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Prisma
Ein trojanisches Pferdchen gegen chronische Schmerzen
Chronische Schmerzzustände sind weit verbreitet und können sich in vielen Formen äußern - angefangen von spezifisch lokalisierbaren Beschwerden bei Migräne bis hin zum mysteriösen "Ganzkörperschmerz" bei Fibromyalgien. Unabhängig von der Ausprägung scheinen sie jedoch alle einen Ursprung zu haben: die Fehlleitung von Signalen einer kleinen Gruppe von Neuronen im Rückenmark, die zur Übermittelung der Schmerzreize den Neurotransmitter Substanz P ausschütten.
Diesen Umstand nutzten die amerikanischen Wissenschaftler nun aus, indem sie Substanz P an ein Nervengift koppelten und diesen - von ihnen als molekulares trojanisches Pferdchen bezeichneten - Komplex dann in das Rückenmark von Ratten injizierten. Dort setzte er sich im synaptischen Spalt der Nervenzellen fest und blockierte die Reizübermittlung. Erstaunlich dabei: Die normale Schmerzantwort blieb bei den behandelten Tieren erhalten. Irreversibel gehemmt wurden nur diejenigen Neurone, die für die "falsche" Übermittlung der chronischen Schmerzen verantwortlich waren.
"Das ist das Schöne an dieser Technik. Wir picken uns nur diejenigen Neurone heraus, die Substanz P ausschütten und lassen alle anderen in Ruhe", kommentierte Patrick Mantyh, Leiter der Studie, daher auch die Ergebnisse. Er schränkte allerdings ein, dass seine Methode trotz der einfachen Handhabung und des anhaltenden Effekts derzeit nur für Patienten mit extremen chronischen Schmerzen geeignet sei, da die irreversible Hemmung letztendlich zur Abtötung der betroffenen Nervenzellen führe. Dieser Nachteil der Methode soll durch Verwendung eines anderen Nervengifts jedoch bald beseitigt sein. Dann, so Mantyh, sei auch eine vorübergehende Ruhigstellung der Nervenzellen "durchaus machbar". Die Methode soll in Kürze in ersten klinischen Studien am Menschen erprobt werden.
Quelle: Science 1999, Vol. 286, Nr. 5444, S. 1558-1561
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