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Geschichte
Arzneimittelkontrolle in Österreich
In memoriam Bundesanstalt
für chemische und pharmazeutische Untersuchungen
in Wien*
Von Ernst Schlederer, Wien
Anfänge einer staatlichen Arzneimittelkontrolle
Im Arzneimittelbereich stellte sich dem Komitee zunächst die Aufgabe, mit geeigneten Maßnahmen die Bevölkerung vor therapeutisch minderwertigen, wirkungslosen oder sogar schädlichen Erzeugnissen zu schützen.
Der Hausierhandel mit Arzneien jeder Art war in der Donaumonarchie schon mit dem Kaiserlichen Patent vom 4.September 1852 (RGBl. Nr. 252) verboten worden. Die Abgrenzungsverordnung vom 17.September 1883 (RGBl. Nr. 152) sowie ihre Ergänzungsverordnungen vom 17.Juni 1886 (RGBl. Nr. 97) und vom 8.Dezember 1895 (RGBl. Nr. 188) regelten nun die Abgrenzung der Verkaufsrechte der Apotheker und der Materialwarenhändler (Drogisten etc.). Damit erhielten eindeutig und unumstritten die Apotheker das alleinige Recht zur Herstellung und zum Vertrieb aller Arzneimittel nach ärztlichem Rezept und ebenso aller im Handverkauf erlaubten Arzneimittel. Um auch einen ärztlich unkontrollierten Arzneimittelverkehr zu unterbinden, wurden mit Verordnungen des Ministeriums des Inneren vom 4.März 1884 (RGBl. Nr. 34) bzw. 1.August 1884 (RGBl. Nr. 131) genaue Bestimmungen hinsichtlich der Befugnisse der selbständigen Medikamentenabgabe (Handverkauf) erlassen.
Kontrolle der Arzneispezialitäten
Die Kontrolle erstreckte sich auf die Zusammensetzung, Beschriftung, Werbung, Preiserstellung, die Führung von Aufzeichnungen anläßlich der Herstellung sowie auf die Anmeldung und Bindung an eine amtliche Genehmigung. Die Anmeldung einer pharmazeutischen Spezialität erfolgte bei der politischen Bezirksbehörde. Der Instanzenzug ging zunächst nur zur Landesbehörde. Nach mehreren Zwischenerlässen wurde dieser Instanzenzug durch eine Verordnung des Ministeriums des Inneren vom 16.April 1901 (RGBl. Nr. 40) insofern geändert, als dieses sich bei der Beurteilung der zur Anmeldung kommenden pharmazeutischen Spezialitäten einschaltete.
Die Prüfung pharmazeutischer Erzeugnisse wurde einer hierfür eigens bestimmten Fachkommission des Obersten Sanitätsrates übertragen.
Die Untersuchungen wurden wahlweise
- am Pharmakologisch-pharmakognostischen Universitätsinstitut in Wien (Vorstand: Prof. Dr. August Emil Vogl v. Fernheim),
- am Medizinisch-chemischen Universitätsinstitut in Wien (Vorstand: Prof. Dr. E. Ludwig) sowie
- im Laboratorium des k.k. Militär-Sanitätskomitees (Leiter: Prof. Dr. R. v.Kretschmer) vorgenommen, wobei jeweils von diesen Instituten auch ein Gutachten zu erstellen war. Die drei Institute erzielten mit diesen kostenpflichtigen Tätigkeiten zusätzliche Einnahmen.
Schon die erste, im Jahr 1901 vorgenommene Spezialitätenuntersuchung bestätigte das Erfordernis einer staatlichen Kontrolle. Weder entsprach die Inhaltsmenge noch die ermittelte Zusammensetzung des untersuchten Produktes den Angaben des Herstellers.
Erste verwaltungseigene Untersuchungsanstalten
Was die Prüfung pharmazeutischer Erzeugnisse betrifft, so waren die drei damit befaßten Institute bald überlastet. Eine weitere Aufteilung der Untersuchungsfälle, z.B. an einschlägige Institute an anderen österreichischen Universitäten, kam nicht in Betracht, weil damit wohl kaum eine einheitliche Beurteilung der pharmazeutischen Produkte zu erzielen gewesen wäre. So wurde die Errichtung einer eigenen Untersuchungsanstalt für die Zwecke des Obersten Sanitätsrates immer dringlicher.
