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Die Seite 3
Herzstück der Gesundheitsreform 2000 ist die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, Modelle zur integrierten Versorgung zu entwickeln. Integrierte Versorgung bedeutet dabei nichts anderes, als ein wenig das US-amerikanische System von Managed Care zu erproben. Von einem System, das in den USA dazu geführt hat, dass dieses Gesundheitswesen zu den teuersten der Welt gehört, erhofft sich unser Gesundheitsministerium Qualitätsverbesserungen und vor allem Kosteneinsparungen. Bei der integrierten Versorgung sollen sich bekanntlich Ärzte verschiedenster Fachdisziplinen, Kliniker, Therapeuten aus anderen Bereichen, Pflegedienste und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen in einem Netz zusammenschließen. Ambulante und stationäre Therapie soll stärker verzahnt werden, Hausärzte sollen die Patienten einfacher an Fachkollegen im Netz weiterleiten, Doppeluntersuchungen und unnötige Klinikeinweisungen sollen vermieden werden. Für die Patienten soll dies Vorteile haben z. B. in Form von längeren Praxisöffnungszeiten oder günstigeren Beiträgen, für die Ärzte soll ein größerer Honorartopf herausspringen. Wieviele Netze bzw. Netzversuche es bereits gibt, kann heute keiner verbindlich sagen. Ob es gar schon ein richtig funktionierendes Netz im Sinne der Gesundheitsreform 2000 gibt, wage ich zu bezweifeln – man hätte davon als Vorzeigenetz gehört.
Die Apotheke ist im Gesetz für die integrierte Versorgung nicht vorgesehen. Das macht unsere Standesführung unsicher. Die Angst geht um, dass Apotheker bald nicht mehr gebraucht werden könnten, dass sich über die Netzbildung Strukturen entwickeln, die die Apotheke so, wie sie heute ist, in Frage stellen. Seit dem beschäftigte sich Eschborn geradezu fieberhaft damit, wie man sich den Netzen anbieten könnte, was die Apotheker alles ins Netz einbringen könnten, wie viel sie doch für die Netze tun könnten. Da ist von Arzneimittelkommissionen die Rede, die von den Apotheken geleitet werden könnten, von Bewertungen der Arzneimittelinnovationen und der Generika und sogar von der Übernahme der ökonomischen Verordnungskontrolle und Beratung bei Budgetproblemen. Auf Informationsveranstaltungen der ABDA wurde noch im vergangenen Jahr die Parole ausgegeben "rein ins Netz", wer nicht drin ist oder mitmacht, kann gleich einpacken. Im Januar diesen Jahres auf einer berufspolitischen Veranstaltung in Davos dann ganz andere Töne von der Abteilung Wirtschaft und Soziales und vom Deutschen Apothekerverband: Apotheken sollten sich genau überlegen, ob sie bei einem Netz mitmachen, man dürfe sich nicht einbilden, etwa zum Hofapotheker des Netzes zu werden, im Gegenteil, man solle sich gut überlegen, ob man den Ärzten sparen helfen könne, wenn man dabei selbst nicht profitiere.
Meran 2000, der Präsident der Bundesapothekerkammer in seiner berufspolitischen Rede zum Meraner Fortbildungskongress: Man müsse die Risiken des Netzes sehen, "gleichwohl bieten diese Strukturen für die Apotheker auch die Chance, ihr in den letzten Jahren erweitertes und verbessertes pharmazeutisches Leistungsangebot besser einbringen zu können...". Schmall bestätigte auf der Pressekonferenz in Meran: intern wird noch eine Diskussion geführt, welche Meinung man nun dazu einnehmen könne.
Also: für mich sieht das nach Eiertanz aus. Zuerst zwei Schritte vor, aus Angst, nicht dabei zu sein, jetzt einen Schritt zurück, weil man merkt, im Prinzip geht es dem Ministerium, den Kassen und den Ärzten letztendlich doch nur um das eine: cash.
Nicht zuletzt nach dem jüngsten Streit zwischen den Betriebskrankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung um einen Entwurf zur integrierten Versorgung stellt sich für mich die Frage, ob wir in Deutschland überhaupt ein funktionierendes Netz mit den idealistischen angedachten Strukturen einer integrierten Versorgung, entstanden aus der Selbstverwaltung, bekommen. Auf einer kürzlich stattgefundenen Veranstaltung zur integrierten Versorgung fiel das Beispiel: Wenn sich 10 Tante-Emma-Läden zusammenschließen, entsteht daraus ein großer Tante-Emma-Laden, aber noch lang kein Supermarkt, und wenn sich zehn Ärzte zusammentun, geht daraus noch lang kein Praxisnetz hervor... Ich denke, wir können uns den Eiertanz sparen.
Peter Ditzel
Eiertanz ums Netz
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