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Arzneimittel und Therapie
Angiogeneseinhibitoren: "Wundermittel" gegen Krebs?
Diese Forschungssubstanzen aus den Labors von Judah Folkman vom Kinderkrankenhaus in Boston lassen sich mittlerweile gentechnisch herstellen. Als Vertreter einer neuen Klasse von Wirkstoffen, den Angiogeneseinhibitoren, hemmen sie die Bildung neuer Blutgefäße (Angiogenese), auf die die Krebsgeschwulst für ihr rasches bösartiges Wachstum besonders angewiesen ist. Der Tumor erhält immer weniger Nährstoffe und Sauerstoff; er wird ausgehungert und erstickt.
Im Tierversuch bei Mäusen verschwanden selbst riesige Tumore nach einigen Wochen. Rückfälle gab es nicht, und die Resistenzentwicklung, bei herkömmlichen Zytostatika ein gefürchtetes Problem, blieb aus, denn der Tumor wird nicht direkt attackiert. Die Ergebnisse sind beeindruckend, aber die Therapieerfolge an Mäusen lassen sich nicht unbedingt auf den Menschen übertragen. Zum Jahresende soll eine erste klinische Studie an 30 Patienten beginnen, und ein Jahr später wird man vielleicht abschätzen können, ob die Kapitalanleger weiter hoffen dürfen.
Allerdings hinken EntreMed Inc. und Bristol-Myers-Squibb, die die Rechte an Endostatin und Angiostatin besitzen, der Entwicklung bereits hinterher. Einen Schritt voraus ist ihnen das amerikanische Biotechnologieunternehmen Sugen Inc. aus Kalifornien. Es verfügt über einen ähnlichen Wirkstoff, SU 5416, mit dem sich im Tierversuch vergleichbare Heilungserfolge erzielen lassen. SU 5416 wird bereits seit September vergangenen Jahres an der Universität von Kalifornien an Krebspatienten erprobt - mit ermutigenden Ergebnissen.
Oxigene, ein schwedisch-amerikanisches Unternehmen mit dem Hauptsitz in Boston, hat für September eine erste multinationale Studie mit Combretastatin, einem weiteren Vertreter dieser Wirkstoffklasse angekündigt.
Verfrühte Euphorie?
Nüchtern denkende Krebsspezialisten sehen die euphorischen Berichte über Endostatin und Angiostatin allerdings mit Mißbehagen. Sie verweisen auf die umfangreichen Forschungsaktivitäten: Mehr als 300 neue Krebsmittel werden derzeit erprobt; klassische Zytostatika, Impfstoffe, Gentherapeutika. Stoffe, die den Tumor von seiner Blutversorgung abschneiden und damit aushungern, sind zweifellos ein vielversprechender Therapieansatz; doch erst in einigen Jahren wird man wissen, welche Rolle diese Stoffe in der Krebstherapie tatsächlich spielen können.
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