Der Initiative des Pharmakologen Vogl v.Fernheim (1833-1909) ist es zu danken, daß eine solche Anstalt schließlich gegründet werden konnte.
Chemisch-pharmakognostische Untersuchungsanstalt
Sie hieß anfangs "Chemisch-pharmakognostische Untersuchungsanstalt des k.k. Obersten Sanitätsrathes". Das Personal bestand zunächst nur aus dem Vorstand (Vogl v.Fernheim), der wissenschaftlichen Hilfskraft Dr. Edmund Weis (1878-1948) und dem Aushilfsdiener Mathias Weichbold.
Der Vorstand übte seine Funktion ehrenamtlich aus, die Kosten für die Hilfskraft und den Aushilfsdiener sowie für die Betriebserfordernisse zahlte der Oberste Sanitätsrat.
Am 1.Mai 1909 trat Vogl v.Fernheim zurück, und Weis übernahm die provisorische Leitung. Der Personalstand der Anstalt vermehrte sich noch im gleichen Jahr um zwei Volontärassistenten: Dr.Erwin Klein und Dr.Leopold Mayer. Wie lange sie dort tätig waren, ist nicht mehr feststellbar.
Wie dem ersten Tätigkeitsbericht der Anstalt zu entnehmen ist, wurden bis 31.Dezember 1909 insgesamt 142 pharmazeutische Zubereitungen untersucht und begutachtet. In 58 Fällen mußten Anträge auf Abweisung gestellt werden; in 41 Fällen konnte nur eine bedingungsweise Zulassung beantragt werden, nur in 43 Fällen (30,3%) bestanden keine Bedenken gegen eine Zulassung zum allgemeinen Apothekenverkehr.
Systemisierung und Umzug der Anstalt
Die Räume in der Valeriestraße, die ja auch nur ein Provisorium darstellten, waren nun zu klein geworden. 1911 konnte die Anstalt in den "Kleinen Passauerhof", Rest eines einst stattlichen Gebäudekomplexes (1., Salvatorgasse 12) umziehen. Wie die benachbarte Kirche "Maria am Gestade" lag der Passauerhof seinerzeit am Donauufer. Dort fanden die Schiffer von Passau Unterkunft und Verpflegung. Seit dem 14.Jahrhundert Eigentum des Bistums Passau, fiel der Besitz 1806 an die k.k. Staatsgüterverwaltung. 1820 wurde der Kleine Passauerhof zum Kloster umgebaut und dem Orden der Redemptoristen übergeben. Das Kloster bestand auch noch nach dem Einzug der Untersuchungsanstalt in Teilen dieses Gebäudes fort.
Die engen Gänge, dicken Mauern und kleinen Fensteröffnungen machten das Gebäude nicht gerade ideal für ein chemisches Laboratorium, aber doch brauchbar.
Weiteres Ansteigen der Untersuchungsfälle
Im Dezember 1912 traten Dr. et Mag. Erich Tschebull und Mag. Otto Hoyer (1882-1975) ihren Dienst als Assistenten an. Im Jänner 1913 wurde noch Dr. Zeno Martinovic als Adjunkt eingestellt, der bis 1918 an der Anstalt blieb, dann aber in den polnischen Staatsdienst übertrat. Hoyer, der sich nach 6Gymnasialklassen dem Pharmaziestudium zugewandt und 1910 den Grad eines Magisters der Pharmazie erworben hatte, holte jetzt die Matura nach und wurde 1917 zum Dr. phil., Hauptfach Pharmakognosie, promoviert.
Die Anstalt gliederte sich nun in eine chemische und eine pharmakognostische Abteilung. Die in den Apotheken entnommenen Proben wurden nach den Vorschriften der Pharmacopoea Austriaca, Editio Octava geprüft. Die entsprechenden Gutachten gingen den zuständigen politischen Landesbehörden zur weiteren Veranlassung zu. Pharmazeutische Spezialitäten wurden nach den Richtlinien eines Regulativs des Obersten Sanitätsrates überprüft, das allgemeine Bestimmungen sowie genaue Richtlinien für die Beurteilung pharmazeutischer Erzeugnisse umfaßte und schon viele wesentliche Elemente der späteren "Spezialitätenordnung" enthielt.
