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DPhG Münster: Aktuelle Methoden der analytischen Toxikologie
Einsatzgebiete Die analytische Toxikologie dient im klinischen Bereich der Differentialdiagnose bei Vergiftungen. Zum einen zielt sie auf die Identifizierung des Giftstoffes, zum anderen kommt auch dessen Ausschluß eine wichtige Bedeutung zu. Die Analytik hilft der Prognose einer Intoxikation, der Indikation einer unter Umständen invasiven Behandlung und der Effizienz der Detoxikation. Die Aufdeckung einer mißbräuchlichen Anwendung von Alkohol, Drogen oder Medikamenten gehört zu den eher bekannten Aufgaben der analytischen Toxikologie, weniger bekannt ist zum Beispiel ihr Einsatz in der Hirntoddiagnostik vor einer Organexplantation. Hier muß ausgeschlossen werden, daß das vorliegende Nulllinien-EEG medikamentös verursacht wurde. Das Untersuchungsgut für die qualitative und quantitative Analytik ist in den meisten Fällen Plasma oder Urin, seltener Mageninhalt, Gewebe, Haare, Schweiß oder Speichel. Für den spezifischen und sensitiven Nachweis und eine präzise Quantifizierung der in Frage kommenden Substanzen eignen sich besonders die Gaschromatographie, gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC-MS), und die mit Massenspektrometrie gekoppelte Flüssigchromatographie (LC-MS). Zu Beginn einer Untersuchung steht aufgrund des großen möglichen Substanzspektrums eine effiziente Suchstrategie, das heißt ein umfassendes Screening. Dieses zielt sowohl auf den Nachweis der Anwesenheit als auch auf den Ausschluß bestimmter Substanzen oder Substanzgruppen.
Metaboliten im Urin Für den Nachweis basischer oder neutraler Stoffe wie zum Beispiel mißbräuchlich angewandter Drogen, psychotroper Substanzen, Hypnotika oder Analgetika wurde eine systematische toxikologische Analytik für Urinproben entwickelt. Das Untersuchungsgut wird dafür zunächst einer Konjugatspaltung durch salzsaure Hydrolyse unterworfen. Nach einem Extraktionsschritt wird die Probe durch Acetylierung derivatisiert und kann dann gaschromatographisch untersucht werden. Als Beispiel für eine derartige Analyse führte Professor Maurer die Designerdrogen der Ecstasy-Gruppe an, wie MDE (Methylendioxyethylamphetamin), MDA (3,4-Methylendioxy- amphetamin), oder MDMA (3,4-Methylendioxymetamphetamin). Hierbei mußte zunächst festgestellt werden, welche Metaboliten im Urin überhaupt auftreten. Nach enzymatischer Hydrolyse und Extraktion unter sauren bzw. alkalischen Bedingungen und Acetylierung, gefolgt von einer Methylierung, konnten zwei grundsätzliche Wege der Metabolisierung aufgezeigt werden. Zum einen wurde ein Ringabbau durch O-Desalkylierung der Methylendioxygruppe zu Dihydroxyderivaten, gefolgt von einer Methylierung einer der beiden Hydroxygruppen, beobachtet. Zum anderen erfolgte ein sukzessiver Seitenkettenabbau zu N-Desalkyl- und Desaminooxometaboliten. Ausgeschieden wurden dann die Glycinderivate der korrespondierenden 3,4-disubstituierten Benzoesäuren. Nach Aufarbeitung der Metaboliten wurden diese mittels Kapillar-Gaschromatographie getrennt und massenspektrometrisch detektiert. Dabei wurden typische Fragmentlinien erhalten, die Peaks konnten dann mit Hilfe eines computergestützten spektralen Vergleiches mit Fingerprint-Referenzspektren identifiziert werden. Somit war es möglich, selbst chemisch sehr ähnliche Substanzen oder Metaboliten sicher zu bestimmen. Die Nachweisgrenze lag bei 5 bis 50 ng/ml.
