Rechtsprechung aktuell

Schriftliche Urteilsgründe im Fall Stange liegen vor: Verwaltungsgericht Minden

Wie bereits in der DAZ Nr.50/1998, Seite 4853 berichtet, hat das Verwaltungsgericht Minden die Klage von Apotheker Günter Stange gegen den Widerruf seiner Apothekenbetriebserlaubnis als unbegründet abgewiesen. In der nunmehr vorgelegten Urteilsbegründung zeigt erstmals ein deutsches Gericht auf, mit welchem Nachdruck und mit welcher Akribie Stange in der Vergangenheit mithilfe juristischer Berater versucht hat, bundesweit eine vielgliedrige Apothekenkette zu etablieren. Die Entscheidung dokumentiert eindrucksvoll, wie unverfroren der Mindener Apotheker dabei Genehmigungsbehörden (und Berufsöffentlichkeit) zu täuschen beabsichtigte. Wir veröffentlichen im folgenden das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden im Wortlaut.

Tatbestand:

Am 24.9.1990 erteilte der Beklagte dem Kläger die Erlaubnis zum Betrieb der Königstor-Apotheke in Minden. Im August 1995 leitete die Staatsanwaltschaft Bielefeld ein Ermittlungsverfahren (6 Js 130/95) gegen ihn wegen des Verdachts der Bildung einer Apothekenkette (Verstoß gegen § 23 des Apothekengesetzes - ApoG) ein und beschlagnahmte bei ihm sowie in mehreren anderen Büros, Wohnungen und Apotheken umfangreiches Material. Die Anklageschrift datiert vom 9.9.1997; über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden.

Nach Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 9.5.1996 zu dem wegen Bildung einer Apothekenkette beabsichtigten Widerruf der Betriebserlaubnis für die Königstor-Apotheke an.

Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 4.6.1996 erklärte sich der Kläger bereit, bei der Aufklärung des Sachverhalts zu helfen und ggf. Anpassungen oder Änderungen der beanstandeten Vorgehensweisen vorzunehmen. Umfangreiche Rechtsberatung durch die Rechtsanwälte ... und ... sowie den Verwaltungsgerichtspräsidenten .... .... ... hätten zum Ziel gehabt, Gesetzesverletzungen zu vermeiden.

Mit Bescheid vom 1.8.1996 widerrief der Beklagte die Betriebserlaubnis für die Königstor-Apotheke und ordnete den Sofortvollzug des Widerrufs an. Zur Begründung führte er aus: Der Kläger besitze nicht mehr die nach dem Apothekengesetz erforderliche Zuverlässigkeit zum Betrieb seiner Apotheke. Aus den ihm vorliegenden und den bei der Staatsanwaltschaft eingesehenen Unterlagen ergebe sich, daß der Kläger mit einem Geflecht von Verträgen andere Apotheker auf eine Weise an sich gebunden habe, daß diese ihre Apotheke nicht mehr unabhängig und selbstverantwortlich hätten betreiben können. Die darin liegenden Verstöße gegen geltendes Apothekenrecht ließen ihn als unzuverlässig auch zum Betrieb seiner eigenen Apotheke erscheinen. Dieser Erkenntnis stehe nicht entgegen, daß Beanstandungen hinsichtlich des Betriebs der Königstor-Apotheke nicht erhoben worden seien. Der Sofortvollzug sei aufgrund der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung geboten. Zwischenzeitliche Veränderungen im Verhalten des Klägers seien lediglich den gegen ihn eingeleiteten Verfahren zuzuschreiben und könnten den Eindruck der Unzuverlässigkeit nicht beheben.