Auch von Sanitätsbehörden, Gerichten und Marktämtern wurde die Anstalt zur Vornahme von Untersuchungen und Begutachtungen herangezogen.
Wissenschaftliche Tätigkeit
1920 schied Moßler, mittlerweile Hofrat und Universitätsprofessor geworden, aus dem Dienst an der Anstalt aus. Weis wurde zunächst mit der provisorischen Leitung betraut, dann am 31.Jänner 1921 zum definitiven Vorstand ernannt.
Die Geburt der "Spezialitätenordnung"
Die Anstalt kontrollierte den Arzneimittelmarkt nicht nur durch Analysen, ihre Fachbeamten nahmen seit 1921 auch an Revisionen von Apotheken und pharmazeutischen Industriebetrieben teil. Mit ihrer Hilfe konnten sanitäre Mißstände, deren Beseitigung sonst sehr langwierig gewesen wäre, oft an Ort und Stelle abgestellt werden.
Die Teilnahme eines pharmazeutischen Sachverständigen an den Revisionen durch den Amtsarzt ist übrigens Otto Hoyer, dem Vorstand der pharmakognostischen Abteilung der Anstalt, zu verdanken. Er bemühte sich unermüdlich um die praktische Pharmazie in Österreich und hat auch bei der Bekämpfung der Kurpfuscherei beachtliche Erfolge erzielt; als Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Die Kritik" klärte er die Bevölkerung über Mißstände auf den Gebieten des Heil- und Arzneiwesens, der Kosmetik und der Ernährungswirtschaft auf. Seine Selbstbiographie "Mein Lebenswerk im Dienste der Volksgesundheit" [4] ist ein lesenswerter, informativer und die Persönlichkeitsstruktur des Verfassers nicht verleugnender Beitrag zum Arznei- und Apothekenwesen in Österreich zur Zeit der ersten Republik.
Zusätzliche Aufgaben der Anstalt
Die Anstalt prüfte auch Charge für Charge die Erzeugnisse der Entnikotinisieranstalt Falk. Auf allen entnikotinisierten Tabakfabrikaten fand sich der Vermerk "Unter Kontrolle der chem.-pharm. Untersuchungsanstalt des Bundesministeriums für soziale Verwaltung (Volksgesundheitsamt)" mit einer amtlichen Kontrollnummer. Nach Plänen von Dr. Erich Tschebull, dem Vorstand der chemischen Abteilung der Anstalt, war ein Apparat konstruiert worden, der das Zigarette-Rauchen simulierte und sich auf die Dauer, Stärke und Häufigkeit der Züge einstellen ließ. Sowohl Zigarettenhülsen, die nikotinabsorbierende Filter besaßen, als auch sogenannte Entnikotinisierungsflüssigkeiten wurden auf ihre beanspruchte Wirkung untersucht und begutachtet.
Auch die Erstellung der Arzneitaxe, die Nachprüfung und Nachberechnung der (nicht-offizinellen) Privattaxe des Österreichischen Apothekervereines sowie die Mitarbeit bei den Arbeiten an der Pharmacopoea Austriaca Editio Nona und am Codex Alimentarius zählten zum Tätigkeitsgebiet der Anstalt. Die Sitzungen für das Arzneibuch fanden mehrere Jahre lang wöchentlich einmal in der Anstalt statt. Für die Arbeiten am Arzneibuch und Lebensmittelcodex wurde der Anstalt eine eigene wissenschaftliche Kraft, Dr. Berta Saiko-Pittner (1893-1937), zugeteilt. 1931 brachte mit der Einstellung von Dr. et. Mag. Margarete Lasch einen weiteren Personalzuwachs.
25jähriges Jubiläum
1.Untersuchung und Begutachtung von Arzneien und Arzneimittel im Rahmen von Zulassung und Nachkontrolle pharmazeutischer Spezialitäten sowie anläßlich der Entnahme im eigenen Wirkungskreis oder nach Übermittlung zuständiger Behörden.
2.Prüfung und Begutachtung auf Angemessenheit des Preises von Arzneiwaren.
3.Wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens.
