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Galenik
T. Müller-BohnRezeptur und Defektur: Was kann die A
Europarecht ist entscheidend
Oft unterschätzt wird der erhebliche Einfluss des Europarechts auf die Arbeit der deutschen Apotheken. So ist derzeit die Europäische Kommission DG III für die Kontrolle der Arzneimittelherstellung in der Europäischen Union zuständig. Die europäischen Institutionen beschäftigen sich mittlerweile auch mit der Preisbildung für Arzneimittel und arbeiten an Qualitätsstandards für die Arbeit der Apotheken, insbesondere bei der Arzneimittelherstellung.
Der Geltungsanspruch des europäischen Rechtes für den Rezepturbereich wurde erstmals 1989 festgeschrieben. Die Rezeptur ist von speziellen Vorschriften für die industrielle Herstellung ausgenommen, aber die grundsätzlichen Qualitätserfordernisse der GMP-Regeln gelten allgemein. Doch liegt die Umsetzung der GMP-Regeln für deutsche Apotheken bei den Pharmazieräten, sodass unterschiedliche Auslegungen möglich sind.
Strengere Regelungen auch für Kosmetika
Bei der Herstellung von Kosmetika hat das Europarecht durch die 6. Änderung der EU-Kosmetik-Richtlinien zu Vorschriften geführt, die in vieler Hinsicht den Bedingungen für die Arzneimittelherstellung ähneln.
Es sind de facto die GMP-Regeln zu beachten. Produktzusammensetzung, Spezifikation, Herstellungsweise und Sicherheitsbewertung müssen zusammengestellt werden. Vor dem Inverkehrbringen eines Kosmetikums in Eigenaufmachung ist eine Anmeldung erforderlich, die sich möglichst auf eine kosmetische Rahmenrezeptur beziehen sollte. Im Unterschied zu Arzneimitteln reichen für einen "Wirkungsnachweis" plausible Aktenbelege. Klinische Studien sind nicht erforderlich. Doch wird damit den Kosmetika eine Wirkung zugestanden, die dementsprechend beworben werden darf.
Qualitätsstandards werden immer wichtiger
Was die Qualitätsanforderungen betrifft, so können für Individualrezepturen nicht grundsätzlich andere Standards als für Fertigarzneimittel gelten. So wie der Arzt für die therapeutische Qualität der verschriebenen Präparate verantwortlich ist, steht der Apotheker für deren pharmazeutische Qualität ein. Der erhebliche Freiraum, der dem Apotheker hierbei bleibt, wird durch Regeln zur Qualitätssicherung inhaltlich ausgefüllt.
Die Rezeptur sollte so aufgewertet werden, dass sie ein wichtiges Standbein des Apothekenbetriebes wird oder bleibt. Dies ist erforderlich, um den gesetzlichen Auftrag zur Arzneimittelversorgung ganzheitlich zu erfüllen.
Die Defektur entscheidet über die Rentabilität der gesamten Herstellung. Daher wird an der Entwicklung des DAC und des NRF gearbeitet.
Hilfe durch QMS
Die Regelung von Arbeitsabläufen im Rahmen von Prozessen stellt eine Umsetzung von Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung dar. Damit ist das QMS kein Widerspruch, sondern eine notwendige Ergänzung zu den rechtlichen Vorgaben. Moderne Rezepturhilfsmittel wie der Unguator erfordern Validierungsmaßnahmen, da im Allgemeinen kein Kontakt zum Endprodukt mehr besteht und die klassische Sichtkontrolle entfällt. Im Vergleich zur Rezeptur erlaubt die Defektur, noch mehr Prozessparameter festzulegen bzw. zu überprüfen.
Wie führt man ein QMS ein?
Zur Einführung von QMS in den Apotheken empfiehlt sich zunächst eine Selbstevaluierung. Die Apotheke sollte prüfen, wie gut sie ist. In die Formulierung von Prozessen müssen die gesetzlichen Vorgaben, die Erwartungen der Kunden und die Zielvereinbarungen zwischen Apothekenleitung und Mitarbeitern eingehen. Zuständigkeiten einschließlich Vertretungen und Arbeitsabläufen müssen festgelegt werden und nachvollziehbar sein. Zur Qualitätssicherung gehören außerdem Prüfung, Dokumentation und Erfolgskontrolle.
