf den drei Säulen Prävention, Hilfe für Betroffene - vorzugsweise durch Methadon - und Kampf gegen illegalen Handel. Das ist bekannt. Seit längerem ist jedoch ein viertes Standbein in der Diskussion: konkrete Überlebenshilfe. Unter dieses Stichwort fällt der Vorstoß der Ärzte. Sie sehen Drogenabhängigkeit oder Sucht als chronische Krankheit. Wenn aber wie bei anderen Krankheiten bestimmte Behandlungen nicht heilen können, die Abhängigen also nicht von den Suchtstoffen abbringen, sehen sich Ärzte gefordert, zumindest die Folgen zu lindern und einer Verelendung der Menschen nicht nur zuzusehen.
Es war überzeugend, wie die Vertreter der Bundesärztekammer (BÄK) argumentierten. Niemand will Heroin wie Wasser unter das Volk bringen. Es sollen strikte Vorgaben gelten, wer wie wo und warum den Originalstoff bekommen sollte. Denn offensichtlich gibt es Menschen, die man nicht mit Prävention und auch nicht mit Methadonprogrammen erreicht. Um diese spezielle Gruppe innerhalb von Schwerstabhängigen, geschätzt höchstens dreitausend, geht es.
Der Anstoß, das Betäubungsmittelgesetz so zu ändern, daß es die ärztlich kontrollierte Heroingabe erlaubt, ist nicht zu verwechseln mit der im vergangenen Jahr aufgeflammten Forderung
nach der Legalisierung weicher Drogen. Was mit Haschisch und Marihuana geschehen sollte oder auch nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ging es bei der Haschdiskussion um die generelle Legalisierung, die Freigabe weicher Drogen, plädiert der BÄK-Vorstoß für einen zusätzlichen Baustein zu bestehenden Therapien, eng als Modellvorhaben eingegrenzt und wissenschaftlich begleitet.
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP ist in der Suchtpolitik im übrigen nicht einig. Die Union setzt auf Drogenabstinenz als Ziel und warnt vor Verharmlosung und Kapitulation vor Drogen, die FDP dagegen ist in der Frage schon weiter und fordert die konkrete Überlebenshilfe gegen das Verelenden.
Natürlich ist die abstinenzorientierte Drogenpolitik ein großes Ziel. Die drogenfreie Gesellschaft ist jedoch nicht die Realität. Wie Hilfe für die Süchtigen aussehen kann, müssen wir ideologiefrei diskutieren. Der Vorstoß der Bundesärztekammer war ein deutliches Signal in diese Richtung.
Susanne Imhoff-Hasse

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