4.Untersuchung und Begutachtung von Arzneien und Arzneimittel über unmittelbares Ersuchen von Privatparteien.
5.Beaufsichtigung und ständige Überprüfung von Arzneien, Arzneimitteln und anderer das Gesundheitswesen betreffenden Erzeugnissen nach vertraglicher Vereinbarung und jeweiliger Genehmigung durch das Bundesministerium.
6.Teilnahme an sonstigen, in ihr Fach einschlagende Arbeiten über Ermächtigung durch das Bundesministerium, insbesondere bei der Ausarbeitung des Arzneibuches und der Erstellung der Arzneitaxe.
7.Teilnahme an Betriebseinschauen aufgrund der Apothekenbetriebsordnung und über Einladung der zuständigen Behörden.
8.Erstattung von Berichten und Gutachten auf dem Gebiet des Gesundheitswesens über Auftrag des Bundesministeriums.
9.Untersuchungen über Ersuchen eines Gerichtes oder einer zuständigen Verwaltungsbehörde.
Bemerkenswert ist auch, daß in dieser "Betriebsordnung und Dienstanweisung" eine Besonderheit bei den Gehältern der Anstaltsangehörigen zutage tritt, die insofern Beachtung finden muß, als sie im öffentlichen Dienst nur selten anzutreffen war und die Bedeutung der Anstalt sichtlich hervorhebt: Gemäß §15 wurden 30% der Einnahmen aus der Anstaltstätigkeit den Anstaltsangehörigen als Anteil zugesprochen. Dieser Anteil wurde nach einem vom Bundesministerium für soziale Verwaltung genehmigten Aufteilungsschlüssel monatlich auf die Bediensteten mit der Vorgabe verteilt, daß der auf den einzelnen Bediensteten entfallende Anteil die Höhe des normalen Bruttobezuges nicht überschreiten dürfe.
Auf die Motivation der Bediensteten dürfte sich diese Besonderheit sehr positiv ausgewirkt haben, denn gekoppelt an den erzielten fachlichen Erfolg der Anstalt war auch ein beträchtlicher finanzieller zu verzeichnen. Die Einnahmen reichten nicht nur hin, Betriebsausgaben, Gehälter und Anteile der Bediensteten zu decken, ein erheblicher Überschuß konnte monatlich an das Bundesministerium abgeführt werden.
Die Spezialitätenordnung wurde am 1.März 1937 (BGBl. Nr. 150/1937) noch einmal novelliert, wobei nur der Begriff der pharmazeutischen Spezialität geringfügig geändert wurde.
Pharmakologische Untersuchungsanstalt
Festzuhalten ist, daß Österreich durch die im Vergleich zu anderen Staaten rigorose Qualitätskontrolle im Arzneimittelbereich schon in der Zeit der ersten Republik vor einer Flut rationell nicht begründbarer Kombinationspräparate bewahrt blieb.
Unterbrechung von 1939 bis 1945
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Apotheken-Revisionen stark eingeschränkt und damit auch die Untersuchungen der dabei entnommenen Proben. Als Folge des Wegfalls eines selbständigen Wirkungskreises wurde die Anstalt in der Zeit von 1940 bis 1945 der staatlichen Lebensmitteluntersuchungsanstalt als Abteilung angegliedert und bei der Untersuchung von Trinkwasser und kosmetischen Präparaten herangezogen. Im März 1945 schließlich wurden bei einem Bombenangriff die Räumlichkeiten in der Salvatorgasse mit dem Mobiliar, den apparativen Einrichtungen und der Bibliothek fast zur Gänze vernichtet.
Wiedererrichtung der Anstalt
Zwar reagierte die provisorische Regierung rasch und ließ aufgrund des Behördenüberleitungsgesetzes 1945 (St.G.Bl. Nr. 94) mit Dekret des Staatsamtes für soziale Verwaltung (Volksgesundheitsamt) vom 2.Juni 1945 (Zl. 160.092/45) die Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen als selbständige Arzneimittel-Kontrollanstalt mit eigenem Wirkungsbereich wieder errichten, aber das war nicht viel mehr als ein formaler Akt. Die ehemals genutzten Räumlichkeiten waren weitgehend zerstört, vom alten Personal lebten nur mehr wenige. Die Anstalt lag vorerst zwei Jahre lang brach, da weder Baumaterial noch Mobiliar, Laboreinrichtung, Geräte und Chemikalien zu beschaffen waren.
