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Arzneimittel und Therapie
Alzheimer-Therapie: Neue Cholinesterasehemmer
Alzheimer-Patienten leiden unter anderem an einer verringerten cholinergen Erregungsübertragung im Gehirn. Daher zielen Therapieversuche oft darauf ab, die Menge an Acetylcholin im Gehirn zu erhöhen oder seine Wirkung zu imitieren. Klinische Erfolge zeigten bisher nur die Cholinesterasehemmer. Diese Substanzen verlängern die Wirkungsdauer von Acetylcholin, indem sie das abbauende Enzym Cholinesterase hemmen. Das erste in Deutschland zugelassene Präparat ist Tacrin (Cognex®), vor kurzem kam Donepezil (Aricept®) hinzu, weitere Substanzen werden derzeit entwickelt.
Die Cholinesterase wird blockiert
Die dreidimensionale Struktur der Cholinesterase ist weitgehend aufgeklärt. Am Grund einer "Höhle" im Enzym befindet sich das katalytische Zentrum mit dem aktivierten Serinrest und der Bindungsstelle für die Cholingruppe. Außerdem existieren periphere Cholinbindungsstellen, die eine Substratinhibierung ermöglichen könnten.
Röntgenstrukturanalyse und Computermodelle ermöglichen heute sehr gute Aussagen über die Art der Bindung zwischen der Cholinesterase und ihren Hemmstoffen.
• Das Aminoacridin Tacrin klemmt mit seinem Ringsystem wie in einem Sandwich zwischen zwei aromatischen Aminosäuren der Bindungshöhle, nahe am katalytischen Zentrum.
• Auch bei dem N-Benzylpiperidin Donepezil wird eine nicht-kovalente Wechselwirkung mit aromatischen Aminosäureresten in der Bindungshöhle angenommen.
Neuer Arzneistoff: Bindung an das katalytische Zentrum Ganz anders wirkt SDZ-ENA-713, das in Amerika zur Zulassung angemeldet wurde: Es bindet als Pseudosubstrat an das katalytische Zentrum. Im ersten Reaktionsschritt wird es - wie Acetylcholin auch - durch nukleophilen Angriff des aktivierten Serinrests des Enzyms gespalten. Da SDZ-ENA-713 jedoch kein Ester wie Acetylcholin, sondern ein Carbaminsäureester ist, entsteht als Zwischenprodukt kein acetyliertes Serin, das rasch durch ein aktiviertes Wassermolekül hydrolysiert würde. Vielmehr bildet sich ein Carbaminsäureester mit Serin, der nur verzögert zu trennen ist. Dadurch ist das Enzym reversibel inhibiert. Leitsubstanz der Gruppe der Carbaminsäureester ist das Alkaloid Physostigmin.
Erprobung in Labor und Klinik Aufgrund der positiven Erfahrungen mit Tacrin werden zur Zeit verschiedene Cholinesterasehemmer klinisch erprobt. Auch irreversible Enzymblocker befinden sich unter den Kandidaten. Da aussagekräftige Tiermodelle für die Alzheimer-Erkrankung fehlen, werden die neu entwickelten Substanzen einer ganzen Reihe von pharmakologischen Tests unterworfen. Die Tests sollen zeigen, daß die Hemmstoffe die zentrale cholinerge Aktivität steigern und gleichzeitig die periphere Cholinesterase möglichst wenig beeinflussen, um die Nebenwirkungen gering zu halten. Denn Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die im Rahmen der Behandlung mit Cholinesterasehemmern auftreten können, werden hauptsächlich auf periphere Enzymhemmung zurückgeführt. Entsprechend schwierig gestaltet sich die klinische Erprobung der neuen Arzneimittel. Zuerst müssen die Patienten mit Alzheimer-Erkrankung unterschieden werden von solchen mit anderen Demenzformen. Dann werden der Grad der Erkrankung und das Ergebnis der Behandlung mit einem Test der kognitiven Leistungen festgestellt. Dafür stehen unterschiedliche Bewertungskataloge zur Verfügung, was wiederum den direkten Vergleich zwischen verschiedenen Studien erschwert. Da außerdem nicht alle Alzheimer-Patienten denselben Mangel cholinerger Funktionen aufweisen, könnten sie auch unterschiedlich auf die Therapie ansprechen.
Vorübergehende Besserung, aber keine Heilung Zur Zeit ist Tacrin die Referenzsubstanz bei der Entwicklung neuer Cholinesterasehemmer. Es verbesserte in Studien über 12 und 30 Wochen die kognitiven Fähigkeiten und die Lebensqualität der Patienten. Die Behandlung mit Tacrin wird durch seine Hepatotoxizität eingeschränkt. Jeder zweite Patient entwickelt erhöhte Leberenzymwerte, die sich aber nach Absetzten des Arzneimittels wieder normalisieren. Donepezil verursachte keine Leberschädigung. Die Erprobung von SDZ-ENA-713 zeigte bisher vielversprechende Ergebnisse, wenn eine kontinuierlich steigende Dosis gewählt wurde. Nur ein Teil der Patienten spricht auf die Behandlung an. Dabei mag es enttäuschen, daß die neuen Substanzen zwar die Symptome verbessern, aber das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz letztlich nicht verhindern können. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dieses Ziel ausschließlich durch eine Beeinflussung cholinerger Erregungsübertragung erreicht werden kann. Auch andere neuronale Systeme sind von der Erkrankung betroffen, und die Ursache ist nach wie vor unklar. An Nervenzellen, die bereits zerstört sind, kann eine Verbesserung der nicht mehr vorhandenen cholinergen Übertragung auch nichts mehr ausrichten. Deswegen bleibt zu hoffen, daß in Zukunft die Diagnosemöglichkeiten verbessert werden, um die Alzheimer-Patienten frühzeitig als solche zu erkennen und besser vor dem Untergang von Gehirnsubstanz zu schützen.
Brufani, M, et al.: New acetylcholinesterase inhibitors. Drugs of the Future 22, 397-410 (1997).
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