Arzneimittel und Therapie

Virusinfektion: Die Tricks des Denguevirus

Das Denguevirus hat eine verhältnismäßig einfache Oberflächenstruktur, die aus einem einzigen Hüllprotein besteht. Es ist deshalb anzunehmen, daß die Bindungsfähigkeit des Virus an die Zelloberfläche durch molekulare Merkmale des Hüllproteins bestimmt wird. Um welche es sich handelt, hat kürzlich eine internationale Wissenschaftlergruppe unter Leitung von Yaping Chen von der University of Michigan in Ann Arbor, USA, entschlüsselt.

Basierend auf früheren Beobachtungen, daß sich Denguevirus-Hüllproteine sowohl an Zelloberflächen als auch an das zwischen den Zellen liegende Strukturgewebe, die sogenannte Matrix, binden, identifizierten Forscher jetzt jene Moleküle, an die sich das Virus ankoppelt. Wenn ein Viruseiweiß sowohl an eine Zellwand wie an die Matrix andocken kann, so die Überlegung der Virusforscher, dann muß es sich um Rezeptoren handeln, die ubiquitär im Gewebe vorkommen. Der Verdacht richtete sich auf sogenannte Glycosaminoglycane (GAGs), komplex aufgebaute und negativ geladene Zuckermoleküle, die sich häufig mit Eiweißen verbinden.

Heparansulfat: "Sesam-öffne-dich"
Diese heterogene Gruppe von langkettigen Zuckern sind an Zell-Zell-Interaktionen sowie Zellteilungsvorgängen beteiligt. Zu den am häufigsten vorkommenden GAGs gehört das Heparansulfat, ein Mukopolysaccharid, das in nahezu allen Körpergeweben vorhanden ist. Nicht verwunderlich, daß sich zahlreiche Mikroorganismen just das Heparansulfat als "Sesam-öffne-dich" ausgesucht haben, um in eine Zelle einzudringen, darunter das Herpes- und das Zytomegalievirus. Auch sich intrazellulär vermehrende Bakterien wie die Listerien und die Neisserien benutzen Heparansulfat als Rezeptor. Vielleicht, so die Vermutung der Virusforscher Dr. Chen und seiner Kollegen, benutzt das Denguevirus einen ähnlichen "Schlüssel".
Mit einer ganzen Palette virologischer und molekularbiologischer Techniken gelang es den Forschern, eindeutig nachzuweisen, daß das Denguevirus tatsächlich Heparansulfat benutzt, um an die Zelloberfläche anzubinden. Allerdings werden Heparansulfat-Moleküle bevorzugt, die sehr viele Sulfatgruppen (-SO") enthalten. Die besondere Affinität des Hüllproteins zu hochsulfatiertem Heparansulfat könnte erklären, warum das Denguevirus vorwiegend B-Lymphozyten, Freßzellen, Knochenmarkstrukturzellen und Leberzellen infiziert. Diese Zelltypen haben nämlich besonders stark sulfatiertes Heparansulfat auf ihrer Oberfläche.

Eindringen in zwei Etappen
Das Eindringen des Denguevirus in diese Zellen verläuft allerdings in zwei Etappen. Zusätzlich zu Heparansulfat muß die Zielzelle auch einen sogenannten Hochaffinitätsrezeptor für das Denguevirus aufweisen, in den der Erreger wie in einen Kelch eintaucht. Anschließend verschwinden Virus und Kelch dann gemeinsam in einem Endozytose genannten Vorgang im Zellinneren.
Auch wenn die Bindung des Denguevirus an den Hochaffinitätsrezeptor die letzten Endes entscheidende Etappe für das erfolgreiche Eindringen des Virus in eine Zelle ist, kommt dem Heparansulfat eine Schlüsselfunktion zu: Ohne den ersten Schritt, kann der zweite erst gar nicht beginnen.

Neues Prinzip zur Behandlung?
Die Richtigkeit dieser Überlegung zeigten die Wissenschaftler durch ein weiteres Experiment. Gab man zu einer Lösung winziger, mit gentechnisch hergestelltem Denguehüllprotein beschichteter Kügelchen Heparin, so konnte sich das Hüllprotein nicht mehr an menschliche Zielzellen binden. Heparin, das ebenfalls eine sehr starke Affinität für das Hüllprotein besitzt, hatte sämtliche virusseitigen Bindungsstellen besetzt, so daß keine "Antennen" mehr frei waren, die sich mit der Zelloberfläche hätten verbinden können. Da die Hüllproteine aller Flaviviren sehr ähnlich sind, eröffnet sich hier unter Umständen ein neues Prinzip zur Behandlung, das dann beispielsweise auch bei einer Gelbfieberinfektion wirksam wäre.

Spielen noch weitere Rezeptoren eine Rolle?
Eine wichtige Frage des Denguefiebers konnte durch die Forschungsarbeiten allerdings nicht gelöst werden. Wird ein Mensch ein zweites Mal von einem Denguevirus des gleichen oder eines anderen Serotyps befallen, so kommt es häufig zu Krankheitskomplikationen, die unter dem Namen Dengue hämorrhagisches Fieber bzw. Dengue-Schock-Syndrom bekannt sind. Während das normale Denguefieber zwar eine hochfieberhafte und langwierige Erkrankung ist, die allerdings immer ausheilt, führen die beiden anderen Krankheitsformen trotz Behandlung häufig zum Tode. Ob hier andere Rezeptoren auf der Zelloberfläche als Heparansulfat eine Rolle spielen, müßte dringend abgeklärt werden.







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