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Wie werden Wirtschaftlichkeitsdaten von Arzneimitteln für Zulassungs- und Preis
Der Einsatz pharmakoökonomischer Studien für die Arzneimittelzulassung und ggf. für eine staatlich beeinflußte Preisbildung ist weltweit sehr unterschiedlich. Nur in Australien und Kanada sind solche Studien als Bestandteil der Zulassungsunterlagen für neue Arzneimittel zwingend vorgeschrieben. In Dänemark können pharmakoökonomische Studien freiwillig eingereicht werden. Ab Januar 1999 wird in den Niederlanden eine ökonomische Evaluation für neue Arzneimittel außerhalb des bestehenden Referenzpreissystems gefordert. Vergleichbares gilt in Portugal für die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit. Allein in Schweden werden pharmakoökonomische Studien als Grundlage für die Preisbildung akzeptiert. Doch in den meisten Ländern der Welt wurde die Pharmakoökonomie von den staatlichen Entscheidungsträgern noch gar nicht entdeckt, es existieren allenfalls diffuse Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit ohne definierte Inhalte.
Aufgrund der fehlenden institutionellen Vorgaben hat die pharmazeutische Industrie bisher weitgehend die Standards gesetzt, nach denen pharmakoökonomische Daten ausgewertet und präsentiert werden. Sofern offizielle Regelungen bestehen, gelten sie zumeist nur auf nationaler Ebene, woraus eine verwirrende Flut von Regelwerken resultiert. Daneben gibt es einige Versuche von Wissenschaftlern, einen Konsens über die Gestaltung pharmakoökonomischer Studien zu erarbeiten. Hierzu sollte auch die jüngste ISPOR-Konferenz in Köln beitragen.
Wie aussagekräftig sind Studien zur Wirtschaftlichkeit?
Doch vor einer Einigung über die Aufbereitung solcher Studien ist zu klären, welchen Zweck sie in einem Zulassungs- oder Preisbildungsverfahren überhaupt erfüllen können. Aus wissenschaftlicher Sicht muß ihre Aussagefähigkeit für die Entscheidung über einen Arzneimittelpreis als sehr begrenzt angesehen werden. Selbst wenn sich der wirtschaftliche Vorteil eines neuen Arzneimittels gegenüber der bisherigen Therapie monetär bewerten läßt, bleibt die Frage nach der Aufteilung des erzielten Mehrwertes zwischen dem Arzneimittelhersteller und der Gesellschaft bzw. dem Kostenträger. Es ist keine wirtschaftswissenschaftliche, sondern eine politische Frage, welcher Teil dieses Mehrwertes in neue Forschung investiert oder der Gesellschaft als unmittelbare Ersparnis zu Gute kommen soll. Wissenschaftliche Studien können daher nur einen Rahmen für Preise angeben, die aus ökonomischer Sicht anreizverträglich sind. Wesentlich aussagekräftiger dürften pharmakoökonomische Studien dagegen für die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln bei gegebenen Preisen sein. Dies ist interessant für solche Staaten, in denen die Erstattungsfähigkeit nach der arzneimittelrechtlichen Zulassung in einem weiteren Verfahren entschieden wird, wie dies bei einer Positivliste stattfände.
Noch besser sind pharmakoökonomische Untersuchungen und Studien des "outcomes research" für die Klassifizierung von Arzneimitteln hinsichtlich der Frage nach therapeutischer Äquivalenz geeignet. So ließe sich beispielsweise die Bildung von Festbetragsgruppen auf eine gesicherte Grundlage stellen und die Gefahr therapeutisch ungeeigneter Ersatzverordnungen minimieren. Neben diesen Prozessen auf nationaler Ebene können auch lokale Entscheidungen von pharmakoökonomischen Studien beeinflußt werden. So dürften bereits heute viele Arzneimittellisten in Krankenhäusern in verschiedenen Ländern von den Ergebnissen solcher Studien geprägt sein.
Entwicklung in Deutschland
Die Situation in Deutschland präsentierte während der ISPOR-Konferenz Prof. Dr. Karl Lauterbach, Köln, dem internationalen Fachpublikum. Er erläuterte, daß das Wirtschaftlichkeitsgebot im deutschen Sozialversicherungsrecht nur eine generelle Zielsetzung darstellt, aber keine konkreten Handlungsregeln bietet, insbesondere keine quantitativen Bewertungsverfahren. Doch dürfte bei Neuregelungen im Zuge der bevorstehenden Gesundheitsreform verstärkt nach Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsdaten gefragt werden.
Bei der bisherigen Struktur des deutschen Gesundheitswesens sei es für die Krankenkassen unnötig, differenzierte Wirtschaftlichkeitsdaten zur Bewertung verschiedener Therapien zu erheben, da sie nicht über die Verschreibungen entscheiden. Stattdessen seien die deutschen Krankenkassen nur an Entscheidungen über Preise oder die generelle Verordnungsfähigkeit von Produkten interessiert. Dies werde sich aber durch die Einführung von Modellprojekten und Strukturverträgen ändern, die eine genauere Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für alternative Therapieverfahren erlauben würden. Im Rahmen solcher Projekte bekämen auch die Ärzte Interesse an pharmakoökonomischen Daten.
Kurzsichtige Krankenkassen
Lauterbach beklagte den im allgemeinen sehr kurzen Zeithorizont der ökonomischen Betrachtungen von Krankenkassen in Deutschland. Sie seien primär an einer kurzfristigen wettbewerbsrelevanten Wirkung auf die Beitragssätze interessiert. Demgegenüber fordere die pharmakoökonomische Theorie zumeist eine langfristige Betrachtung der Krankheitsfolgen bis hin zu den Kosten für Frühverrentung und Pflegebedürftigkeit. Dies habe Einfluß auf die von den Krankenkassen gewünschte Form der Datenpräsentation.
Modelle zur Beschreibung von Einsparungen in ferner Zukunft, die erzwungenermaßen auf komplizierten Annahmen über die künftige Gesundheitsentwicklung der Patienten beruhen, sind demnach unbeliebt. Insofern mißachtet die Perspektive der Krankenkassen die in der Theorie als sinnvoll erkannten Studienkonzepte. Doch auch ausländische Pharmakoökonomen beklagen die Betrachtungsweisen der Entscheidungsträger im Gesundheitswesen. So kritisierte ein britischer Experte, daß überall nach den Kosten und der Effektivität von Therapien gefragt werde. Doch kaum jemand interessiere sich für den pharmakoökonomisch relevanten Quotienten aus diesen Größen, die Kosteneffektivität, deren Konzept zumeist nicht verstanden werde.
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