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Pieck vor dem Hamburger Apothekerverein: Rechtliche und politische Gefahren für
Hinsichtlich des Problemkreises Fremd- und Mehrbesitzverbot zeigte sich Pieck zufrieden mit dem Urteil im Stange-Prozess, wenn das Urteil auch gemessen am berufsrechtlichen Schaden eher milde sei. Das Engagement der ABDA in diesem Prozess sei unbedingt erforderlich gewesen. So könne niemand ungestraft das System in Frage stellen, solange es nicht möglicherweise eines Tages vom Gesetzgeber abgeschafft werde.
Die Apotheker müsste sich auf diesem Gebiet nicht um rechtliche Entscheidungen - auch nicht durch den Europäischen Gerichtshof - sorgen. Vielmehr sei die Frage bedeutsam, welchen Weg die europäische Apothekenlandschaft insgesamt gehe. So könne in Norwegen, wo früher ein strenges Konzessionswesen galt, künftig jeder außer der Pharmaindustrie, Ärzten und Vorbestraften eine Apotheke betreiben.
Sorgenvoller Blick nach Dänemark
In Dänemark waren ähnliche Maßnahmen vorgeschlagen worden. Daraufhin habe eine deutsche Großhandlung einen dänischen genossenschaftlichen Großhandel gekauft. Diese und eine weitere deutsche Großhandlung hätten dänischen Apothekern Vorverträge zum Kauf ihrer Apotheken für den Fall einer Systemänderung angeboten. Da die dänischen Konzessionen mit der Pensionierung verfallen, hätten viele Apotheker zugestimmt. So wäre der überwiegende Teil des dänischen Apothekenwesens in deutsche Hände gekommen, was wohl zur Korrektur der politischen Pläne geführt habe.
Politiker als Verbündete?
So könne der Verbündete der Apothekerschaft bei der Verteidigung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes nur die Politik sein. Doch deren Position sei nicht mehr so klar wie noch vor einem Jahr. Pieck nannte Beispiele von Politikern der SPD, Grünen und FDP, die sich in dieser Frage offen für neue Überlegungen gezeigt hätten. Gerade bei der sonst ordnungspolitisch klaren Position der SPD sei dies bemerkenswert. Daher müssten sich die Apothekerinnen und Apotheker stets fragen, ob ihr System kostengünstig arbeite, und die Einmaligkeit ihrer Leistung in der Öffentlichkeit unter Beweis stellen. Die Politik wolle die Umsetzung moderner Instrumente wie Pharmazeutische Betreuung und Qualitätsmanagementsysteme (QMS) in der Praxis erleben.
Immer wieder Versandhandel
Auch der Problemkreis Versandhandel war bzw. ist Gegenstand von Prozessen. Dies betreffe auch einzelne deutsche Apotheker, die in großem Stil Impfstoffe versendeten. Um gegen die Versandbelieferung der Justizvollzugsanstalten vorzugehen, empfehle er - wie schon auf dem Apothekertag - keine Prozesse gegen die Bundesländer, sondern gegen die versendenden Apotheken, die gegen das Versandhandelsverbot verstoßen.
Das Urteil gegen die Internet-Apotheke DocMorris würdigte Pieck als erstaunlich gut begründet. Ebenso erstaunlich sei die umfangreiche Presseerklärung des Gerichtes, das dem Verfahren offenbar eine große Bedeutung beimesse. Doch müsse das Urteil erst nach niederländischem Recht zugestellt werden, um wirksam zu werden. Außerdem biete inzwischen eine zweite niederländische Internet-Apotheke Arzneimittel an.
Hinsichtlich des Versandhandels habe die Apothekerschaft die Presse und die Öffentlichkeit gegen sich. Doch könne er nicht erkennen, warum der Versandhandel mit Arzneimitteln eine zwingende Folge aus den neuen Kommunikationstechniken sein solle. Wenn ein Versand aufgrund einer Internetbestellung erfolgen solle, dann auch nach Bestellung per Telefon, Fax oder Brief. Dies bedeute eine unbedingte Versandfreiheit, obwohl gerade erst vor zwei Jahren in einem breiten Konsens aller Parteien das Versandverbot beschlossen wurde.
Was wollen die Ärzte?
Als weiteren Problemkreis thematisierte Pieck das Dispensierrecht der Ärzte. Der Wettbewerbsprozess gegen den ostwestfälischen Arzt, der Altarzneimittel abgibt, wurde verloren. Doch wurde hier nur ein Wettbewerbsverhältnis zu diesem Arzt verneint. Pieck sieht dagegen durchaus ein Wettbewerbsverhältnis zwischen diesem Arzt und seinen Kollegen, die Verordnungen ausstellen, bei denen in der Apotheke eine Zuzahlung zu leisten ist. Das vorliegende Urteil werde nun als eine Bestätigung für die Praktiken des Arztes ausgelegt, obwohl es dies nicht sei.
In dieser Situation falle auf, dass die Ärztekammern nichts unternähmen. Stattdessen forderten sie das Dispensierrecht. Nach Auffassung von Pieck werde sich die Gesetzeslage in dieser Hinsicht nicht ändern, doch seien durchaus erhebliche Diskussionen zu erwarten.
Apothekengesetz wieder auf der Tagesordnung
Pieck ging auch auf die nun wieder diskutierte Apothekengesetz-Novelle ein. Auch wenn Krankenhausapotheken nur bei der Pflegeheimbelieferung an der ambulanten Versorgung teilnehmen würden, wäre dies "eine Inkonsistenz im System, die das System nicht aushielte". Denn dann würden Krankenhausapotheken in Fremd- und Mehrbesitz und ohne Preisbindung mit öffentlichen Apotheken konkurrieren. Der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft propagierte Wettbewerb zwischen öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken sei angesichts der Preisbindung für die öffentlichen Apotheken undenkbar. Insgesamt stünde die Apothekerschaft vor vielen Problemen, doch sehe er auch gute Chancen, diese "Phase der Irritationen" zu überwinden.
Die derzeit relativ solide Umsatzentwicklung deutscher Apotheken ist für ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Johannes Pieck nicht aussagekräftig für den ökonomischen und gesellschaftlichen Status der Apotheker in Deutschland. Vielmehr gebe es Probleme, die nicht kurzfristig, aber in der nächsten Wahlperiode zu gravierenden gesetzlichen Veränderungen führen könnten. Eine umfassende Analyse aus rechtlicher und politischer Sicht stellte Pieck im Rahmen der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 16. November vor.
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