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Pharmagroßhandel: Kräftiges Wachstum bei der Noweda
Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Klaus G. Brauer, Essen, wertete diese Ergebnisse als Beleg für die Zukunftsfähigkeit der genossenschaftlichen Idee. Zudem drohe hier nicht die Gefahr einer feindlichen Übernahme, da in einer Genossenschaft jedes Mitglied stets eine Stimme hat. Der Noweda, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiern konnte, gehe es prächtig (s. a. Tabelle Geschäftsentwicklung).
Im Geschäftsjahr von Anfang Juli 1998 bis Ende Juni 1999 erzielte die Noweda-Gruppe einen Nettoumsatz von 2239,317 Mio. DM, erklärte Meyer in seinem Vorstandsbericht. Ohne Konsolidierung der Tochtergesellschaft Optima bedeutet dies einen Anstieg von 10,66% gegenüber dem Vorjahr. Im Kerngeschäft, d.h. im Handel mit Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren, betrug der Anstieg sogar 11,18%. Der Rohertrag ist dagegen nur um 6,4% auf 185,780 Mio. DM gestiegen, da sich hier der Degressionseffekt der Arzneimittelpreisverordnung auswirkt.
Dennoch konnte das Betriebsergebnis um 16,6% auf 39,285 Mio. DM gesteigert werden. Hierfür sind sonstige betriebliche Erträge und das unterproportionale Wachstum der betrieblichen Aufwendungen verantwortlich. Insbesondere die Produktivität der Mitarbeiter konnte erheblich gesteigert werden. Nach einem Anstieg um 8,4% erzielte jeder Mitarbeiter, umgerechnet auf eine 38,5-Stunden-Woche, einen Umsatz von 1,916 Mio. DM.
Insgesamt wurden 1680 Mitarbeiter beschäftigt. Vergleichsweise ungünstig entwickelten sich die Zinsaufwendungen, die um 5,509 Mio. DM anstiegen. Dies beruht nach den Ausführungen Meyers auf Ausgleichszahlungen aus umstrukturierten Zinssicherungsinstrumenten, die in den Folgejahren niedrigere Zinszahlungen ermöglichen sollen. Demnach liegt hier ein einmaliger Sondereffekt vor, der den Anstieg des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit begrenzte.
Dennoch konnte der Jahresüberschuss um glatt 11% auf 11,509 Mio. DM erhöht werden und stieg damit stärker als der Konzernumsatz. Dieses Ergebnis erlaubt, wiederum eine Dividende von 9% zuzüglich 2% Bonus auf die Pflichtanteile und 10,8% zuzüglich 2,4% Bonus auf freiwillige Anteile auszuschütten. Die Kapitalrendite einschließlich Steuergutschrift beträgt damit seit dem Geschäftsjahr 1989/90 unverändert 11% auf die Pflichtanteile und 13,2% auf weitere Anteile, womit der Kapitalmarktzins wiederum erheblich überschritten wird.
Zukunftsgerichtete Investitionen
Die Bilanzsumme wuchs um 56 Mio. DM auf 673,9 Mio. DM, was hauptsächlich auf einem gestiegenen Umlaufvermögen beruht. Doch seien diese Veränderungen primär stichtagsbedingt, z.B. durch besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten. Dagegen sind die Veränderungen bei den Sachanlagen deutlich in die Zukunft gerichtet. So wurden fast zwei Mio. DM in das neue, noch in Arbeit befindliche Warenwirtschaftssystem investiert.
Etwa 5,6 Mio. DM flossen in den Bau der neuen Betriebsstätte in Schwerte/Ergste. Diese soll künftig die Kapazitätsengpässe des Hauses in Essen beheben. Im Gegensatz zu einem Ausbau am Standort Essen bietet der Neubau zudem Vorteile für die Belieferung der Kunden im östlichen Ruhrgebiet. Daneben wurden etwa 4,6 Mio. DM in eine Vielzahl kleinerer Maßnahmen in allen Niederlassungen investiert. Die Finanzierung sei mit einem Eigenkapital von 158,689 Mio. DM und einer Eigenkapitalquote von 23,5% solide geblieben.
Künftige Geschäftsentwicklung von Politik beeinflusst
Meyer verglich in seinem Bericht das langfristige Wachstum der Noweda mit dem Marktwachstum. Wäre die Noweda in den zurückliegenden zehn Jahren nur mit dem Großhandelsmarkt gewachsen, betrüge ihr Jahresumsatz jetzt nur 1,3 Mio. anstatt über 2,2 Mio. DM.