Mit Widerspruchsschreiben vom 8.8.1996 wandte der Kläger u.a. ein: Die Anzeigeerstatter (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apothekerkammern - ABDA/Bundesapothekerkammer - BAK) hätten sich zweifelhafter Methoden bedient, um Erkenntnisse über ihn zu erlangen. Darauf basierende, gegen ihn eingeleitete Verfahren könnten nicht Grundlage des angefochtenen Verwaltungsaktes sein. Vor Abschluß der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dürfe die Behörde nicht unterstellen, daß er sich strafbar gemacht habe. Den aus den einzelnen beschlagnahmten Unterlagen gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen werde widersprochen. Er habe keine weiteren Apotheken mitbetrieben; er habe keine Apothekenkette gegründet.

Die Bezirksregierung Detmold wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30.4.1997 zurück.

Mit seiner am 16.5.1997 erhobenen Klage macht der Kläger geltend: Die angefochtene Widerrufsverfügung sei rechtswidrig. Im bundesdeutschen Recht gebe es kein ausdrückliches Verbot des Mehrbesitzes und des Fremdbesitzes von Apotheken. Die von der Rechtsprechung vorgenommene interpretative Zusammenschau der § 1 Abs. 2, § 3 Nr. 5 und § 7 Satz 1 ApoG sei nicht zwingend. Prof. Dr. Taupitz komme in seiner rechtsgutachterlichen Stellungnahme vom 4.1.1998 zu Fragen des apothekenrechtlichen Verbots des Fremd- und Mehrbesitzes zu einer gegenteiligen Auffassung. Die von der Rechtsprechung vorgenommene Interpretation verstoße aber jedenfalls gegen bundesdeutsches Verfassungsrecht (Verstoß gegen Art. 12 und 14 GG) und gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen (Wirtschafts-)Gemeinschaft (Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit). Abgesehen davon habe er keine Apothekenkette betrieben; er sei nicht unzuverlässig iSd § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG. Die vom Beklagten für die Begründung einer Unzuverlässigkeit herangezogenen Indizien seien falsch bewertet worden, einen Großteil der beanstandeten Verhaltensweisen in den Firmen "..." und "..." habe er eingestellt. Die angefochtene Verfügung sei unverhältnismäßig und die vom Beklagten zu treffende Prognose hätte positiv ausfallen müssen.

Der Kläger beantragt, 1. die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 1.8.1996 idF des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Detmold vom 30.4.1997 aufzuheben. 2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Rechtsprechung gehe auch in den Entscheidungen aus jüngster Zeit davon aus, daß das Mehrbetriebsverbot verhältnismäßig und verfassungskonform sei; Art. 12 und 14 GG seien dadurch nicht verletzt. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG sei nicht erkennbar. Das im Apothekengesetz verankerte Fremd- und Mehrbesitzverbot sei mit Art. 52 EWG-Vertrag vereinbar. Durch Bildung einer Apothekenkette habe der Kläger gegen dieses Verbot verstoßen.

Den bereits am 9.8.1996 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (4L 865/96) hat die Kammer mit Beschluß vom 4.9.1996 wegen offensichtlicher Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung abgelehnt. Mit Beschluß vom 14.2.1997 hat das OVG NW die hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen (13B 2312/96). Mit seiner am 24. Februar 1997 erhobenen Verfassungsbeschwerde (1 BvR 327/97) rügt der Kläger die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen. Auf seinen gleichzeitigen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 4.3.1997 die sofortige Vollziehung der angefochtenen Verfügung des Beklagten bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Klägers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, vorläufig ausgesetzt. Der Aussetzungsbeschluß wurde letztmalig am 4.8.1998 wiederholt; über die Verfassungsbeschwerde ist bislang nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, die Akten 4L 865/96 (und Beiakten 1-3), die vom Kläger eingereichten Anlagen zur Klagebegründung (Beiakte 5), die den Kläger betreffende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld 6Js 130/95 (Beiakte4) nebst einem Band "Beweismittelkopien zur Apothekenkette" und einem Band "Ablichtungen aus VernehmungsbandII", zwei Ordner Kopien, aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger betreffend die Apothekerin ..., die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Beiakten 1-3), die Verfahrensakten 4L 746/96 und 4K 3303/96 VG Minden (Apotheker ...) und dazugehörige Beiakten (6 Hefter) sowie die Verfahrensakten 3L 1960/95 VG Arnsberg (Apotheker ...) und dazugehörige Beiakten (3 Hefter).

