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- DAZ 42/1998
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Arzneimittel und Therapie
Sildenafil in Deutschland eingeführt
35 Prozent aller Männer im Alter zwischen 40 und 70 Jahren leiden unter Erektionsproblemen. Dabei nehmen monokausale Ursachen, wie Querschnittslähmung oder psychisch bedingte Versagensängste, eher einen geringen Anteil ein. Meist ist eine erektile Dysfunktion eine Mischform psychischen, nervösen, humoralen Ursprungs oder die Folge chirurgischer Eingriffe wie einer Prostatektomie.
Zu den begünstigenden Risikofaktoren zählen Diabetes mellitus, Hypertonie, erhöhte Blutfettwerte, koronare Herzkrankheit, Leber- oder Niereninsuffizienz und depressive Erkrankungen. Auch Alkohol- oder Drogenmißbrauch, Rauchen, Streß und Medikamente, darunter zahlreiche Antihypertensiva und Psychopharmaka, wirken sich negativ auf die Erektionsfähigkeit aus.
Erst Anamnese, dann Therapie
In all diesen Fällen ist eine Behandlung angezeigt, da Erektionsstörungen auf längere Sicht das Selbstwertgefühl der Patienten untergraben. Dies belastet nicht nur die Partnerschaft, sondern führt oft auch zu beruflichen und sozialen Schwierigkeiten, Depressionen und psychosomatischen Beschwerden. Um zugrundeliegende Krankheiten zu erkennen, nimmt die Mehrzahl der niedergelassenen Urologen vor der Therapie eine ausführliche Anamnese vor. In leichteren Fällen genügt es manchmal bereits, Risikofaktoren wie Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum zu beseitigen oder die medikamentöse Therapie umzustellen. Ist die erektile Dysfunktion nicht allein auf organische Ursachen zurückzuführen, kann auch psychologische Beratung, Psychotherapie oder eine Paartherapie helfen.
Sildenafil wirkt bei 59 bis 81 Prozent der Männer
Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, stehen weitere symptomatische Behandlungsmethoden zur Verfügung, eine kausale Therapie gibt es derzeit nicht. Neben Vakuumpumpen, mit denen sich eine erektionsähnliche Blutstauung im Penis erreichen läßt, und der in den letzten Jahren etablierten Applikation vasoaktiver Substanzen wie Alprostadil (Schwellkörper-Autoinjektionstherapie: SKAT, transurethrale Applikation: MUSE) gibt es mit Sildenafil jetzt insgesamt vier zentral wirksame, oral einnehmbare Pharmaka: Phentolamin und das noch im Erprobungsstadium befindliche Apomorphin sind bei psychogenen Erektionsstörungen indiziert, Yohimbin und Sildenafil bei Mischformen. Sprechen auf Yohimbin nur etwa 20 Prozent der Patienten an, liegen die Wirksamkeitsquoten für Sildenafil in klinischen Studien mit insgesamt 3700 Patienten dagegen zwischen 59 und 81 Prozent - unabhängig von der Genese der erektilen Dysfunktion.
Wirkungsmechanismus: Blockade der Phosphodiesterase
Ursprünglich sollte Sildenafil in der kardiologischen Therapie eingesetzt werden. Seine Wirkung auf die Erektionsfähigkeit wurde eher zufällig entdeckt. Die Substanz hemmt selektiv die Phosphodiesterase vom Typ 5 (PDE-5) im Corpus cavernosum des Penis und greift so in den zu Beginn der neunziger Jahre aufgeklärten Erektionsmechanismus ein. PDE-5 katalysiert den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), das als Second messenger die gefäßdilatierende Wirkung von Stickstoffmonoxid (NO) vermittelt. Durch die Blockade von PDE-5 verstärkt Sildenafil indirekt die gefäßerweiternde Wirkung und stellt eine für die Erektion ausreichende Durchblutung sicher.
Das Wirkfenster liegt zwischen 0,5 und fünf Stunden, nach einer Stunde sind maximale Plasmakonzentrationen erreicht. In Gang kommt der Wirkmechanismus erst durch sexuelle Stimulation, so daß die Substanz die Libido nicht beeinflußt.
In der Praxis: "Viagra-Test"
In der Praxis hat sich die probatorische Gabe von Sildenafil ("Viagra-Test") inzwischen bereits etabliert: Im diagnostischen Stufenplan schließt sich an die allgemeine und sexualmedizinische Anamnese ein Sildenafil-Therapieversuch an, und nur wenn der Patient auf das Präparat nicht anspricht oder Kontraindikationen bestehen, kommen die klassischen diagnostischen Verfahren wie pharmakologischer Test, Duplex-Sonographie und SKAT-Testung zum Einsatz.
Nicht mit Nitraten oder NO-Donatoren kombinieren!
Sildenafil darf nicht mit Nitraten oder NO-Donatoren wie Molsidomin, Nitroprussidnatrium oder auch Amylnitrit kombiniert werden, auch die gleichzeitige Anwendung von Injektionstherapien ist kontraindiziert. Da der Geschlechtsverkehr grundsätzlich eine körperliche Belastung darstellt, muß zudem die Herz-Kreislauf-Belastbarkeit der Patienten sichergestellt sein.
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen und Sehstörungen
Zu den bislang bekannten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und vorübergehende leichte Sehveränderungen, die durch die schwache unspezifische Hemmung der retinalen Phosphodiesterase (PDE-6) bedingt sind.
In zeitlichem Zusammenhang zur Sildenafil-Einnahme sind in den USA seit Markteinführung im April 123 Todesfälle bekannt geworden. Diese Zahl wird, bezogen auf die etwa drei Millionen mit dem Medikament behandelten Patienten, von den Zulassungsbehörden nicht als erhöhte Sterblichkeit in der Altersgruppe der 40- bis 70jährigen gewertet.
18 bis 26 Mark pro Tablette
Sildenafil ist in Dosierungen von 25, 50 und 100 Milligramm in Packungsgrößen von vier bzw. zwölf Tabletten im Handel. Der Preis beträgt je nach Dosis zwischen 18 und 26 Mark pro Tablette, der durchschnittliche Bedarf der klinischen Probanden lag bei sechs bis zehn Tabletten pro Monat (maximal 260 Mark). Dennoch werden die Therapiekosten durch die gesetzlichen Krankenkassen bislang selbst bei organisch bedingten Erektionsstörungen derzeit nicht erstattet, anders als es für Injektionstherapien, Vakuumpumpen und die wesentlich teureren Penis-Implantate Usus ist.
Quelle
Prof. Dr. med. Klaus-Peter Jünemann, Mannheim, Dr. med. Martin Burkart, Karlsruhe, Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Stöhrer, Murnau, Einführungsfachpressekonferenz "Viagra - Eine neue Dimension in der Behandlung der erektilen Dysfunktion", Berlin, 1. Oktober 1998, veranstaltet von Pfizer GmbH, Karlsruhe.
Andrea Siebert-Wellnhofer, Ingolstadt
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