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Boehringer Ingelheim: 1999 zweistelliges Wachstum
Heribert Johann, Sprecher der Unternehmensleitung, hob auf der Bilanzpressekonferenz am 4. Mai 2000 in Frankfurt vor allem die Entwicklung des Betriebsergebnisses hervor, die sich auf etwa 1,3 Milliarden Mark fast verdoppelte. Der Personalaufwand stieg im Berichtsjahr um 9% und blieb damit deutlich hinter den Erlösen zurück. Die straffe Führung zeitigte eine geringe Personalquote von 30,2%, 1,3 Prozentpunkte unter Vorjahr.
Humanpharma das wichtigste Geschäftsfeld
92% der Erlöse wurden mit Humanarzneimitteln erwirtschaftet. Sie beliefen sich auf 9,1 Mrd. DM. Den Löwenanteil hatten dabei die verschreibungspflichtigen Medikamente mit einem Wachstum um 18% auf einen Umsatz von 7,7 Mrd. DM. Den leichten Rückgang im OTC-Geschäft erklärte das Unternehmen mit einem langsameren Wachstum als in den vergangenen Jahren in den USA sowie wirtschaftlichen Problemen in Brasilien, dem wichtigsten Selbstmedikationsmarkt. Boehringer Ingelheim als forschendes Pharmaunternehmen sieht die Basis seines Erfolges in den Innovationen, die ständig neu geschaffen werden müssen. Daher wurden gut 16% der Gesamterlöse (1,62 Mrd. DM nach 1,59 Mrd. DM in 1998; +2%) für Forschung, Entwicklung und klinische Prüfungen von Präparaten ausgegeben. Boehringer Ingelheim will sich, anders als in der Vergangenheit, nicht mehr ausschließlich in angestammten Bereichen tummeln.
"Der Erfolg unseres Präparates Viramune bestätigt unsere Strategie, auch in Indikationen zu investieren, in denen wir bis zur Einführung einer attraktiven Substanz nicht tätig waren", sagte Rolf Krebs, stellvertretender Sprecher der Unternehmensleitung. In Testphase I und IIa befinden sich derzeit Substanzen aus den unterschiedlichsten Indikationen: Depression, Tumoren, Morbus Alzheimer, Hypercholesterinämie, tiefe Venenthrombose, COPD (chronisch obstructive pulmonal disease), Asthma, Schlaganfall, Migräne, rheumatische Erkrankungen, Morbus Crohn, Psoriasis, Harninkontinenz und HIV-Infektionen.
Motor des Erfolges sind Innovationen
Der Anteil "neuer" Präparate (erst seit weniger als fünf Jahren im Markt) ist bei Boehringer Ingelheim im letzten Jahr auf 22% gestiegen und soll im laufenden Geschäftsjahr auf 30% ausgeweitet werden. Zur optimalen Vermarktung des Produktnachschubes wird auch in Zukunft auf zwei Standbeine gesetzt: auf Kooperation und Lizenznahme. Eigene Entwicklungen sollen dabei den "eingekauften" keinesfalls vorgezogen werden. Dafür sorgt die zentrale Abteilung für Forschung und Entwicklung, die strategisch ins Zentrum des Unternehmens gerückt wurde.
Schon jetzt sind unter den zehn umsatzstärksten Präparaten im Konzern fünf Neueinführungen: Combivent (Atrovent in Kombination mit Salbutamol), das Antiallergikum Alesion, das HIV-Mittel Viramune, Flomax/Alna, ein Mittel bei benigner Prostatahyperplasie und das Antirheumatikum Mobic. Weitere erfolgversprechende Markteinführungen der letzten Monate sind das Parkinson-Medikament Sifrol, das Hochdrucktherapeutikum Micardis sowie Aggrenox zur Prophylaxe des sekundären Schlaganfalls. Ein gentechnisches Präparat ist TNK-tPA, die Weiterentwicklung von Actilyse (der thrombolytischen Substanz t-PA), die stärker wirkt und daher nicht als Infusion, sondern als Bolusinjektion gegeben werden kann. Damit steht auch dem niedergelassenen Arzt ein Medikament zur Thrombenauflösung zur Verfügung, das bei Herzinfarktpatienten schon vor dem Abtransport in die Klinik gegeben werden kann, um das therapeutische Fenster besser auszunützen.