Entscheidungsgründe:

Die Rechtmäßigkeit der Verfügung beurteilt sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (hier: 30.4.1997). Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für den Widerruf der Betriebserlaubnis für die Königstor-Apotheke vor.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 4 Abs. 2 Satz 1 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG. Danach ist die Erlaubnis u.a. zu widerrufen, wenn der Betreffende nicht mehr die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Das ist insbesondere der Fall, wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen das Apothekengesetz als unzuverlässig erwiesen hat.

Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers gegeben; er ist in Hinblick auf das Betreiben seiner Apotheke als unzuverlässig anzusehen, da er beharrlich und über mehrere Jahre hinweg gegen das in § 8 Satz 2 ApoG normierte Verbot verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge unzulässig. Dieses Verbot hat der Kläger in einer Vielzahl von Fällen über viele Jahre hinweg mißachtet.

Zur Begründung, daß und wie der Kläger gegen dieses Verbot verstoßen hat, wird zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Verfügung des Beklagten vom 1.8.1996 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Detmold vom 30.4.1997, sowie den Beschluß der Kammer vom 4.9.1996 (4L 865/96) und den Beschluß des OVG vom 14.2.1997 (13B 2312/96).

Zur Überzeugung der Kammer steht nach Auswertung des vorliegenden Aktenmaterials fest, daß der Kläger in den vergangenen Jahren ein Konzept (mit)erdacht und teilweise auch verwirklicht hat, das ihm in hohem Maße eine nach den apothekenrechtlichen Vorschriften unzulässige Einwirkungsmöglichkeit auf andere Apothekenbetriebe und eine Beteiligung an deren wirtschaftlicher Entwicklung und deren wirtschaftlichem Erfolg eröffnete, sowie, daß der Kläger zur Realisierung dieses Konzeptes auch vor Täuschungshandlungen gegenüber den Genehmigungsbehörden nicht zurückgeschreckt hat. Zu den einschlägigen Fakten gehören neben der Schaffung eines Vertragsgeflechts zwischen dem Kläger bzw. den ihm ebenfalls zuzurechnenden Firmen "..." und "..." (deren Hauptgesellschafter er seinerzeit war) und den beteiligten Apothekern, welches durch kurzfristige Miet-, Options-, Leasing-, Beraterverträge usw. im Ergebnis dazu führte, daß die formellen Erlaubnisinhaber in wesentlichen Punkten ihrer Berufsausübung nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden konnten, insbesondere auch die Einräumung bestimmter "Garantiegewinne" bzw. "Entnahmeansprüche" für einzelne Apotheker.