In-vitro-Metabolisierung Die ersten Versuche zur Metabolisierung wurden nach Verabreichung der Substanzen an Ratten bzw. aus menschlichem Probenmaterial anhand der Urinproben gemacht. Neuerdings wird in der Arbeitsgruppe von Professor Maurer auch ein Verfahren zur In-vitro-Metabolisierung in Mikrosomen der Rattenleber eingesetzt. Um sicherzustellen, daß tatsächlich die gleichen Metaboliten in ähnlicher Menge gebildet werden, wurde eine vergleichende Untersuchung der Stoffwechselprodukte der Rattenmikrosomen und des sauer hydrolysierten Humanurins durchgeführt. Es zeigte sich eine gute Übereinstimmung der metabolischen Hauptprodukte von Mensch und Ratte. In den Mikrosomen findet jedoch aufgrund der fehlenden O-Methyltransferase keine O-Methylierung statt. Unter Umständen macht es bei der Metabolisierung einen Unterschied, ob die Substanz mißbräuchlich oder therapeutisch eingenommen wurde. So wird zum Beipiel Zolpidem, ein Benzodiazepinrezeptoragonist, von Mikrosomen in Hydroxymetaboliten umgewandelt. Im menschlichen Urin ist nach Intoxikation die Muttersubstanz neben den Hydrolyseprodukten nachweisbar, nach therapeutischer Einnahme findet man jedoch ausschließlich die Metaboliten. Für den Nachweis saurer Substanzen wie zum Beispiel Antikoagulantien, ACE-Hemmer, orale Antidiabetika, Diuretika, Antirheumatika oder Calciumantagonisten vom Dihydropyridintyp, wurde ebenfalls eine systematische toxikologische Analytik entwickelt. Hierzu wird die Urinprobe einer extraktiven Alkylierung (Methylierung) unterworfen. Die so erhaltenen Derivate werden wiederum mittels Gaschromatographie getrennt und massenspektrometrisch detektiert. Neben dem qualitativen Nachweis ist die Quantifizierung der Substanz zur Klärung der Frage nach einer Intoxikation von Bedeutung. Dazu werden der Probe stabile Isotope als interner Standard zugesetzt.
Grenzen der Analytik Die Grenzen der GC-MS-Analytik liegen unter anderem in der aufwendigen Probenvorbereitung. Diese kann zwar teilweise automatisiert werden, dauert aber dennoch mindestens eine Stunde. Auch reicht die Empfindlichkeit der GC-MS-Methode nicht immer aus. Gerade neue Arzneimittel zeichnen sich durch eine deutliche Erniedrigung der Einzeldosis gegenüber ihren Vorgängerpräparaten aus. Eine Verbesserung der Nachweisgrenze kann insbesondere bei Substanzen mit elektronegativen Anteilen, zum Beispiel Halogensubstituenten, durch eine negative chemische Ionisation erreicht werden. Der Nachteil dieser Ionisationsmethode liegt jedoch darin, daß kein Spektrum des Fragmentierungspeaks erhalten und mit Referenzspektren verglichen werden kann. Ein weiteres mögliches Problem stellen thermische Umlagerungen der Substanz bei Einspritzung in den 150 bis 300ľC heißen Aufgabeblock des Gaschromatographen dar. Bei thermisch labilen Stoffen muß demnach eine Kaltaufgabe in einen gekühlten Injektorblock erfolgen, um eine Artefaktbildung zu vermeiden. Für den Nachweis nichtflüchtiger Verbindungen mit hoher Molmasse oder hoher Polarität eignet sich die GC-MS-Analytik nicht, hier muß auf die LC-MS mit Elektrosprayaufgabe ausgewichen werden. Mittels LC-MS lassen sich Nucleotide, Proteine, toxische Peptide und Phase-II-Metaboliten wie Glucuronide oder Schwefelsäurehalbester problemlos nachweisen. Für eine schon etwas länger zurückliegende Intoxikation ist dies manchmal eine wertvolle Hilfe. So kann zum Beispiel noch Tage nach einer Paracetamolvergiftung das Mercaptursäurederivat im Urin nachgewiesen werden. Eine Knollenblätterpilzvergiftung äußert sich mit zeitlicher Verzögerung durch heftigen Brechdurchfall. Bei dieser Symptomatik könnte jedoch auch eine bakterielle Intoxikation durch die Pilze vorliegen, was differentialdiagnostisch zu klären ist. Im Blut sind 12 Stunden nach der Pilzmahlzeit die toxischen Peptide a- und b-Amantadin nicht mehr nachzuweisen, im Urin jedoch können sie mittels LC-MS noch aufgefunden werden. Dazu war es aufgrund störender Matrixpeaks, die die Ionisation der Peptide verhinderten, erforderlich, einen Aufreinigungsschritt mittels Immunaffinitätschromatographie vorzuschalten. Zusammenfassend schloß Professor Maurer, daß GC-MS die Methode der Wahl, der "Goldstandard" der analytischen Toxikologie ist, die LC-MS die aufkommende Methode der Wahl für nichtflüchtige Verbindungen. Als Goldstandard der Zukunft könnte einmal eine LC-MS-MS-Methode gelten, bei der nach Flüssigchromatographie eine massenspektrometrische Trennung und darauf eine massenspektrometrische Detektion erfolgt. Dr. P. Högger
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