Standardisierung schafft Qualität
Wenn die Arbeitsabläufe in der Apotheke geregelt sind, drängt sich der Gedanke an standardisierte Rezepturen auf. Um das Angebot codifizierter Rezepturen zu erhöhen, wurden und werden zahlreiche Vorschriften aus dem SR 90 der neuen Bundesländer in das NRF (Neues Rezeptur-Formularium) übernommen und dabei teilweise überarbeitet. Weitere Hilfen soll der Serviceteil des NRF bieten, beispielsweise die Liste der oberen Richtkonzentrationen, die nicht mit Höchstkonzentrationen verwechselt werden dürfen. Doch sollte beim Überschreiten dieser Konzentrationen eine besondere Kontrolle in den Apotheken erfolgen.
Weitere Aspekte der Standardisierung sind Angaben zur Arbeitsweise, z. B. zur Reihenfolge der Einarbeitung von Rezepturbestandteilen, sowie zu pH-Optima, Inkompatibilitäten und zur Haltbarkeit. Kosmetische Produkte stellen keine annehmbare Alternative zu den codifizierten Salbengrundlagen dar, da sich deren Qualität nicht nach den Regeln des AMG richtet. Bedauerlicherweise kommen solche Verordnungen in der Praxis zunehmend vor.
Leitlinie der GD
Eine weitere Hilfestellung für die Praxis bildet die Leitlinie der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) zur Dermatikaherstellung. Hier wird auch der Arzt in die pharmazeutische Qualität eingebunden. Doch müssten diese Regelungen noch bei den Dermatologen allgemein bekannt gemacht werden.
Konservierung als Normalfall
Besondere Bedeutung hat der Konsens zur Konservierung, der mit den Ärztevertretern in dieser Leitlinie erzielt wurde. Demnach sollte stets konserviert werden, sofern nicht der ausdrückliche Wunsch des Arztes im Einzelfall dagegen steht. Die Wahl des Konservierungsmittels sollte der Apotheke überlassen bleiben, die dies deklarieren muss.
Die Apotheken sollten sich auf wenige Konservierungsmittel beschränken. Benzoe- und Sorbinsäure wirken nur im sauren Milieu. Ihre Natrium- und Kaliumsalze sind praktikabler einzusetzen, da sie besser löslich sind, aber sie führen zu hohen pH-Werten. Daher bietet sich an, die pH-Werte durch Zugabe von Citronensäure wieder zu senken.
Nicht alle Probleme individueller Rezepturen können durch Standardisierungen angegangen werden. Demnach werden weiterhin Analogieschlüsse nötig sein, um Erfahrungen mit einzelnen Zubereitungen auf andere Fälle zu übertragen.
Qualität der Ausgangsstoffe
Zur Qualität von Rezepturen gehört neben der Arbeit in der Apotheke die Qualität der Ausgangsstoffe, doch werden etwa 80% der Wirkstoffe für Generika nicht in der EU hergestellt. Insbesondere China und Indien sind typische Herstellerländer. Die EU-Vorschriften greifen dort nicht, doch die GMP-Regeln gelten im Prinzip international.
Angesichts der vielen Handelsstufen über Hersteller und zumeist mehrere international tätige Zwischenhändler ist die Herkunft der Stoffe allerdings oft nicht nachvollziehbar.
Bei Substanzen, deren Patentschutz abgelaufen ist, kommen zudem mitunter verschiedene Synthesewege zum Einsatz. Wenn sich die gängigen Prüfungen aufgrund der Arzneibuchmonographien aber nur auf die Synthesen des Originalherstellers beziehen, wird nach den möglichen Verunreinigungen bei anderen Herstellungsverfahren gar nicht gesucht.
