Arzneimittel und Therapie

Die unbekannte Volksseuche

Die Hepatitis C ist im Verhältnis zu ihrer großen Verbreitung eine relativ unbekannte Erkrankung. Hinsichtlich der Übertragungswege und Therapiemöglichkeiten sind noch viele Fragen offen. Zudem leiden viele Betroffene unter offener oder versteckter Diskriminierung. Die vielfältigen Unsicherheiten erschweren zudem eine erfolgreiche und zielgerichtete Prävention.


Das Hepatitis-C-Virus ist seit etwas mehr als zehn Jahren bekannt, zuvor wurde die Infektion als Non-A-non-B-Hepatitis bezeichnet. Nach verschiedenen Schätzungen ist von etwa 400000 bis 800000 Hepatitis-C-Infizierten in Deutschland auszugehen. In Schleswig-Holstein, wo seit 1993 aussagekräftige Statistiken geführt werden, gehen jährlich etwa 150 Meldungen über Neuerkrankungen ein. Die Krankheit ist somit häufiger als die HIV-Infektion, während die Aufklärungs- und Präventionsarbeit dagegen vergleichsweise gering erscheint. Von seiten der Selbsthilfegruppen wird auch die mangelnde Kenntnis über die Erkrankung und ihre Therapie bei den Hausärzten beklagt.

Schleichender Verlauf, aber schwere Spätschäden


Die Krankheit macht sich typischerweise nicht durch eine Gelbsucht oder andere deutliche Zeichen bemerkbar, sondern verläuft meist schleichend. Die akute Infektion bleibt oft unbemerkt, aber bei 50 bis 70% der Patienten geht sie in eine chronische Form über. Diese wird mitunter erst nach 20 Jahren bemerkt, wenn bereits schwerwiegende Leberschäden vorliegen. Diese können durch das Husten oder Erbrechen von Blut oder Wasseransammlungen in den Beinen auffallen.
Bei etwa einem Drittel der chronisch Infizierten entwickelt sich langfristig eine Leberzirrhose, die allenfalls durch eine Lebertransplantation zu behandeln ist. Zudem ist die Leberzirrhose mit einem deutlich erhöhten Risiko für Leberkrebs verbunden. Doch zunächst entwickeln die chronisch Infizierten eher unspezifische Symptome, sie fühlen sich über lange Zeit müde, kraftlos und antriebsschwach.
Solche Symptome sollten zum Anlaß für die Überprüfung der Leberfunktionswerte, insbesondere der Transaminasen, genommen werden. Dies ermöglicht ein einfaches und kostengünstiges Screening, aber ein negatives Ergebnis schließt die Krankheit nicht aus. Aussagekräftiger ist der Nachweis von Antikörpern gegen das Virus, noch besser der Test auf die RNA des Virus.
Beim Nachweis erhöhter Leberwerte sollte stets an eine Hepatitis C gedacht werden. In der Praxis werden solche Befunde hingegen allzu oft durch Alkoholkonsum erklärt, so daß die Chance auf frühzeitige Entdeckung der Hepatitis vergeben wird. Ob ein Massenscreening der Leberfunktionswerte ohne Verdachtssymptome, ähnlich wie bei Cholesterin- oder Blutzuckerwerten, eine Vielzahl frühzeitiger Diagnosen ermöglichen würde, kann erst der entsprechende Versuch zeigen.

Übertragungswege unsicher


Das Hepatitis-C-Virus kann durch Blut und Blutprodukte übertragen werden, doch wurde seit der Entdeckung des Virus und der Einführung geeigneter Testverfahren die Gefährdung durch Transfusionen und Faktorpräparate weitgehend ausgeschlossen. Als Übertragungsmöglichkeiten verbleiben daher Spritzentausch bei Drogenabhängigen, Piercing, Tätowierungen, das Schnupfen von Cocain durch die verletzte Nasenschleimhaut und sexuelle Praktiken, bei denen es zu Blutungen kommen kann. Heterosexueller Geschlechtsverkehr gilt als möglicher, aber seltener Übertragungsweg. Doch bleibt bei etwa der Hälfte aller Infizierten der Übertragungsweg ungeklärt, so daß über weitere Möglichkeiten spekuliert werden kann.

