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Drug Design: Paullone gegen Krebs und Alzheimer

Im Rahmen des Pharmazeutisch-Lebensmittelchemischen Kolloquiums in Münster hielt Dr. Conrad Kunick, Hamburg, am 11. Juli 2000 einen Vortrag über "Paullone - Inhibitoren Cyclin-abhängiger Kinasen und ihre Bedeutung für die Wirkstoffentwicklung".

Regulierung des Zellzyklus durch CDK

Cyclin-abhängige Kinasen (CDKs) sind eine Familie Phosphatgruppen-übertragender Enzyme, die an Cycline gebunden sind und im Komplex mit diesen Proteinen den Zellzyklus regulieren. Verschiedene Kombinationen bestimmter CDKs und bestimmter Cycline steuern den Übergang von einer Phase des Zellzyklus in die folgende. Die Aktivität der CDK-Cyclin-Komplexe wird zusätzlich durch stimulierende oder inhibitorische Proteine kontrolliert. Bei vielen Tumorerkrankungen werden regulative Störungen gefunden, die zu einer Überaktivität von CDKs führen. So treten Defekte des CDK-inhibitorischen Proteins p16 häufig bei akuten lymphatischen Leukämien und bei Pankreaskarzinomen auf.

CDK-Inhibitoren als Krebstherapeutika

Ausgehend von der Überlegung, dass synthetische CDK-Inhibitoren als Krebstherapeutika eingesetzt werden könnten, wurden bereits etliche CDK-inhibitorische Stoffklassen entwickelt. Von diesen ist das Flavopiridol bisher am weitesten auf dem Weg zur Zulassung als Antitumorwirkstoff fortgeschritten. Derzeit wird Flavopiridol in mehreren klinischen Studien der Phase II an Patienten mit Prostatakarzinom, Non-Hodgkin-Lymphom und anderen Krebserkrankungen geprüft. Im In-vitro-Testsystem des amerikanischen National Cancer Institute (NCI) zeigt Flavopiridol starke Antitumorwirkung an 60 humanen Tumorzelllinien. Mit Hilfe dieses Anti-Cancer Drug Screens (ADS) konnte für Flavopiridol ein Selektivitätsprofil aufgestellt werden, das seinen unterschiedlichen Wirkungen an den verschiedenen Zelllinien Rechnung trägt. Das Selektivitätsprofil wurde computergestützt mit circa 70000 Profilen anderer Substanzen verglichen, die beim NCI gespeichert sind. Dabei fiel die Substanz NSC 664704 (Kenpaullon) auf. Dieses 7,12-Dihydroindolo[3,2-d][1]benzazepin-6(5H)-on aus der Arbeitsgruppe von Dr.Kunick wurde anschließend durch gezielte Strukturabwandlung zum Alsterpaullon weiterentwikkelt. Alsterpaullon zeigt - im Gegensatz zur Muttersubstanz - Antitumor-Wirkung im submikromolaren Bereich und gilt beim NCI als aussichtsreicher Kandidat für ein neues Krebsmittel; es wird zurzeit in präklinischen Studien getestet.

Indikation bei Alzheimer?

Die Entwicklung des Alsterpaullons zeigt, wie die gezielte Kombination von Datenbankanalysen mit der durchdachten chemischen Abwandlung von Leitstrukturen zu neuen Arzneistoffkandidaten führen kann. Außer als Krebstherapeutika könnten CDK-Inhibitoren auch für eine Anwendung bei Morbus Alzheimer interessant werden; zum Beispiel CDK5 spielt bei der Hyperphosphorylierung des tau-Proteins eine Rolle, das bei den Patienten als intrazelluläre Ablagerung in den Neuronen gefunden wird.

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