Die Akten und vor allem die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Schreiben des Rechtsanwalts ... ab Dezember 1992 lassen die vom Kläger verfolgte Strategie einer wirtschaftlichen Steuerung anderer Apotheken deutlich erkennen. Sie belegen eindeutig nicht nur die zentrale Rolle des Klägers, sondern auch sein Wissen um und seine Einbindung in die im "Konzept" geschilderten Praktiken. Der Kläger hat nach dem von Rechtsanwalt ... in seinem Schreiben vom 21.12.1994 an Herrn ... in der Firma ..., Frankfurt, dargestellten Konzept einer Apothekenkette gehandelt. Das Schreiben des Rechtsanwalts ... selbst sowie die Tatsache seiner Übersendung an den Kläger sprechen für sich: Die abschriftliche Übersendung eines an einen Mitarbeiter einer anderen Firma gerichteten Schreibens, in dem von einer "Knebelung der eingesetzten Apotheker - jedenfalls nach außen-" die Rede ist, an einen, wie der Kläger glaubhaft machen will, unbeteiligten Dritten ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Dies gilt um so mehr, als schon im Schreiben von Rechtsanwalt ... vom 17.12.1992 an den Kläger auf die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Außenverhältnis und Innenverhältnis hingewiesen worden ist. Die Formulierungen des Schreibens selbst lassen darüber hinaus nach ihrem objektiven Erklärungswert auch nicht ansatzweise erkennen, daß das geschilderte "Konzept der Apothekenkette" mit dem Kläger nichts zu tun haben sollte. Der Kläger hatte zudem offenbar schon zuvor die Idee einer aus mehreren Filialen bestehenden "Kette" gehabt und hat diese auch - zumindest zum Teil - umgesetzt. Das ergibt sich aus einer internen Mitteilung der ... Geschäftsstelle Bielefeld, vom 16.12.1991. Dieser ist zu entnehmen, daß dem Kläger bereits seit 1987 "der Gedanke einer Filialkette von ca. 20 Apotheken vorschwebte, von denen 1991 6Filialen realisiert waren". Dies sowie die detailliert beschriebene Vorgehensweise - u.a. Garantie eines Mindesteinkommens für die eingesetzten Apotheker, Aufteilung von Gewinnen im Verhältnis 2/3 Kläger, 1/3 Apotheker, kurzfristige Mietverträge, "um die Apotheker zu zwingen, erfolgreich zu arbeiten" - können nur auf Angaben des Klägers selbst beruhen. Ob das "Konzept" letztlich von Rechtsanwalt ..., vom Kläger oder von einem Dritten und für wen es entwickelt worden ist, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist, daß die Ausführungen von Rechtsanwalt ... und im Schreiben der ... eindeutig der Vorgehensweise des Klägers entsprechen. Die zahlreichen Verträge, die der Kläger mit den einzelnen Apothekern abgeschlossen hat, haben in ihrem Zusammenspiel die beteiligten Apotheker in ihrer Entscheidungsfreiheit geknebelt, wobei insbesondere die kurze Laufzeit der Mietverträge den Hebel bildete, der die beteiligten Apotheker - auch ohne daß dies vertraglich vereinbart werden mußte - zu entsprechendem "Wohlverhalten" zwang, wollten sie nicht der Früchte ihrer bisherigen Tätigkeit verlustig gehen.

Die Realisierung der vom Kläger verfolgten Strategie und seine Teilhabe am Gewinn anderer Apotheken läßt sich an drei Fällen beispielhaft darstellen:

1.

Mit Schreiben vom 30.6.1994 an die Steuerberaterin Frau ... in Preetz wendet sich der Apotheker ... (Apotheke im ..., -, Lippstadt) gegen eine ihm von ihr übersandte Aufstellung u.a. betr. die Höhe des Garantiegewinns. Er macht darin geltend, daß der ihm zugesicherte Garantiegewinn in anderer Höhe als in der Aufstellung angesetzt worden sei, und bittet um Berichtigung der Daten. Er bezieht sich in seinem Schreiben auf eine Besprechung vom 28.6.1994, an der auch der Kläger teilgenommen habe. In dieser Besprechung sei festgestellt worden, daß die Garantiegewinne in der Aufstellung nicht richtig ausgewiesen seien. Weiterhin erklärt er, daß sein Entnahmeanspruch ab dem Jahr 1994 wie folgt vereinbart worden sei: "DM 100.000,-/Jahr + 8% des Umsatzes über 1,5 Mio."