Deutschland und Europa im Hintertreffen
Wieder einmal haben die USA bei dem Geschäftsergebnis die Führungsrolle gespielt. Mit einem Plus von 18,6% über Vorjahr auf 3,3 Mrd. DM sind die USA die Lokomotive des Unternehmensverbandes gewesen. 44% des Umsatzwachstums stammen 1999 aus dem Land der "unbegrenzten Möglichkeiten". Die Nachbarländer Kanada und Mexiko profitierten deutlich vom NAFTA-Verband, in diesen Ländern konnten die Umsätze um 22% bzw. 13% verbessert werden.
Erfreulich war auch die Geschäftsentwicklung im Bereich Triple A (Asien, Afrika, Australien-Ozeanien), in der besonders Japan zum Wachstum um 18% gegenüber 16% in 1998 beitrug. Zum Ausbau des Selbstmedikationsgeschäftes in diesem Land erhöhte Boehringer Ingelheim seinen Anteil an der japanischen Gesellschaft SS Pharmaceuticals auf 36%.
Demgegenüber stiegen die Umsätze in Europa nur um 10% - im Unternehmensverband unterdurchschnittlich - auf 3,5 Mrd. DM. Damit engte sich das Europageschäft von 37% am Gesamtumsatz in 1998 auf 35% im aktuellen Berichtsjahr ein. Die Wachstumsrate selbst hat sich allerdings erfreulicherweise insbesondere aufgrund der Neueinführungen deutlich gebessert.
Eine verhalten positive Entwicklung zeigte sich nach Jahren nur gedämpften Wachstums auch in Deutschland. Hier wuchsen die Umsätze um 10% auf 1,2 Mrd. DM; knapp 11% Wachstum erreichte das Selbstmedikationsgeschäft. Dies alles wurde mit weniger Personal erwirtschaftet: die Zahl der deutschen Mitarbeiter ging durch Fluktuation und Verkauf des Hydrocerol-Geschäftes um 1% auf 8164 zurück. Allerdings sollen durch die Erweiterung der bestehenden Anlagen zur Produktion von "Industrial Biopharmaceuticals" (Substanzen zum Eigenbedarf und Verkauf an Dritte) in Biberach in den nächsten Jahren zusätzliche 400 Arbeitsplätze entstehen. Das Investitionsvolumen hierfür beträgt ca. 430 Mio. DM.
Ausblick auf 2000
Für die Weltwirtschaft wird insgesamt im aktuellen Geschäftsjahr mit einem Wachstum von 4% gerechnet, was auch dem Euro-Raum Impulse geben dürfte. Diese positive Einschätzung erleichtert den Unternehmen jedoch ihren Existenzkampf nicht: Der Druck auf Innovationen und Kostendisziplin bleibt weiterhin hoch.
Boehringer Ingelheim hofft, das gute Betriebsergebnis des vergangenen Jahres wenigstens wieder zu erreichen. Ein Übertreffen wird durch verschiedene Faktoren unwahrscheinlich: Zwar zeigte sich im 1. Quartal ein Zuwachs von 14%, doch beruht dieser wohl auf dem Millennium-Effekt, der überbordenden Bevorratung im Dezember 1999.
Zum Zweiten bleibt das Währungsrisiko hoch. Die Steuerreform, die in Deutschland angekündigt wird, ist noch nicht verabschiedet, und es können sich wieder Tendenzen durchsetzen, die für die Unternehmen nachteilig sind. Allerdings ließ auch Johann in seiner Rede eine gewisse Anerkennung für die Bundesregierung dafür anklingen, die drängenden Reformen nun endlich wenigstens in Gang gebracht zu haben.
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