Rechtzeitige Interferontherapie bietet Heilungschance


Als Mittel der Wahl zur Therapie der Hepatitis C gilt Interferon alfa, das eine intrazelluläre Resistenz gegen Viren hervorruft und Killerzellen aktiviert. Als Bedingungen für eine Interferontherapie gelten erhöhte Transaminasen in Verbindung mit dem Nachweis von HCV-Antikörpern oder HCV-RNA und möglichst eine Absicherung der Diagnose durch eine Leberpunktion; denn es gibt Virusträger ohne Entzündungsreaktion, z.B. immunsupprimierte Patienten, bei denen eine Interferontherapie nicht indiziert ist. Andererseits kann bei gesicherter Leberentzündung auch ohne Antikörpernachweis eine Interferontherapie angebracht sein.
Die Behandlung mit Interferon alfa bietet insbesondere bei frühzeitigem Einsatz die Chance, das Virus zu eliminieren. Dabei werden dreimal wöchentlich 3 bis 6 Millionen I. E. Interferon alfa injiziert. Verbessern sich die Leber- und Viruswerte nach drei Monaten, wird die Therapie weitere drei Monate fortgesetzt. Längere Therapien sind mit reduzierter Dosierung möglich.

Erfolg hängt vom Virustyp ab


Nach sechs Monaten sind etwa 40 bis 50% der Patienten virusfrei. Doch erleidet etwa die Hälfte der Patienten einen Rückfall, bei dem das Virus bereits nach einigen Wochen wieder nachweisbar sein kann. Die Erfolgswahrscheinlichkeit hängt stark vom Virustyp ab. Bei einigen Typen besteht eine 40%ige Chance auf endgültige Heilung, bei dem in Deutschland vorherrschenden Typ I jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit von 8%, doch existiert keine alternative Therapiemöglichkeit zum Interferoneinsatz. Insgesamt ergibt sich bei den in Deutschland verbreiteten Hepatitis-C-Typen eine durchschnittliche Heilungsaussicht von etwa 15%. Doch scheint auch bei den Non-Respondern das Leberkrebsrisisko zu sinken. Thrombozytopenie und fortgeschrittene Leberzirrhose stellen Kontraindikationen für Interferon dar, was die Bedeutung des frühzeitigen Therapiebeginns unterstreicht.

Grippeähnliche Nebenwirkungen


Während ein Teil der Patienten durch Interferon alfa geheilt wird, haben viele Non-Responder nur unter den Nebenwirkungen zu leiden. Relativ gut beherrschbar sind die für jede Interferontherapie typischen grippeähnlichen Symptome. Dies ist mit der physiologischen Interferonausschüttung bei grippalen Erkrankungen vergleichbar. Daher wird empfohlen, die Injektion abends durchzuführen und diese Symptome zu verschlafen. Möglich sind aber auch schwere Symptome mit Fieber, Schüttelfrost und Gelenkbeschwerden. Seltenere Nebenwirkungen sind Veränderungen des weißen Blutbildes. Als schwerwiegendste unerwünschte Wirkung können Depressionen auftreten.

Alternative: Interferon plus Ribavirin


Als Alternative mit etwas höheren Erfolgsaussichten bietet sich eine Kombination von Interferon alfa mit dem Virostatikum Ribavirin an, das im nächsten Jahr eine Indikationserweiterung für diese neue Therapie erhalten soll. In etwa zwei Jahren ist zudem mit einem modifizierten Interferon alfa zu rechnen, das seltener anzuwenden ist und auf höhere Responderraten hoffen läßt. Längerfristig sind neue Arzneistoffe zu erwarten, die direkt in den Virusstoffwechsel eingreifen, doch dürfte bis dahin bereits eine Impfung verfügbar sein. Die Entwicklung eines Impfstoffes wird allerdings durch die extrem hohe Mutationsrate des Virus erschwert, das sich dadurch innerhalb von Wochen entscheidend verändern kann. Quelle
Prof. Dr. Ulrich R. Fölsch, Kiel; Dr. Gerd Glaeske, Barmer Ersatzkasse; Heide Moser, Ministerin für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein; Gabrielle Roth, Mainz; Dr. Karl-H. Schlingensief, Vorstand Pharma, Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Wyhlen; Dr. Albrecht Schneider, Süderbrarup; Diskussionsrunde "Talk im Schloß - Hepatitis C: Eine neue Volksseuche?" Kiel, 3. September 1998, veranstaltet von Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Wyhlen. Thomas Müller-Bohn, Süsel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.