Das Fehlen einer effizienten Arzneimittelkontrolle, vor allem aber der Mangel an Medikamenten, rief zweifelhafte Firmen auf den Platz, die Produkte zweifelhaften Wertes vertrieben. Um die chaotischen Zustände zu beenden, setzte das Bundesministerium für soziale Verwaltung mit einer Novellierung der Verordnung vom 1.März 1937 am 27.März 1947 (BGBl. Nr. 99/1947) die bewährte österreichische Spezialitätenordnung wieder in Kraft. Damit wurden die Erzeuger pharmazeutischer Spezialitäten gezwungen, ihre Produkte termingerecht zu deklarieren und zur Zulassung einzureichen. Zur Bearbeitung der Anträge galt es, bald geeignete Fachkräfte zu finden.
Die hohen Einstellungserfordernisse finden sich in der damals geltenden Fassung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, wonach für die Übernahme
in ein "öffentlich-rechtliches" Dienstverhältnis an der Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen neben einem abgeschlossenen Pharmaziestudium auch ein einschlägiges Doktorat - in Betracht kam ein Studium mit den Hauptfächern Pharmazeutische Chemie, Pharmakognosie oder Botanik - sowie die mit der Prüfung für den Apothekerberuf abgeschlossene, damals noch zweijährige Ausbildung in einer öffentlichen Apotheke erforderlich waren.
Diese besonderen Anforderungen für eine überaus verantwortungsvolle Tätigkeit sollten offensichtlich dem Personal durch Nebengebühren (Taxanteile) von 30% abgegolten werden, die gestaffelt an alle Anstaltsangehörigen zur Auszahlung gebracht wurden (Zl.V-77.816-L/49 vom 11.Juni 1949).
Seit 1947 war Margarete Lasch Leiterin der Bundesanstalt. Ihr persönlicher Einsatz, der an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden muß, ihr unerschütterlicher Glaube an den Erfolg nach all den bitteren Jahren des "Anschlusses" und des dadurch bewirkten Niederganges, ihre Fürsorge für ihre Mitarbeiter, besonders auch für die Jugend, waren wahrhaft einmalig und haben letztlich alle Schwierigkeiten des Neuanfanges überwunden.
Bis 1950 mußte die Anstalt mit einem Minimum an Personal dezentralisiert arbeiten. In Eile wurden zunächst Räume der alten Dienststelle instandgesetzt, einige Arbeitsplätze wurden entgegenkommenderweise am Pharmakologischen Institut der Universität Wien zur Verfügung gestellt. Im Dezember 1947 ist mit der allgemeinen Untersuchungstätigkeit und zu Beginn des Jahres 1948 mit der Spezialitätenuntersuchung begonnen worden.
Der Arbeitsanfall war enorm. Zur Überbrückung der Wartefrist wurde ein Vorbescheidverfahren eingeführt, wobei vom Bundesministerium nach Anhörung einer Vorbescheidkommission therapeutisch wichtigen Produkten seriöser Erzeuger eine vorläufige Zulassung bis zum endgültigen Zulassungsbescheid bewilligt wurde.
Im Jahr 1948 wurde auch die Teilnahme an den Apothekenvisitationen und die Untersuchung der dabei entnommenen Proben wieder aufgenommen.
Im Juli 1950 konnte die Anstalt in ein neues Quartier in Wien (9., Zimmermanngasse 3) übersiedeln, das den Erfordernissen einer modernen chemischen und pharmazeutischen Analytik erheblich besser entsprach als die bisherige Unterbringung. Wenngleich sich die Adaptierungsarbeiten ziemlich lange hinzogen und die letzten adaptierten Räume erst 1954 bezugsfertig waren, ist es der Anstalt gelungen,
bis zu diesem Termin über 4000 Zulassungsansuchen zur Erledigung zu bringen.
