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- DAZ 34/1998
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Arzneimittel und Therapie
Gefäßneubildung: Inhibitoren der Angiogenese als neue Therapiemöglichkeit?
Die Bildung von neuen kapillaren Blutgefäßen (Angiogenese) spielt bei einer Vielzahl von physiologischen Prozessen, beispielsweise bei der Ovulation, der Embryonalentwicklung oder bei der Wundheilung, eine wichtige Rolle. Zu Beginn der Angiogenese werden Endothelzellen reaktiviert, und die Basalmembran bricht auf. Die Endothelzellen haften sich an dieser Stelle an, vermehren sich massiv, wandern weiter und bilden schließlich erste Blutgefäße. Neue Blutgefäße wachsen somit aus bereits existierenden Gefäßen aus. In erwachsenen Organen werden Endothelzellen extrem langsam über Monate bis Jahre erneuert. Nur in wenigen physiologischen Situationen, beispielsweise bei der Wundheilung, läuft die Neubildung von Gefäßen innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen ab.
Regulation und Störungen der Angiogenese Die Angiogenese wird sowohl räumlich als auch zeitlich durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Aktivatoren und Inhibitoren re guliert. Zu den Aktivatoren der Angiogenese gehören beispielsweise Zytokine (Tumornekrosefaktor alpha, Interleukin 8), Matrixproteine (Laminin, Fibrin), Wachstumsfaktoren (vaskulärer Endothel-Wachstumsfaktor, menschlicher Fibroblasten-Wachstumsfaktor) und andere endogene Mediatoren. Gehemmt wird die Gefäßneubildung dagegen durch das Matrixprotein Thrombospondin, Gewebeinhibitoren von Matrix-Metalloproteinasen, den Plättchen-Faktor 4 und auch durch andere Wachstumsfaktoren. Eine Überproduktion von Angiogenese-Aktivatoren und/oder ein Mangel an inhibierenden Faktoren kann zu Augenerkrankungen (z.B. diabetische Retinopathie), Krebs (Metastasierung eines soliden Tumors), Gefäßerkrankungen (z.B. Arteriosklerose) oder zu chronisch entzündlichen Krankheiten (z.B. rheumatoide Arthritis) führen. Mit Angiogenese-Inhibitoren können diese Erkrankungen möglicherweise therapiert werden. Derzeit laufen bereits erste präklinische und klinische Studien, in denen die Wirkungen verschiedener Inhibitoren untersucht werden.
Hemmung der Angiogenese durch Antikörper Der vaskuläre Endothel-Wachstumsfaktor (VEGF - "vascular endothelial growth factor") ist in vivo ein aktivierender Faktor der Angiogenese und wirkt möglicherweise mitogen. VEGF wird als Antwort auf eine hypoxische oder ischämische Verletzung sekretiert und initiiert dann eine patholog- ische Gefäßneubildung. Möglicherweise spielt VEGF auch im Zusammenhang mit Tumoren und proliferativen Retinopathien als kritischer Mediator des Blutgefäßwachstums eine wichtige Rolle. In einer Vielzahl von Tiermodellen für die ischämisch induzierte, retinale Angiogenese und für Krebserkrankungen wurde die Wirkung von VEGF-Inhibitoren untersucht. In diesen Versuchen konnte ein monoklonaler Antikörper gegen VEGF oder der Zusatz von löslichen Rezeptoren die pathologische Gefäßneubildung hemmen. Möglicherweise kann ein menschlicher VEGF-Antikörper therapeutisch zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden, die durch Angiogenesestörungen hervorgerufen werden.
Tumorbehandlung durch Hemmung von Metalloproteinasen Spezifische Gewebeinhibitoren hemmen die Angiogenese, indem sie die Aktivität von spezifischen Enzymen, den Matrix-Metalloproteinasen, drosseln. Wenn die Zellen nicht genügend Gewebeinhibitoren produzieren, werden die Metalloproteinasen unzureichend gehemmt, und als Folge können Tumoren entstehen. Die Matrix-Metalloproteinasen werden vor allem in malignen Tumoren stark exprimiert und sind aus diesem Grund die Zielsubstrate für eine Vielzahl von möglichen Inhibitoren. Derzeit beginnen bereits Phase-III-Studien mit einem Inhibitor (Marimastat) gegen die meisten Matrix-Metalloproteinasen zur Behandlung von soliden Tumoren. Marimastat wirkt effektiv gegen verschiedene Tumore, zum Beispiel Magenkrebs. Dieser Hemmstoff zeigt kontinuierlich ein gutes Sicherheitsprofil und wird von den Patienten gut vertragen. Weitere Metalloproteinase-Inhibitoren werden derzeit in klinischen Phase-I- und Phase-II-Studien zur Behandlung von Krebs und Arthritis untersucht.
Endostatin läßt Tumoren schrumpfen Tumoren können nur wachsen, wenn sie die Neubildung von Blutgefäßen stimulieren, um mit Proteinen, Wachstumsfaktoren und Sauerstoff versorgt zu werden. Primäre Tumorzellen produzieren dabei sowohl Stimulatoren als auch Inhibitoren der Angiogenese, um zum einen ein Netzwerk aus Blutgefäßen für die Tumorversorgung aufzubauen und zum anderen das Wachstum von Metastasen zu unterdrücken. Aus den Tumoren isolierte Inhibitoren sind in der Lage, die Blutgefäßbildung zu unterdrücken und das Wachstum von Tumoren bei Tieren und Menschen zu stoppen. Endostatin ist eines von drei endogenen Angiogeneseinhibitoren, die von malignen Tumoren gebildet werden. Endostatin inhibiert spezifisch die Proliferation von Endothelzellen und somit die Neubildung von Gefäßen und das Tumorwachstum. In Tierstudien lassen Endostatindosen von 20 mg/kg KG und Tag primäre Tumoren zu mikroskopischen Läsionen schrumpfen. Werden noch höhere Dosen verabreicht, können die Tumoren sogar vollständig verschwinden. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse muß die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Endostatin in klinischen Studien noch weiter untersucht werden.
Literatur Mousa, S. A.: Mechanisms of angiogenesis in vascular disorders: potential therapeutic targets. Drugs of the Future 23, 51-60 (1998). Dr. Sonja von der Crone, Aachen
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