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Universität Münster: Transdermale Therapeutische Systeme
Funktionsweise von TTS Bei der Entwicklung von TTS stand die Idee einer kontinuierlichen Arzneistoffapplikation, ähnlich einer Dauertropfinfusion, im Vordergrund. Pulsierende Blutspiegel sollten vermieden, eine bessere Kontrolle bei der Verabreichung stark wirksamer Stoffe, z.B. Scopolamin, erzielt werden. Ideal erschienen TTS für Wirkstoffe mit sehr kurzer Halbertszeit wie Glyceroltrinitrat (Eliminationshalbwertszeit 3min) oder Nicotin (Eliminationshalbwertszeit 1,5h). Weitere Vorteile waren darin zu sehen, daß nach transdermaler Applikation keine sofortige Leberpassage erfolgt, was bei Betablockern oder Nicotin problematisch ist. Der Arzneistoff ist nicht den chemischen Einflüssen des Gastrointestinaltraktes ausgesetzt, auch können keine lokalen Magen-Darm-Unverträglichkeiten auftreten. Nicht zuletzt war eine sehr hohe Patientencompliance zu erwarten, was z.B. für Arzneistoffe wie Clonidin interessant ist. Als erstes therapeutisches System kam 1980 das Scopolamin-TTS auf den Markt, zuletzt wurde 1994 ein Testosteron-TTS zugelassen. TTS sind durch eine definierte Wirkstoffbeladung gekennzeichnet. Da der Wirkstoff durch passive Diffusion in die darunterliegenden Hautareale gelangt, muß die Wirkstoffbeladung des TTS hoch genug sein, um ein deutliches Diffusionsgefälle zu erzeugen. Die definierte Wirkstoffabgabe wird auf die Tragedauer bezogen und ist unter anderem von der Größe der diffusionsaktiven Auflagefläche auf der Haut abhängig. Kennzeichnend ist zudem, daß TTS selbstklebend sind und eine äußere Schutzfolie aufweisen, unter der sich die Strukturelemente mit Reservoirfunktion befinden. Man kann TTS entsprechend ihres Aufbaus systematisieren. Frühe Entwicklungen waren durch Steuermembranen gekennzeichnet, die die Abgabe des molekulardispers vorliegenden Wirkstoffs kontrollierten. Eine selbstklebende Polymerschicht fixierte das Pflaster auf der Haut. Nachteilig war bei diesem System, daß sich das Wirkstoffreservoir entleeren konnte, wenn die Membran beschädigt wurde. Spätere Entwicklungen bestanden aus zwei Polymerschichten: Die eine Polymermatrix diente als Wirkstoffreservoir, wies jedoch keine Haftung auf. Eine weitere selbstklebende Polymerschicht diente der Hauthaftung und der Verankerung der wirkstoffhaltigen Matrix.
Klebstoffe Die Kenntnisse der Klebertechnologie wurden ursprünglich aus der Gefügetechnik abgeleitet. Kleber sind hochviskose, permanent klebende Strukturen, die mit oder ohne Abdampfen eines Lösemittels entstehen. Man unterscheidet die Qualitätsmerkmale Anfangsklebrigkeit ("Tack"), das Haftvermögen ("Adhäsion") und die innere Festigkeit des Haftklebers ("Kohäsion"). Als polymere Kleber sind Acrylsäure- und Methacrylsäureester-Copolymere gebräuchlich, die Polyacrylat-Haftkleber. Sie haben den Vorteil, hypoallergen zu sein und sich gut nachvernetzen (vulkanisieren) zu lassen. Diese Eigenschaft der Nachvernetzbarkeit ist entscheidend für die innere Festigkeit des Klebers. Sie verhindert, daß die weiche Matrix unter der Deckfolie herauskriecht, um dann fusselige und schlecht entfernbare Schmutzränder auf der Haut zu erzeugen, oder daß sie noch vor Gebrauch mit der Verpackung verbackt. Polyacrylate zeigten ausgezeichnete Klebeeigenschaften, nachteilig ist einzig, daß sie selbst sehr polar sind und somit eine schlechte Freigabe polarer Wirkstoffe zeigen. Eine höhere Lipophilie haben hingegen Polyisobutylene, die noch haftverbessernder Zusätze bedürfen, Styrol-Isopren-Blockpolymere oder Polysilikon-Haftkleber, die allerdings keine gute Fluxkontrolle des Arzneistoffs ermöglichen, weshalb in diesen Fällen mit einer zusätzlichen Steuermembran gearbeitet werden muß.