Unübersichtlicher Hilfsstoffmarkt
Viele Hilfsstoffe werden großtechnisch hergestellt. Da sie häufig auch zu technischen Zwecken eingesetzt werden und nur ein kleiner Teil der Produktionschargen pharmazeutisch zum Einsatz kommt, richten sich die Produktionsanforderungen oft nach den Regelungen für technische Zwecke. Teure chargenbezogene Vollanalysen sind daher unüblich.
Zudem erschwert auch hier der Vertrieb über viele Zwischenhändler die Qualitätssicherung. Dabei muss der Qualitätsnachweis vom Händler erbracht werden, d. h. der Händler muss das Zertifikat ausstellen, obwohl er selbst nicht unbedingt die volle Information über die vorherigen Handelsstufen haben kann.
Angesichts dieser Schwierigkeiten sind für Hilfsstoffe im pharmazeutischen Einsatz die gleichen GMP-Regeln wie für Wirkstoffe zu fordern. In den USA gilt dies bereits seit etwa zehn Jahren, für die EU ist dies ab 2003 vorgesehen.
Anforderungen an Zertifikate
Vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz von Siegelware unangemessen. Vielmehr gilt es, die vorliegenden Prüfzertifikate kritisch zu bewerten. Aus den Zertifikaten muss stets ersichtlich werden, welche Qualifikation der Ersteller besitzt. Das Zertifikat muss sich auf anerkannte pharmazeutische Regeln beziehen und alle Vorschriften der jeweils gültigen Monographien beachten. Zudem muss erkennbar sein, dass alle Prüfungen von der Institution des Erstellers vorgenommen wurden, da anderenfalls der Ersteller hierüber nichts aussagen kann.
In Zweifelsfällen sollten bei den Lieferanten schriftliche Bestätigungen zu diesen Fragen eingeholt werden, die bei einer Revision vorgelegt werden könnten. Denn letztlich haftet die Apotheke für die Qualität der Substanzen.
Die wichtigsten Inhalte in Kürze
- Das Europarecht hat wesentlichen Einfluss auf die Arzneimittelherstellung in Apotheken.
- Die Herstellung von Kosmetika ist ähnlich streng geregelt wie die Arzneimittelherstellung.
- Das flächendeckende Angebot von Rezepturarzneimitteln gehört untrennbar zum Versorgungsauftrag der Apotheken.
- Qualitätsstandards der ABDA werden die praktische Arbeit in den Apotheken wesentlich beeinflussen, auch im Bereich der Rezeptur.
- Ein QMS bietet vielfältige Hilfen zur Qualitätsverbesserung in der Rezeptur. Dabei geht es um die Produkt- und die Dienstleistungsqualität.
- Codifizierte Rezepturen bieten Qualitätsvorteile gegenüber individuellen Konzepten.
- Die Leitlinie zur Dermatikaherstellung kann die Zusammenarbeit mit Ärzten verbessern.
- Dermatika sollten in der Rezeptur stets konserviert werden, sofern nicht der ausdrückliche Wunsch des Verordners dagegen steht.
- Prüfzertifikate sollten kritisch hinterfragt werden.
Stellenwert der Rezeptur
Die Rezeptur hat für den Durchschnitt der Apotheken nur eine geringe quantitative Bedeutung, da nur etwa 1 bis 1,5% aller abgegebenen Arzneimittel in der Apotheke hergestellt werden. Dies sind insgesamt aber immerhin etwa 25 Millionen Rezepturen pro Jahr.
Diese Rezepturen bieten große Vorteile durch die individuelle Dosierung, die variable Handhabung der Konservierung und den psychologischen Effekt einer individuellen Anfertigung. Sie sind besonders wichtig in der Dermatologie, der Pädiatrie und der Onkologie, zunehmend auch für die Herstellung enteraler und parenteraler Ernährung.
Der Vergleich mit der industriellen Arzneimittelherstellung und die strengen rechtlichen Anforderungen bilden hohe Messlatten für Rezeptur und Defektur in der Apotheke. Dennoch bleibt die klassische Herstellung in der Apotheke unverzichtbar. Bei der Einhaltung der strengen Vorgaben kann ein QMS helfen.
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