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- DAZ 12/2000
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Arzneimittel und Therapie
Anti-IgE-Antikörper: Bedarf an Glucocorticoiden sinkt
IgE-Antikörper spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung allergischer Erkrankungen. Binden diese Antikörper an ihre Rezeptoren an der Mastzelle, werden Mediatorstoffe wie Histamin freigesetzt, welche die Allergiesymptome auslösen. Der Anti-IgE-Antikörper rhuMAb-E25 soll diesen Prozess unterbinden. Er bildet mit freiem IgE Komplexe und verhindert dadurch dessen Bindung an die Mastzelle. Durch diesen frühen Eingriff in die Allergiekaskade besteht die Möglichkeit, bereits die Freisetzung des Histamins zu unterbinden und nicht erst dessen Auswirkungen, wie es durch Antihistaminika geschieht.
Asthma, Rhinitis und Nahrungsmittel-Allergien
Der gentechnisch hergestellte Anti-IgE-Antikörper soll zukünftig zur Behandlung von allergischem Asthma und intermittierender allergischer Rhinitis bei Erwachsenen und auch bei Kindern ab sechs Jahren eingesetzt werden. Insbesondere Patienten mit schwerem Asthma bronchiale könnten von dieser Therapie profitieren, da der Bedarf an inhalativen und systemischen Glucocorticoiden deutlich reduziert werden könnte. Auch Allergiker, bei denen herkömmliche Therapieformen nur bedingt wirken oder nicht vertragen werden oder eine Hyposensibilisierung nicht den gewünschten Erfolg brachte, ziehen möglicherweise einen Nutzen aus dieser neuen Therapieform.
Der Antikörper rhuMAb-E25 wird vier bis sechs Wochen vor der Pollenflugsaison subkutan injiziert. Die Wirkung hält etwa zwei bis vier Wochen an, je nach vorausgegangenem Serum-IgE-Spiegel. In einer plazebokontrollierten Studie tolerierten vier von sechs Patienten unter rhuMAb-E25 eine höhere Dosierung ihres Nahrungsmittel-Allergens, hier Erdnüsse. Dies könnte Hoffnung auf einen völlig neuen Therapieansatz bei IgE-vermittelten Nahrungsmittel-Allergien bedeuten.
"Humanisierung" reduziert Abwehrreaktion
Die ersten gentechnisch hergestellten monoklonalen Antikörper bargen das Risiko, dass sich neutralisierende Antikörper bildeten und somit die Therapie praktisch unwirksam wurde. Gleichzeitig wuchs die Gefahr schwerer Nebenwirkungen. Diese Abwehrreaktion des Körpers wurde bei der neueren Generation monoklonaler Antiköper mit der "Humanisierung" des Antikörpers stark reduziert. Dabei wird der murine Antikörper MAE11 (aus Mäusen) gentechnisch so verändert, dass in bestimmten Bereichen die murinen Aminosäuren gegen humane ausgetauscht wurden. Das Ergebnis sind humanisierte Antikörper auf der Basis muriner Antikörper. Der Fremdanteil an nicht-humanen Aminosäuren-Sequenzen liegt bei rhuMAb-E25 unter 5%, dies erklärt die gute Verträglichkeit in den bisherigen klinischen Studien.
Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen
Bislang konnten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen unter einer Therapie mit dem Anti-IgE-Antikörper festgestellt werden, lediglich an der Injektionsstelle kam es zu einer Lokalreaktion. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder ähnliches lagen durchweg auf Plazeboniveau. Bei Fernreisen in die dritte Welt in Form eines Rucksacktourismus sollte man jedoch zum Absetzen des Produktes raten, da die IgE-Antikörper eine wichtige Rolle bei der Abwehr parasitärer Erkrankungen spielen. Unter rhuMAb-E25 könnte demnach die Infektionsanfälligkeit zunehmen. Bisher hat sich diese Vermutung jedoch noch nicht bestätigt.
Positive Ergebnisse bei Erwachsenen mit Asthma
Eine neue Phase-III-Studie wurde an 525 Erwachsenen mit mittelschwerem Asthma durchgeführt. Die Studie war randomisiert, doppelblind, plazebokontrolliert und als Parallelstudie angelegt. Alle Patienten benötigten aufgrund ihres Schweregrades inhalative Glucocorticoide und zusätzlich als Bedarfsmedikation Beta-Sympathomimetika (maximal acht Hübe pro Tag). Die Glucocorticoid-Dosis (Beclomethason) betrug zu Beginn der Studie 430 bis 840 Mikrogramm pro Tag. Insgesamt lief die Studie über 28 Wochen und enthielt eine vierwöchige Einlaufphase. Von Beginn an wurden die Patienten mit rhuMAb-E25 in einer Dosierung von 150 bis 300 mg alle vier Wochen bzw. 225 bis 375 mg alle zwei Wochen, abhängig vom Körpergewicht und den Serum-IgE-Spiegeln behandelt oder mit Plazebo.
