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Arzneimittel und Therapie
Diabetischer Fuß: Wachstumsfaktor fördert die Wundheilung
Jährlich werden in Deutschland bei Diabetikern 28000 Amputationen im Bereich des Oberschenkels und des Fußes vorgenommen. Doch viele Amputationen lassen sich durch eine sachgerechte Diagnostik und die rechtzeitige und adäquate Behandlung von diabetischen Fußkomplikationen vermeiden.
Wie entsteht der diabetische Fuß?
Ein diabetischer Fuß entsteht als Folge eines langjährigen Diabetes mellitus: Bei einer dauerhaft schlechten Stoffwechseleinstellung kommt es zum einen zu Durchblutungsstörungen in den Extremitäten, zum anderen entwickelt sich eine diabetische Neuropathie. Wenn die Nervenfunktion ausfällt, atrophieren die Fußmuskeln, und es kommt zu Fehlstellungen des Fußes. So werden Druckschäden provoziert, die der Diabetiker häufig nicht bemerkt, weil sie wegen der gestörten Nervenfunktion schmerzlos sind.
Im Extremfall überlastet der Diabetiker seine Füße so stark, dass es zu Knochenumlagerungen mit Skelettdeformierungen kommt. Diese Situation wird durch falsches Schuhwerk noch entscheidend verschlimmert. Gleichzeitig vermindert sich die Schweißproduktion des Fußes, und die Haut trocknet aus. Durch die Fehlbelastung kommt es zu Hornhautbildung. Unter diesen Hornhautplatten können tiefe Ulzera entstehen. Deshalb muss die Hornhaut regelmäßig vorsichtig entfernt werden. Wenn neben der Nervenfunktion auch die Durchblutung gestört ist, sind die Wunden an den diabetischen Füßen sehr schwer zu behandeln.
Regelmäßige Vorsorge ist wichtig
Der Diabetiker muss diese Gefahr kennen und die mangelnde Sensibilität seiner Füße durch andere Sinne ersetzen: Jeder Diabetiker sollte seine Füße täglich anschauen und nach Druckstellen und Verletzungen abtasten. Der Hausarzt sollte die Füße seiner Diabetespatienten mindestens einmal pro Quartal untersuchen, wenigstens einmal im Jahr sollte er das Vibrationsempfinden als Maß der Neuropathie prüfen. Schon eine einstündige Unterweisun von Risikopatienten in richtiger Fußpflege kann die Häufigkeit von Rezidivulzera oder gar vom Amputationen um mehr als zwei Drittel senken.
Die Wunde stadiengerecht behandeln
Die Wunde am diabetischen Fuß muss stadiengerecht behandelt werden. In der ersten Phase ist eine Blutstillung erforderlich, in der zweiten Phase muss vor allem die Entzündung behandelt werden, in der dritten Phase kann man die Proliferation fördern, und schließlich kommt es in der vierten und letzten Phase zum Wundschluss. Als Basis für die Heilung müssen zuerst totes Gewebe und Bakterien durch das so genannte Debridement entfernt werden. Dann kann die Wunde behandelt werden. Dazu ist unter anderem eine optimale Feuchtigkeit notwendig, die mit feuchten Wundauflagen gewährleistet werden kann. Zusätzlich können Wachstumsfaktoren eingesetzt werden, um die Reepithelialisierung und damit den Wundverschluss zu fördern.
Wachstumsfaktoren fördern die Wundheilung
Die Interaktion der Wundzellen wird maßgeblich durch Wachstumsfaktoren beeinflusst. In den letzten zwanzig Jahren wurden zahlreiche Wachstumsfaktoren isoliert, biochemisch charakterisiert und gentechnisch hergestellt. Dazu gehören PDGF, DGF, EGF und IGF. Sie unterstützen alle in unterschiedlichem Ausmaß wichtige Schritte der Wundheilung, wie Angiogenese, Collagensynthese oder Epithelialisierung von Wunden. Von allen Wachstumsfaktoren ist PDGF, der Platelet Derived Growth Factor, am besten untersucht. Unter natürlichen Bedingungen wird dieser Wachstumsfaktor unter anderem von Thrombozyten, Makrophagen, Endothelzellen und Fibroblasten synthetisiert. PDGF fördert die Bildung von Granulationsgewebe und indirekt auch die Epithelialisierung.
Becaplermin
Becaplermin ist ein rekombinanter humaner thrombozytärer Wachstumsfaktor (rhPDGF). Die Substanz wird als 0,01%iges Gel einmal täglich auf die gereinigte Wunde aufgetragen. Anschließend werden die behandelten Stellen nach dem Prinzip der feuchten Wundbehandlung mit einer mit Kochsalzlösung getränkten Auflage abgedeckt. Wundinfektionen sollten vor dieser Therapie adäquat antibiotisch therapiert worden sein. Wenn nach den ersten zehn Wochen einer ununterbrochenen Therapie kein bedeutsamer Heilungsfortschritt ersichtlich ist, sollte die Behandlung überprüft werden. Die Gesamtbehandlungszeit sollte 20 Wochen nicht überschreiten. Becaplermin wurde in mehreren klinischen Studien zur Behandlung von diabetischen Fußulzera im Vergleich zu Plazebo geprüft.
In vier Wirksamkeitsstudien erhielten 922 Patienten zusätzlich zur Standard-Wundbehandlung täglich lokal PDGF. Sowohl die Abheilungsdauer als auch die Behandlungsdauer wurden durch die Lokalbehandlung mit PDGF positiv beeinflusst. Fast die Hälfte aller diabetischen Fußulzera heilten unter der Lokaltherapie ab. Im Vergleich zu einer optimalen Wundversorgung verbesserte sich die Abheilungsrate durch den Einsatz des Wachstumsfaktors um bis zu 57%. Auch die Behandlungsdauer bis zum kompletten Wundverschluss war in der PDGF-Gruppe um etwa 30% signifikant verkürzt.
Die lokale Therapie erwies sich in den Studien als nebenwirkungsarm. Leichte Hautirritationen sind möglich. Bei Ischämien ist Becaplermin kontraindiziert. Becaplermin hat jetzt die Zulassung zur Behandlung des diabetischen Fußes erhalten, die Substanz eignet sich jedoch auch für andere Wunden. So konnte in einer Studie auch bei der Indikation Dekubitus eine Wirkung des Wachstumsfaktors nachgewiesen werden.
Das diabetische Fußsyndrom ist ein schwerwiegender Folgeschaden des Diabetes mellitus. Um Verletzungen vorzubeugen,müssen Diabetiker ihre Füße besonders sorgfältig pflegen und regelmäßig untersuchen. Wunden an den Füßen müssen möglichst rasch abheilen,damit das Gewebe nicht abstirbt und später eine Amputation notwendig wird. Der neue rekombinante Wachstumsfaktor Becaplermin kann die Wundheilung beim diabetischen Fuß unterstützen. Becaplermin wird im Januar unter dem Handelsnamen Regranex in Deutschland eingeführt.
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