Überwindung der Hautbarriere Der Wirkstoff muß das Stratum corneum der Haut inter- oder intrazellulär überwinden, um über das subpapilläre Gefäßnetz die systemische Zirkulation zu erreichen. Die Transportgeschwindigkeit ist dabei stark temperaturabhängig. Bei normaler Hauttemperatur beträgt die Fließgeschwindigkeit im subpapillären Gefäßnetz 150 bis 1500 ml/min, bei hoher Hauttemperatur und somit maximaler Hautdurchblutung bis zu 3000 ml/min. Das Stratum corneum dient der Abdichtung der Haut gegenüber Umwelteinflüssen. Die Barriere wird von Cholesterol, freien Fettsäuren und Sphingolipiden gebildet, die sich bei Hydratisierung automatisch als Lipiddoppelschicht ausrichten und somit wechselweise hydro- und lipophile Umgebungen ausbilden. Die rigide Barrierefunktion des Stratum corneum diktiert die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Arzneistoffe, für die eine sinnvolle Applikation mittels TTS möglich ist. So muß die molare Masse der Wirkstoffe unter 1000, besser noch unter 500 liegen, der Verteilungskoeffizient zwischen 1 und 100. Die kinetische Halbwertszeit sollte sechs bis acht Stunden nicht überschreiten, Schmelz- und Siedepunkt sollten möglichst tief liegen, und das Molekül sollte keine ausgeprägten polaren Zentren aufweisen. In einigen Fällen ist es unumgänglich, die Aufnahme des Wirkstoffes durch den Einsatz von Penetrationsverstärkern (Enhancer) zu unterstützen. Diese Enhancer sollen temporär die Barrierefunktion des Statum corneum herabsetzen, dabei jedoch eine gute Hautverträglichkeit aufweisen. Ihre Wirkung soll nach Abnahme des TTS rasch abklingen. Zu bedenken ist auch, daß bereits die Okklusion durch ein TTS einen Enhancereffekt hat, der unter Umständen für die Penetrationsverbesserung ausreichend sein kann. Verschiedene Mechanismen bewirken eine Herabsetzung der Barrierefunktion des Stratum corneum. Es kann die Interaktion mit den Lipiden der Lipiddoppelschicht beeinflußt werden, dazu sind beispielsweise Azone oder auch die Ölsäure in der Lage. Auch Cyclomonoterpene wie D-Limonen oder Menthol sind in der Lage, mit den Kohlenwasserstoffen der Lipiddoppelschicht zu interagieren. Die Hydratation der polaren Kopfgruppen der Lipiddoppelschicht wird durch Harnstoff oder Propylenglykol verändert. Eine Aufhebung der Wasserstoffbrückenbindungen der Corneopeptide wird durch den Einsatz von Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid oder Dimethylacetamid bewirkt. Eine Erhöhung der Feuchtigkeit des Stratum corneum durch feuchtigkeitsbindende Substanzen wie z.B. Pyrrolidon verstärkt ebenfalls die Penetration. Tenside, deren Wirkung auf die Arzneistoffaufnahme von anionisch über kationisch zu nichtionisch abnimmt, finden heutzutage kaum noch Verwendung. Eine weitere Möglichkeit der Penetrationsverbesserung stellt die Ausnutzung von Ionenpaareffekten dar, die zu einer Senkung der Polarität des Wirkstoffes führen. Ein Idealfall der Penetrationsverstärkung ist, wenn sich der thermodynamische Zustand des Wirkstoffes verändert, z.B. wenn die hauteigene Feuchtigkeit im TTS zu einer Übersättigung des Arzneistoffes führt, die das Konzentrationsgefälle erhöht und die Diffusion verstärkt.