Aus diesem Schreiben ergibt sich für die Kammer eindeutig, daß der Apotheker ... nicht über den gesamten Gewinn seiner Apotheke verfügen konnte, sondern nur einen eingeschränkten Entnahmeanspruch hatte, der zunächst jedes Jahr eine Steigerung erfuhr und der ab 1994 eindeutig am Apothekenumsatz ("+ 8% des Umsatzes über 1,5 Mio.") orientiert war. Dieser Entnahmeanspruch bzw. Garantiegewinn ist auch mit dem Kläger vereinbart worden. Der Kläger hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung vom 2.12.1998 dergestalt eingelassen, daß aus seiner Sicht der Apotheker ... frei über die Gewinne seiner Apotheke verfügen konnte; er habe keine Vereinbarung mit ihm getroffen, die seine Gewinn- oder Entnahmeansprüche aus dieser Apotheke in irgendeiner Weise begrenzten. Diese Darstellung hält die Kammer aber für ausweichend und nicht glaubhaft. Sie wird durch das Schreiben des Apothekers ... vom 30.6.1994 widerlegt, zumal der Kläger die Besprechung vom 28.6.1994 und ihren sachlichen Inhalt nicht bestritten hat. Der objektive Aussagegehalt des Schreibens wird auch durch andere Unterlagen bestätigt. So hat z.B. das Steuerberaterbüro ... in Preetz für die Bearbeitung der steuerlichen Vorgänge für jede(n) Apotheker(in) - so auch für den Apotheker ... - ein Formular (Apothekenmemo) benutzt, in welchem u.a. auch eine Spalte "Garantiegewinn ab 19.., ab 19.. usw." vorgedruckt ist. Hinter den Jahreszahlen sind die jeweiligen jährlichen Beträge aufgelistet. Für den Apotheker ... befindet sich ein entsprechender Eintrag in einem Apothekenmemo "Garantiegewinnn ab 1994: 100.000,- + 8% des Umsatzes über 1,5 Mio.". Auch in anderen handschriftlichen Aufzeichnungen sind für den Apotheker ... Beträge als "garantierter Gewinn" ausgewiesen.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu einem den Apotheker ... betreffenden, gleichartigen Apothekenmemo erklärt hat, er kenne die Unterlagen aus den Handakten des Steuerberaterbüros ... nicht und dieser arbeite mit Begrifflichkeiten, mit denen er in keiner Weise etwas zu tun habe, vermag diese Aussage die Überzeugung des Gerichts, daß der Kläger den jeweiligen Apothekern einen jährlichen Gewinn garantiert hat, zugleich aber darüber hinausgehende Gewinne für sich beanspruchte, nicht zu erschüttern. Ob der Kläger bei seinen Verhandlungen mit den Apothekern den Begriff "Garantiegewinn" benutzt hat oder sich anderer Formulierungen bediente, ist unerheblich.

Daß der Kläger tatsächlich Absprachen über die Höhe von Einkommen getroffen hat, ergibt sich nämlich z.B. aus einem Schreiben des Klägers an den Apotheker ... vom 17.3.1990, mit dem er seinerzeit in Kaufverhandlungen über eine Apotheke in Mannheim stand. Darin heißt es u.a.: "...darf ich Ihnen nochmals bestätigen, daß - falls der Netto-Umsatz der von Ihnen betriebenen ... Apotheke im ersten vollständigen Betriebsjahr wie auch in den Folgejahren DM 800000 nicht erreicht, und Ihr Gewinn dadurch nicht mindestens der Höhe eines Jahreseinkommens eines im Raum Heidelberg/Mannheim angestellten Apothekers mit gleicher Arbeitszeit und Verantwortung entspricht - ich bereit bin, die Forderungen aus dem mit Ihnen noch abzuschließenden Mietvertrag so zu mindern, daß Ihnen jeweils ein entsprechender Gewinn in mindestens der Höhe eines Jahreseinkommens eines im Raum Heidelberg/Mannheim angestellten Apothekers verbleibt...".

Auch wenn in diesem Schreiben der Begriff "Garantiegewinn" nicht enthalten ist, so geht aus ihm doch eindeutig hervor, daß der Kläger dem Apotheker ... eine Zusicherung über ein jährliches, seinerzeit noch nicht fest beziffertes, aber bezifferbares Mindesteinkommen gemacht hat. Weiterhin läßt sich diesem Schreiben entnehmen, daß wirtschaftliche Chancen und Risiken der Apotheke beim Kläger liegen sollten, weil er nämlich etwa bei einer geringer als prognostizierten Ertragslage die vom Apotheker zu zahlende Miete herabsetzen wollte. Die Höhe der jeweiligen Mietforderung stand somit in Abhängigkeit vom Umsatz der Apotheke. Eine solche Vereinbarung verstößt eindeutig gegen § 8 Satz 2 ApoG.

