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Die Stoffe dazwischen


Der Verbraucher nimmt sie gerne, die Hersteller produzieren sie gerne, der Apotheker verkauft sie - weniger gerne, denn zum einen sind sie nicht apothekenpflichtig und zum andern ist es nicht immer eindeutig, ob er sie überhaupt verkaufen darf: die Nahrungsergänzungsmittel. Es sind Produkte, die sich zwischen Arzneimittel und Lebensmittel bewegen - man spricht gerne von einer "Grauzone" -, die also "weder Fisch noch Fleisch" sind. Nicht mal eine ordentliche, gesetzlich anerkannte Definition konnte man für sie finden. Die Folge: Wildwuchs macht sich in diesem Markt breit. Neben seriösen Pharmaherstellern, die mehr oder weniger vernünftig dosierte Vitamin- und Mineralstoffpräparate anbieten, gibt es mittlerweile einige Produzenten, die diese Grauzone für die Vermarktung ihrer Prä-pro-biotisch-health-functional-food-Wundermittel entdeckten und versuchen, das Arzneimittelimage für ihre Produkte zu nutzen. Zu Tabletten, Kapseln und Pulver wird nahezu alles verarbeitet, was dem menschlichen Körper zugemutet werden kann, ohne daß er daran zugrunde geht, z. B. Produkte aus Abfällen von Krustentierschalen, Pulver aus dem Knorpel des Haifisches, obskure Mischungen von Alkaloidpulvern, Extrakte aus Spargel und Kohl und vieles andere. Wichtig ist, daß man die richtigen Heilversprechen dazu abgibt. Ein Nachweis für die gemachten Wirkversprechen wird nicht gegeben, da nicht verlangt, da keine Zulassung oder Registrierung erforderlich ist.
Im Normalfall rangieren diese Produkte als Lebensmittel. Glaubt jedoch jemand, daß ein solches Produkt als Arzneimittel einzustufen ist, dann hat der Apotheke ein Problem, wenn er es verkauft - und den Staatsanwalt am Hals. Auf einem ABDA-Workshop zum Thema Nahrungsergänzungsmittel Anfang dieser Woche wurde es klar: es besteht dringend Regelungsbedarf. Das weiß man seit geraumer Zeit, auch im Bundesgesundheitsministerium. Und auch bei der Europäischen Kommission, und dort schon seit 1991. Passiert ist seitdem nur Bürokratie, aber nichts Konkretes. Dabei besteht auf der Ebene von Verbraucherschutzinstitut, Herstellern und Apothekern weitgehend Konsens über das, was man will: nämlich kein eigenes Nahrungsmittelergänzungsgesetz, sondern eine klare Definition, eine saubere Etikettierung und die Ausarbeitung einer Stoffliste. Vorschläge dafür gibt es bereits. Nachgedacht werden kann darüber, ob die Einführung neuer Stoffe oder Produkte aus diesem Bereich bei der Behörde angezeigt werden sollte.
Nochmal: Regelungsbedarf ist dringend, sonst ufert dieser Markt aus. Oder wissen Sie auf Anhieb, welche Lebens-/Nahrungsergänzungsmittel den Nutriceuticals, Functional Food, Health Food, Pro- oder Präbiotics, Energy- und Wellness-Drinks zuzurechnen sind? Intransparenz ist der Sicherheit des Verbrauchers abträglich. Schon heute stellt es sich für Verbraucher so dar, daß ein Joghurt fast mehr leistet als ein Arzneimittel.
Die Experten auf dem Workshop zeigten sich skeptisch, daß bald mit einer Regelung zu rechnen ist. Vielleicht müssen die ersten Tiefkühltheken in Apotheken eingerichtet werden, bis schnell gehandelt wird?
Peter Ditzel

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