Test mit der Franz-Zelle Für die Prüfung neu entwickelter TTS bzw. für die Qualitätskontrolle wird die modifizierte Franz-Zelle verwendet. Ein Stück Haut des Yukatanschweins oder der Maus ist über die eigentliche Prüfzelle gespannt, die mit einem leicht sauren Phosphatpuffer (37ľC) gefüllt ist. Auf die Tierhaut wird ein TTS definierter Größe aufgebracht und im Akzeptormedium nach acht und 24 Stunden die Wirkstoffkonzentration gemessen. Bei derartigen In-vitro-Versuchen ließen sich einige grundlegende Gesetzmäßigkeiten für verschiedene TTS bestimmen. Ein geeigneter Enhancerzusatz verbessert deutlich die Aufnahmegeschwindigkeit, jedoch nimmt nach ca. 24 Stunden die Enhancerkonzentration deutlich ab. Die Permeationsgeschwindigkeit erreicht dann wieder Werte, wie sie ohne Enhancerzusatz beobachtet werden. Diffundiert der Penetrationsverstärker deutlich schneller als der Wirkstoff, können keine stabilen Plateauplasmaspiegel erreicht werden. Vergleicht man ein TTS in pharmakokonitischer Hinsicht mit einer Dauertropfinfusion, so stellt man fest, daß bei beiden Applikationsformen das Verteilungsvolumen und die Eliminationshalbwertszeit technologisch nicht beeinflußt werden können, da sie beispielsweise von Wirkstoffeigenschaften, Größe und Gewicht des Patienten abhängig sind. Jedoch kann die Invasionsgeschwindigkeitskonstante beeinflußt werden. Diese ist beim TTS von ihrer Anzahl und Größe, von der Hauthaftung und dem Hautzustand abhängig. Daraus läßt sich folgern, daß aus der Anwendung von TTS nicht per se präzisere Wirkstoffspiegel resultieren, weil die "pharmakokinetischen Normalitäten" auch für diese Arzneiform gelten.
Arzneistoff im Hautdepot Eine Besonderheit wurde in einigen Fällen bei der Abnahme des TTS beobachtet, sofern ausreichend viele Meßpunkte bestimmt wurden: Die Plateaukonzentration an Wirkstoff nahm nicht erwartungsgemäß unverzüglich ab, sondern es kam zu einem kurzfristigen Anstieg des Plasmaspiegels (Abb.2). Erklären läßt sich dieses Phänomen dadurch, daß sich offenbar ein Hautdepot bildet, das durch die mechanische Reizung beim Abnehmen des TTS (Strecken der Haut) noch etwas Arzneistoff freisetzt. Aufgrund des Depots kann auch die Eliminationskurve verlängert sein. Bei der Fertigung von TTS gilt selbstverständlich der Arzneibuchanspruch der Gleichförmigkeit des Gehaltes ("content uniformity"). Die Rezepturbeschreibung für TTS ist komplexer als für andere Arzneiformen, und sie weist einige Besonderheiten auf. So erfolgen Mengenangaben in der Regel als g/cm2. Galenische Hilfsstoffe wie Polymer-Haftkleber oder Enhancer tauchen in anderen Zubereitungen nicht auf. Zum Schluß wies Dr.Asmussen noch darauf hin, daß TTS nicht nur beim Menschen Anwendung finden, sondern auch bei Pflanzen. Auf diese Weise können saftstromführende Nutz- oder Zierpflanzen durch insektizidhaltige TTS vor parasitärem Befall geschützt werden, so z.B. Obstbäume oder Rosen. Dr. P. Högger
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