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Arzneimittel und Therapie
Angsterkrankungen: Paroxetin zur Behandlung sozialer Phobien?
Die soziale Phobie oder soziale Angsterkrankung ist nach Depressionen und Alkoholabhängigkeit die dritthäufigste psychiatrische Erkrankung. Trotz ihrer hohen Prävalenz von ungefähr 5% wird die soziale Phobie häufig nicht erkannt und unzureichend therapiert. Bislang liegt noch kein optimales Therapieschema vor; die gängigen Behandlungsmethoden umfassen psychotherapeutische Maßnahmen (kognitive und verhaltenstherapeutische Maßnahmen) und die Pharmakotherapie mit Betablockern, Benzodiazepinen oder MAO-Hemmern.
SSRI bei generalisierter sozialer Phobie
In einer amerikanisch-kanadischen Studie wurde nun die Wirkung des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) Paroxetin (Tagonis, Seroxat) bei generalisierten sozialen Phobien untersucht. An der zwölfwöchigen, multizentrischen, randomisierten und doppelblinden Studie nahmen 187 erwachsene Patienten teil. Nach einer einwöchigen Eingangsphase mit Plazebo erhielten die Studienteilnehmer während elf Wochen entweder Paroxetin (täglich 20 mg; im Bedarfsfall konnte die Dosis wöchentlich um 10 mg bis maximal 50 mg gesteigert werden) oder ein Plazebo. Zu Studienbeginn und in regelmäßigen Abständen wurde das Ausmaß der Phobie mit Hilfe spezieller Fragebögen (Liebowitz Social Anxiety Scale LSAS, Social Avoidance and Distress Scale SDS, Sheehan Disability Inventory SDI) ermittelt.
Höhere Responderrate und Symptomverbesserung durch Paroxetin
Nach Studienablauf konnten die Daten von 183 Patienten (91 der Verum- und 92 der Plazebogruppe) ausgewertet werden.
- Die Responderrate lag in der Verumgruppe bei 55%, in der Kontrollgruppe bei 23,9%. Die deutlich bessere Ansprechbarkeit auf Paroxetin zeigte sich nach der vierten Behandlungswoche.
- Bereits nach der zweiten Behandlungswoche zeigte sich bei den mit Paroxetin behandelten Patienten eine deutliche Symptomverbesserung. Ihre Angst vor sozialen Kontakten war deutlich verringert worden, was sich in einem Minus von 39,1% (vs. -17,4% für die Plazebobehandlung) auf der LSA-Skala widerspiegelt. Auch bei der Beurteilung von Lebensqualität, sozialen und beruflichen Kontakten war Paroxetin dem Plazebo überlegen.
- Patienten beider Gruppen hatten relativ häufig Kopfschmerzen (37,2% der Verumgruppe; 32,3% der Plazebogruppe). 36% der männlichen Patienten der Paroxetingruppe registrierten eine verzögerte Ejakulation (Plazebogruppe 0%). Somnolenz und Nausea traten ebenfalls häufiger in der Verum- als in der Plazebogruppe auf (26,6% vs. 9,7% und 25,5% vs. 11,8%). Die unerwünschten Wirkungen wurden von den Patienten in der Regel als mild bis moderat eingestuft.
Kastentext: Die soziale Phobie
Die soziale Phobie oder soziale Angsterkrankung ist charakterisiert durch die Furcht, von anderen beobachtet oder bewertet zu werden. Demzufolge fürchten sich die Betroffenen vor dem Zusammentreffen mit anderen Menschen und meiden Situationen, in denen sie agieren oder reden müssen. Soziale Phobien vermindern die Lebensqualität, da die Kommunikation (Freundschaften, Schule, Beruf) wesentlich eingeschränkt ist. Der Begriff der sozialen Phobie wird von den meisten Klinikern mit der Furcht vor öffentlichem Sprechen (d.h. Reden vor großem Publikum) gleichgesetzt. Es gibt allerdings auch die generalisierte soziale Phobie, bei der sich die Furcht auch auf Alltagskontakte (z. B. Gespräche am Arbeitsplatz) ausweitet.
Literatur: Stein, M., et al.: Paroxetine treatment of generalized social phobia (social anxiety disorder). J. Am. Med. Assoc. 280, 708-713 (1998).
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