Nach 16 Wochen stabiler Therapiephase wurde die Glucocorticoid-Dosis alle zwei Wochen um 25% reduziert, um eine möglichst geringe Dosis zur optimalen Kontrolle der Asthmasymptome nach vier Wochen zu erreichen. Insgesamt betrug die so genannte Glucocorticoid-Reduktionsphase 12 Wochen.
Weniger Asthma-Exazerbationen
Die Asthma-Exazerbationen lagen unter rhuMAb-E25 in der stabilen Therapiephase, aber auch in der Glucocorticoid-Reduktionsphase signifikant niedriger im Vergleich zu Plazebo. In der stabilen Therapiephase entwickelten 39 Patienten (14,6%) Asthma-Exazerbationen, während dies in der Plazebogruppe bei 60 Patienten (23,3%) der Fall war. In der Glucocorticoid-Reduktionsphase traten in der Verumgruppe 57 Exazerbationen (21,3%) auf, in der Plazebogruppe bei 83 Patienten (32,3%). Durch die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper rhuMAb-E25 konnten doppelt so viele Asthma-Exazerbationen verhindert werden wie mit Plazebo.
Bedarf an Glucocorticoiden sinkt
Die Glucocorticoid-Dosis konnte in der Verumgruppe um 75% auf 126 Mikrogramm pro Tag gesenkt werden. RhuMAb-E25 zeigte sich im Vergleich zu Plazebo in allen untersuchten Parametern statistisch signifikant überlegen. Die Substanz verbesserte die Asthmasymptomatik, und gleichzeitig konnte der Verbrauch an der Bedarfsmedikation während der stabilen Therapiephase deutlich gesenkt werden. Die Symptomatik war auch während der Glucocorticoid-Reduktionsphase verbessert. Die Nebenwirkungsrate war mit Plazebo vergleichbar, substanzbezogene Nebenwirkungen traten nicht auf.
Verbesserte Lebensqualität auch bei Kindern ab sechs Jahren
Vergleichbar gute Ergebnisse zeigte eine Phase-III-Studie mit 334 Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren. Auch hier hatten die Kinder (92%) ein mäßiges bis mittelschweres Asthma. Alle Kinder befanden sich zum Untersuchungszeitraum in einer stabilen Krankheitsphase. Die Glucocorticoid-Dosis lag bei 168 bis 420 Mikrogramm pro Tag und die Bedarfsmedikation bei maximal acht Hüben des Beta-Sympathomimetikums. Die Kinder wurden mit rhuMAb-E25 in einer Dosierung von 150 bis 350 mg alle vier Wochen oder 250 bis 375 mg alle zwei Wochen über einen Zeitraum von 28 Wochen behandelt. Das Studiendesign war mit dem der oben beschriebenen Untersuchung mit Erwachsenen identisch.
Auch hier konnte durch den Einsatz von rhuMAb-E25 die Glucocorticoid-Dosis statistisch signifikant gesenkt werden. In der Verumgruppe benötigten die Kinder 41% weniger Beclomethason im Vergleich zur Plazebogruppe. Asthmaexazerbationen kamen unter rhuMAb-E25 35% seltener vor als in der Plazebogruppe. In allen Studienphasen lag die Bedarfsmedikation deutlich geringer als bei der Plazebogruppe.
Besonders wichtig bei der Behandlung von Kindern mit allergischem Asthma ist - in Bezug auf ihren Alltag und die Lebensqualität - die Tatsache, dass 85% aller Kinder und Jugendlichen die Behandlung mit rhuMAb-E25 als gut bis sehr gut bewerteten. Dies beurteilten auch die behandelnden Ärzte so, und sowohl subjektiv als auch objektiv konnte ein deutlicher Gewinn an Lebensqualität festgestellt werden.
Quelle: Presseinformation zur 56. Jahrestagung der American Academy of Allergy, Asthma and Immunology (AAAAI) in San Diego vom 3. bis 8. März 2000.
Durch die Therapie mit dem rekombinanten humanen monoklonalen Anti-IgE-Antikörper rhuMAb-E25 lassen sich sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit allergischem Asthma bronchiale die Dosis inhalativer Glucocorticoide reduzieren und die Asthma-Exazerbationen senken. Die Verhinderung von Asthma-Exazerbationen bzw. von Übergängen in ein schweres Asthma gehört zu den obersten Zielen in der Asthmatherapie. Mit der Marktzulassung für den monoklonalen Antikörper ist bis Mitte 2001 zu rechnen.
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