- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 14/1998
- Forum Leipzig: Apotheker...
Bericht
Forum Leipzig: Apotheker - fit für die Jahrtausendwende?!
Die Referentin ist als Apothekerin im Bereich Gesundheitspolitik - Corporate Development bei Glaxo Wellcome, Hamburg, beschäftigt. Um Szenarien für die Zukunft des Apothekerberufes zu entwickeln, stellte sie einige Annahmen auf. Wegen der bekannten Entwicklung der Alterspyramide geht sie von einer zunehmenden Inzidenz chronischer Krankheiten aus. Angesichts des sich wandelnden Gesundheitsverständnisses werde Krankheit immer weniger als Schicksal empfunden, was die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen erhöhe. Weiteres Potential ergebe sich aus dem steigenden Angebot, wenn künftig neue kausale Therapien entwickelt werden. Daß von 30.000 bekannten Erkrankungen nur etwa 10.000 kausal therapierbar sind, bilde eine enorme Herausforderung für die Pharmaindustrie und eine Chance für den Gesundheitsmarkt. Dabei sei auch an die Entwicklung von "orphan drugs" gegen seltene Krankheiten zu denken, deren Entwicklungskosten sich nur schwer amortisieren werden. Weitere Fortschritte und damit Marktperspektiven ergeben sich aus gentechnischen Verfahren und technologischen Entwicklungen wie der kombinatorischen Chemie, die neue Wirkstoffe erwarten lassen. So sind einerseits neue Heilungschancen, aber auch weitere Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zu erwarten.
Zudem werden neue Kommunikationsstrategien, die unter dem Begriff "Telemedizin" zusammenzufassen sind, die Effizienz im Gesundheitswesen erhöhen können. Beispielsweise die elektronische Krankenakte könne den Weg zu einer neuen Kommunikationsinfrastruktur unter Ärzten weisen. Doch liege Deutschland im internationalen Vergleich in dieser Entwicklung zurück, weil sie durch datenschutzrechtliche Restriktionen und die verbreitete Technikfeindlichkeit behindert wird. Allerdings sei die Entwicklung der elektronischen Netze wegen des Wettbewerbsdrucks und der zunehmenden Internationalisierung auch in Deutschland nicht aufzuhalten. Als Konsequenz aus diesen Entwicklungen folgerte Skwara, daß sich der Zielkonflikt zwischen optimaler Versorgung und Finanzierbarkeit weiter verschärft. Um die möglichen Reaktionen auf dieses Problem abzuschätzen, entwickelte sie zwei extreme gedankliche Szenarien, zwischen denen sich die reale Entwicklung bewegen dürfte.
Mögliche Entwicklung: Administrierte Kostenreduktion
Ein extremes Szenario bezeichnete sie als "Kostenszenario". Hier werde die GKV-Leistung insbesondere im Bereich subjektiv empfundener Leistungsbedürfnisse stark eingeschränkt und insgesamt rationiert. Typische Instrumente seien eine aggressive sektorale Budgetierung und strenge Defizithaftung. Die Einkaufsmacht liege dann verstärkt bei den Kassen, die direkte Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie führen würden. Durch die knappen Budgets werde der Penetrationsgrad des medizinischen Fortschritts sinken. Allenfalls bahnbrechende Sprunginnovationen hätten noch eine Chance. In diesem Szenario seien sinkende Arzneimittelpreise, Positivlisten, hohe Selbstbeteiligungen und ein weiter wachsender OTC-Markt zu erwarten. In einem solchen Szenario stelle es für Apotheken durchaus einen Vorteil dar, wenn sie als reine Distributeure und nicht als eigentliche Leistungserbringer angesehen würden, da an Letzteren hier besonders gespart würde. Doch sei in diesem Szenario zu erwarten, daß die Arzneimittelpreisverordnung fällt. Konsequenzen seien Zusammenschlüsse von Apotheken zu Ketten oder anderen Gruppierungen, die Preisverhandlungen führen können, die Einführung des Versandhandels, eine Verminderung der Apothekenzahl und möglicherweise das Dispensierrecht für Ärzte.
Die Alternative: Qualität durch Wettbewerb
Das andere Extremszenario bezeichnete Skwara als "Qualitätsszenario", das durch freien Wettbewerb anstatt durch ein administriertes Gesundheitswesen gekennzeichnet sei. Hierbei stünden Qualitätsaspekte im Vordergrund. Wie im "Kostenszenario" werde sich auch hier vermutlich eine Teilung der GKV-Leistungen in Regel- und Wahlleistungen ergeben. Es würden bundesweite Ärztenetzwerke entstehen. Spezielle Richtlinien würden Kriterien für die Qualität ärztlicher Leistungen bestimmen, so daß die Qualität dokumentiert und analysiert werden könne. In qualitätsorientierte Netzwerke könnten auch Apotheken integriert werden. Gerade in diesem Szenario seien strategische Partnerschaften wichtig, um dem enormen Wettbewerbsdruck zu begegnen. Am Markt könne sich nur behaupten, wer sich an den Bedürfnissen der Kunden orientiere und den Wert seiner Leistung nachweise. Arzneimittel würden in diesem Szenario bevorzugt als Paket im Zusammenhang mit der passenden "Software" abgegeben, d. h. mit Patientenschulungen und weiterer Pharmazeutischer Betreuung. Wenn die Apotheke damit die Patientenversorgung verbessere, könne sie einen höheren Stellenwert im Gesundheitswesen einnehmen. Sie wäre dann nicht nur Distributeur, sondern auch Erbringer einer eigenständigen Leistung. Sie könnte so neue Geschäftsfelder erschließen. In einem solchen Szenario werde der medizinische Fortschritt honoriert, doch seien auch hier scharf kalkulierte Wettbewerbspreise für Arzneimittel zu erwarten, also fallende Arzneimittelpreise.
Außerdem sei von einer Liberalisierung der Märkte und einer Angleichung der europäischen Gesundheitssysteme auszugehen. Dies betreffe auch die Distributionswege. über diese Gefahren dürfe das in der 8. AMG-Novelle vorgesehene Versandhandelsverbot nicht hinwegtäuschen. Auch die Konzentration und die Internationalisierung des Großhandels sei Ausdruck dieser europäischen Angleichung.
Als Fazit leitete Skwara die Forderung ab, daß die Apotheker ihre Rolle neu definieren und die Zukunft selbst aktiv gestalten müssen. Dabei solle möglichst in überschaubaren kleinen Schritten vorgegangen werden.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.