Das ÖAB 9
Da zu Beginn der 50er Jahre sowohl das DAB 6 als auch der im Jahr 1938 beinahe fertiggestellte Entwurf einer jüngeren österreichischen Pharmakopöe überholt waren, kam es nach einleitenden Vorarbeiten am 30.März 1954 (BGBl. Nr. 100/1954) zur Errichtung einer österreichischen Arzneibuchkommission sowie eines zugehörigen Laboratoriums in Räumen der Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen. Dieses "Laboratorium der Arzneibuchkommission" wurde dem Bundesministerium für soziale Verwaltung direkt unterstellt und verfügte über ein eigenes Budget, wobei Verwaltung und Verrechnung jedoch von der Anstalt wahrgenommen wurden.
Die Ausarbeitung des Österreichischen Arzneibuches erfolgte mit einigen Ausnahmen, wie "Identifizierung organischer Substanzen nach L. Kofler", "Impfstoffe und Hämoderivate", "Prüfung auf Sterilität" und die biologischen Prüfungsverfahren, im Laboratorium der Arzneibuchkommission durch die Vorstände des Laboratoriums Univ.-Dozent Dr. med., Dr. phil., Mag. pharm. Erich Soos (1921-1987) und Dr. rer. nat., Mag. pharm. Robert Schwarz, unter deren Anleitung die erforderlichen experimentellen Arbeiten von Dr. phil., Mag. pharm. Ingeborg Kobinger und Mag. pharm. Hermann Berger durchgeführt wurden. Die Überprüfung der einzelnen Artikel wurde im Rahmen der Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen durch Dr. phil., Mag. pharm. Richard Hloch ausgeführt.
Das Österreichische Arzneibuch, 9.Ausgabe (Pharmacopoea Austriaca, Editio Nona) wurde schließlich
durch die Arzneibuchverordnung vom 24.November 1960 (BGBl. Nr. 229) mit Wirksamkeit vom 1.Juli 1961 für verbindlich erklärt.
Im ÖAB 9 ist, mit Ausnahme der lateinischen Haupttitel, eine Schreibweise gewählt worden, die in Fremdworten "k" und "z" statt "c" schreibt. Die im ÖAB 9 angegebenen Prüfungsvorschriften sind hinsichtlich ihres Ausmaßes und ihrer Methoden den damaligen Erkenntnissen und Erfordernissen weitgehend angepaßt, jedoch so einfach wie möglich gehalten worden. Damit konnten auch in den in der Regel kleinen Laboratorien der Apotheken alle zur Arzneimittelsicherheit erforderlichen Prüfungen zur Anwendung kommen.
Zum ÖAB9 sind vor Einführung des Europäischen Arzneibuches noch zwei Nachträge mit Ergänzungen und Korrekturen erschienen, der erste gemäß Verordnung vom 9.August 1966 (BGBl. Nr. 154), der zweite gemäß Verordnung vom 12.Juni 1976 (BGBl. Nr. 313).
Seit 1977 nimmt Österreich, zunächst als Beobachter, an den Sitzungen der Europäischen Arzneibuchkommission teil. Dem Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches ist Österreich 1978 beigetreten. Die Beitrittsurkunde wurde am 11.Juli 1978 in Straßburg hinterlegt, das Übereinkommen trat schließlich am 12.Oktober 1978 in Kraft. Seither beschränken sich die Arbeiten am Österreichischen Arzneibuch auf die notwendigsten Korrekturen zur Anpassung an den jeweiligen Stand des Europäischen Arzneibuches.
50jähriges Jubiläum
Zu Beginn der 60er Jahre wendete sich die Anstalt bei der Bearbeitung der Zulassungsanträge auch intensiv der Analyse und Begutachtung der Behältnisse aus Kunststoffen zu, deren Verwendung stark im Ansteigen begrif-
fen war. Besondere Aufmerksamkeit wurde jeweils einer möglichen Inkompatibilität zwischen Kunststoff und Behältnisinhalt zugewendet.
Soweit aus persönlichen Erinnerungen geschöpft werden darf, hoffte die Anstaltsleiterin Margarete Lasch, da die Basis dafür gegeben schien, schon damals, es werde einst aus der Anstalt ein den gesamten Arzneimittelbereich umfassendes und mit allen erforderlichen Kompetenzen eines Amtes ausgestattetes "Bundesinstitut für Pharmazie" hervorgehen. Ende 1967 trat sie nach vollendetem 65. Lebensjahr in den Ruhestand.
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