2.

Daß der Kläger auch mit anderen Apothekern gleichartige Vereinbarungen getroffen hat, die ihn am Umsatz/Gewinn der jeweiligen Apotheke beteiligten, zeigt beispielsweise der Fall des Apothekers ...
In einem den Apotheker ... betreffenden Apothekenmemo des Steuerberaterbüros ... (Beiakte Nr. 2 im Verfahren 4 L 865/96, Blatt 92, A 28) ist in der Spalte Garantiegewinn für die Jahre 1993 und 1994 jeweils der Betrag von 115000,- DM eingetragen. In der sich auf dem gleichen Blatt daneben befindlichen Spalte, die mit "Abschöpfung" überschrieben ist, befindet sich der Eintrag: "... -> Marketing ... (?)". Auf dem nachgehefteten Blatt 93 wird die Abschöpfung wie folgt detailliert aufgelistet:

"a) durch Miete EDV-Anlage (...) DM 1991 = 30000 nur bis 1992! b) über Miete: Spanne 2540,- mtl. (??? 3692,-) (Ertrag 6237,-) c) durch Miete Einrichtung (...) 1992 = 40800,-"

Daß es sich bei dieser "Abschöpfung" tatsächlich um eine gewinnabhängige Größe handelte, geht eindeutig aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Steuerberaterbüros hervor, in denen für den Apotheker ... die zu zahlenden Beträge z.B. für "Nebenkosten 1990/91/92" und für die "Nutzung EDV System" jeweils "je nach Gewinn" zu ermitteln sind (Beiakte im Verfahren 4 K 3303/96, Blatt 89).

Auch wenn sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung dazu eingelassen hat, er kenne die Unterlagen des Steuerbüros nicht und dieses arbeite mit Begrifflichkeiten, mit denen er in keiner Weise etwas zu tun habe, so überzeugt dies die Kammer nicht. Aus den Akten ergibt sich eindeutig, daß die Erhöhung von Beträgen und somit die Abschöpfungssummen mit dem Kläger abgesprochen, bzw. auf seine Anweisungen zurückzuführen sind (vgl. Abschlußmemo für die ...-Apotheke vom 25.4.1995 in Beiakte zu 4 K 3303/96, Blatt 101).

3.

Ganz eklatant zeigt sich die finanzielle Abhängigkeit der Apotheker und die gewinnorientierte Teilhabe des Klägers im Fall der Apothekerin .... Zwar handelt es sich hierbei um die Lebensgefährtin des Klägers, dennoch greift auch hier das Verbot des § 8 Satz 2 ApoG; auch in diesem Fall durfte der Kläger keine Absprachen mit der Apothekerin treffen, die dieser Vorschrift zuwiderlaufen. Das aber hat der Kläger getan. Die mit der Apothekerin ... getroffenen Mietzinsvereinbarungen sind ganz offensichtlich am "außergewöhnlich großen Umsatz" der Apotheke orientiert. Anders lassen sich die massiven und jeweils auf den 1.1.1993 zurückwirkenden, zweimaligen Mietzinserhöhungen nicht erklären. Laut Mietvertrag vom 3.12.1991 sollte bis zum 31.12.1993 die Miete 5940,- DM und danach 8590,- DM betragen. Gemäß Vereinbarung vom 30.6.1993 wurde die monatliche Miete erstmalig rückwirkend zum 1.1.1993 auf 16666,- DM und mit Vereinbarung vom 5.11.1994 nochmals - ebenfalls rückwirkend zum 1.1.1993 - auf 20000,- DM erhöht.

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