Die Gründe für den Erfolg sieht er in der genossenschaftlichen Struktur und in dem geschäftspolitischen Ziel, sich auf die Bedürfnisse der Mitglieder und Kunden einzustellen. Auch das neue Geschäftsjahr habe mit Umsatzzuwächsen begonnen. Das dritte Kalenderquartal 1999 habe die positiven Erwartungen erfüllt. Doch hänge die weitere Zukunft sehr von politischen Entscheidungen ab.
Wie auch in früheren Jahren beleuchtete Meyer in seinem Bericht umfassend das politische und wirtschaftliche Umfeld der Geschäftstätigkeit der Noweda-Gruppe. Er kritisierte den politischen Reformstau, der von der Bundesregierung nicht angegangen werde. Eine risiko-, innovations- und wettbewerbsscheue Haltung sei für eine offene und außenhandelsabhängige Volkswirtschaft fatal. Anstatt wenigstens mittelfristig verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, herrsche Beliebigkeit, obwohl die drängendsten Probleme seit Jahren von Sachverständigen angemahnt würden.
Gesundheitspolitik: Ideologie statt Sachverstand
Als besonders überzeugendes Beispiel für politisches Missmanagement sei die Vorlage des Gesetzesentwurfs zur Gesundheitsreform am 4. November im Bundestag anzusehen. Die Vorlage eines praktisch beratungsunfähigen Entwurfs sei auch für altgediente Parlamentarier eine Premiere gewesen. Außerdem kritisierte Meyer den Umgang der Bundesregierung mit Wirtschafts- und Berufsverbänden. Im Gegensatz zur früheren Praxis würden die Verbände bei der Gestaltung der Entwürfe auf Abstand gehalten und die Gesetzesvorhaben stärker an der Ideologie ausgerichtet. Damit habe sich die Regierung die Möglichkeit genommen, Entwürfe im Vorfeld auf mögliche negative Nebenwirkungen abzuklopfen. So entstünden vermeidbare Schäden und erhöhter Reparatur- und Nachbesserungsbedarf.
Diese Vorgehensweise zeige sich ganz besonders deutlich an der Vertriebsregelung für Mifegyne. So werde ausgerechnet aus "Sicherheitsgründen" nicht der millionenfach bewährte Vertriebsweg über Apotheken und pharmazeutischen Großhandel gewählt. Stattdessen müsse der Hersteller einen fremden Distributeur beauftragen, für den keinerlei Kontrollen existieren, wie sie im pharmazeutischen Großhandel selbstverständlich sind. Sachverständige hätten ausdrücklich vor dieser Entwicklung gewarnt. Der an der Beratung im Gesundheitsausschuss des Bundestages beteiligte Noweda-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Brauer habe berichtet, die Hartnäckigkeit des Weghörens der Ministeriumsvertreter sei nur mit ideologischer Verbohrtheit zu erklären, und die mache regelrecht Angst.
Einnahmen oder Bedarf als Grundlage?
Ausführlich verwies Meyer auf die inhaltlichen Probleme der geplanten Gesundheitsreform. So richte sich die Budgethöhe nicht nach dem Bedarf, sondern nach den Einnahmen. Diese Einnahmeorientierung ohne Berücksichtigung des Bedarfs sei angesichts der demografischen Entwicklung und des medizinisch-pharmazeutischen Fortschritts "barer Unsinn". Auf die Frage, was nach Aufbrauchen des Budgets zu tun sei, antworteten die verantwortlichen Politiker mit dem Hinweis auf den Rechtsanspruch auf angemessene Leistungen, den jeder Versicherte habe. Angesichts solcher Fehlentwicklungen müssten die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen immer wieder auf die wesentlichen Problemfelder hinweisen.
So sei der vielfach verwendete Begriff der Kostenexplosion im Gesundheitswesen ein "Syndrom chronischer Täuschung", da der Kostenanstieg seit 1975 weitgehend dem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes gefolgt sei. Ausnahmen beruhten stets auf politisch gewollten Leistungsausdehnungen oder Sonderentwicklungen wie der Wiedervereinigung. Daneben müsse immer wieder verdeutlicht werden, dass die GKV ein Einnahme- und kein Ausgabenproblem hat. Die demografische Entwicklung, der medizinisch-pharmazeutische Fortschritt und die Anbindung der Beiträge an die Arbeitseinkommen führe zwangsläufig zu einem beitragsinduzierten Finanzierungsproblem.
Arzneimitteldistribution ist preisgünstig
Daneben sollten die in anderen Wirtschaftsbereichen gewonnenen guten Erfahrungen mit Deregulierung und Privatisierung auch auf das Gesundheitswesen angewendet werden. Im Gesundheitswesen nähmen stattdessen Regelungen und Bürokratie zu. So stiegen die Ausgaben für Krankenhäuser und GKV-Verwaltung stärker als das Bruttoinlandsprodukt, im Gegensatz zu den Arzneimittelausgaben.
Doch insgesamt seien die deutschen Gesundheitsausgaben im internationalen Vergleich keineswegs auffällig. Der Anteil von 9,5% des Bruttoinlandsproduktes setze sich aus 13,3% in den neuen und 8,8% in den alten Bundesländern zusammen. Speziell die Arzneimitteldistribution sei in Deutschland nicht besonders teuer. Im Vergleich zu anderen Einzelhandelsbranchen belegten die Apotheken mit einer durchschnittlichen Handelsspanne von 28,1% einen der unteren Plätze.
Im zeitlichen Vergleich sei der Anteil der Distributionskosten an den Arzneimittelpreisen gesunken. So entfielen 1985 noch 9,24% des GKV-erstattungsfähigen Arzneimittelumsatzes auf den Großhandel und 23,74% auf die Apotheke. Dagegen waren es 1998 nur noch 8,26% für den Großhandel und 19,76% für die Apotheken. In der Politik werde dies regelmäßig ignoriert. Zudem gelte es, eine große Zahl von Produkten zu bewältigen, da die Vielfalt der Generika und der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen politisch gewollt sei.
Doch sei dieses große Angebot sowohl therapeutisch als auch ökonomisch vorteilhaft, denn für alle Märkte gelte die volkswirtschaftliche Binsenweisheit: "Produktvielfalt ist besser als Produkteinfalt." Im Gegensatz zum Anteil der Distribution sei der Anteil des Staates an den Arzneimittelkosten durch die Mehrwertsteuer immer wieder gestiegen. Würde diese Steuer gestrichen, wären jährlich über fünf Milliarden DM zu sparen. Würden außerdem die versicherungsfremden Leistungen der GKV, denen keine Beitragszahlungen gegenüberstehen, systemgerecht durch Steuern finanziert, ergäbe sich für die GKV eine weitere Entlastung von rund 60 Milliarden DM.
Zusammenrücken erforderlich
Doch werde das Gesundheitssystem nach Einschätzung Meyers weiterhin unter Beschuss geraten. Daher müssten die Apotheker zusammenstehen. Ein Instrument hierfür biete die Noweda, die sich als das "institutionalisierte Zusammenrücken" von über 5000 Apothekerinnen und Apothekern verstehe. Als konkrete Hilfen der Noweda für die Mitglieder seien die Sortimentsberatung und die Unterstützung bei Marketing und Baumaßnahmen zu nennen. Hinzu komme das umfangreiche Schulungsangebot, durch das sich im zurückliegenden Geschäftsjahr über 2000 Teilnehmer zu 47 Themen informiert hätten. Bei der anschließenden Diskussion des Vorstandsberichtes wurde nach möglichen Aktivitäten der Noweda auf europäischer Ebene gefragt. Hierzu bestünden derzeit keine konkreten Pläne. Doch wenn sich für Mitglieder Chancen in Europa ergäben, würde die Noweda sich dementsprechend engagieren.
Anschließend wurde der Jahresabschluss einstimmig genehmigt. Vorstand und Aufsichtsrat wurden ebenfalls einstimmig entlastet. Bernd Roder, Bösel, und der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Rudolf Strunk, Recklinghausen, wurden nach dem Ende ihrer Amtszeit wieder in den Aufsichtsrat gewählt.
Würdigung für Ingo Dinger
Im Rahmen der Generalversammlung wurde zudem die Arbeit des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Ingo Dinger gewürdigt. Er gehörte dem Aufsichtsrat über 24 Jahre lang an und stand diesem 17 Jahre lang bis zum 25. November 1998 vor. Als Anerkennung seiner besonderen Verdienste um die Noweda wurde Ingo Dinger mit der Günther-Büsch-Ehrengabe der Noweda eG ausgezeichnet, die erst zum dritten Mal vergeben wurde. Nach den Worten seines Amtsnachfolgers Brauer habe Dinger die Idee der Genossenschaft "gelebt". Dieses Konzept ermögliche nach wie vor eine einzigartige Marktposition, die sich von gewöhnlichen Kapitalgesellschaften unterscheide. Diese müssten stets den Spagat zwischen Kunde und Shareholder aushalten, die in der Genossenschaft in einer Person vereint seien.
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