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Arzneimittel und Therapie
Pädiatrie: Racecadotril bei akuten wässerigen Durchfällen
Durchfälle sind weltweit die führende Ursache für Krankheit und Tod bei Kindern. Viele dieser Todesfälle beruhen auf dem Verlust von Wasser und Elektrolyten durch Malabsorption oder erhöhte Sekretion im Darm. Daher besteht die Behandlung wässeriger Durchfälle bei Kindern hauptsächlich in der Gabe oraler Rehydratations-Lösungen (Glucose-Elektrolyt-Trinklösungen).
Enkephalinase-Inhibitor
An einer Klinik in Lima (Peru) wurde kürzlich untersucht, ob die zusätzliche Behandlung mit Racecadotril (in Frankreich: Tiorfan) bei kleinen Kindern mit akuten wässerigen Durchfällen wirksamer ist als die alleinige orale Rehydratation.
Racecadotril ist ein Hemmstoff der Enkephalinase. Indem Racecadotril die Inaktivierung endogener Enkephaline verhindert, verlängert es ihre physiologische Wirkung. Enkephaline wirken als Neurotransmitter im Magen-Darm-Trakt. Sie aktivieren Delta-Opiatrezeptoren mit der Folge, dass der cAMP-Spiegel sinkt. Hierdurch wird die Sekretion von Wasser und Elektrolyten im Darmtrakt reduziert, ohne dass die Darm-Motilität beeinflusst wird.
Mehrere Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit
In mehreren Studien an Kindern und Erwachsenen mit akuten wässerigen Durchfällen wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Racecadotril bereits gezeigt. In der peruanischen Studie wurden Säuglinge und Kleinkinder mit schweren wässerigen Durchfällen erfasst. Die Studie beschränkte sich auf Jungen, um eine Kontamination des Stuhls mit Urin weitgehend zu auszuschließen.
Von 1994 bis 1998 wurden 135 Jungen im Alter von 3 bis 35 Monaten in die Studie aufgenommen. Alle waren aufgrund einer starken Austrocknung (Dehydratation) in die Klinik eingewiesen worden. Ihre wässerigen Durchfälle dauerten bereits bis zu fünf Tage. Alle Jungen bekamen nach Bedarf eine orale Glucose-Elektrolyt-Trinklösung sowie randomisiert und doppelblind alle acht Stunden:
- Racecadotril 1,5 mg pro kg Körpergewicht oral oder
- ein Plazebo.
Verum und Plazebo wurden als Saccharose-haltige Pulver mit etwas Wasser verabreicht. Andere Antidiarrhoika, Antibiotika sowie Acetylsalicylsäure durften nicht gegeben werden. Die Behandlung dauerte fünf Tage oder - falls dieses eher eintrat - bis zum Ende der Durchfälle.
Haupt-Zielkriterium war die Stuhlmenge in den ersten 48 Stunden, weil der Flüssigkeitsverlust und das Risiko der Austrocknung in diesem Zeitraum am größten sind. Außerdem wurden die Gesamt-Stuhlmenge, die Dauer der Durchfälle und der Verbrauch oraler Rehydratationslösungen dokumentiert.
Stuhlmenge vermindert
68 Jungen bekamen Racecadotril, 67 Plazebo. 23 - neun mit Racecadotril und 14 mit Plazebo - brachen die Studie vorzeitig ab, davon drei - einer mit Racecadotril und zwei mit Plazebo - aufgrund von Nebenwirkungen.
In der Racecadotril-Gruppe war die mittlere 48-Stunden-Stuhlmenge um 46% reduziert: Sie betrug 92 g/kg Körpergewicht gegenüber 170 g/kg Körpergewicht mit Plazebo.
Bei 73 Jungen - 34 mit Racecadotril und 39 mit Plazebo - waren zu Beginn Rotaviren im Stuhl nachgewiesen worden. Sie schieden in den ersten 48 Stunden größere Stuhlmengen aus als Jungen ohne Rotaviren im Stuhl: 105 g/kg beziehungsweise 195 g/kg. Die 48-Stunden-Stuhlmenge war also in dieser Untergruppe mit Racecadotril ebenfalls um 46% reduziert.
Racecadotril senkte die Gesamtstuhlmenge um 53% (in der Rotavirus-Subgruppe um 56%). Die Durchfälle dauerten mit Racecadotril unabhängig vom Rotavirus-Status 28 Stunden, mit Plazebo 72 Stunden (bei Rotavirus-positiven Jungen) beziehungsweise 52 Stunden (bei Rotavirus-negativen Jungen). Nach fünf Tagen waren 84% der mit Racecadotril behandelten und 66% der mit Plazebo behandelten Jungen durchfallfrei. In der Racecadotril-Gruppe wurde signifikant weniger orale Glucose-Elektrolyt-Lösung verbraucht.
Gut verträglich
Das neue Antidiarrhoikum wurde gut vertragen. Lediglich bei sieben Patienten kam es zu leichten, vorübergehenden Nebenwirkungen. Bei zwei dieser Patienten blieb eine bereits zu Beginn bestehende Hypokaliämie während der Behandlung bestehen. Erbrechen war in beiden Behandlungsgruppen gleich häufig (51% beziehungsweise 52%).
Racecadotril eignet sich also zur stationären Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern mit akuten wässerigen Durchfällen. Die Studie belegt die Wirksamkeit zunächst nur für Jungen, doch ist nicht zu erwarten, dass Mädchen anders auf die Substanz ansprechen. Die Wirksamkeit erstreckt sich sowohl auf Durchfälle durch Rotaviren als auch auf Durchfälle durch bakterielle Erreger.
Literatur: Salazar-Lindo, E., et al.: Racecadotril in the treatment of acute watery diarrhea in children. N. Engl. J. Med. 343, 463-467 (2000).
Racecadotril ist ein Durchfallmittel, das die Hypersekretion im Darm verringert. Die Substanz wirkt über eine Hemmung der Enkephalinase. Indem Racecadotril die Inaktivierung endogener Enkephaline verhindert, verlängert es ihre physiologische Wirkung. An einer Klinik in Lima (Peru) wurde kürzlich untersucht, ob die zusätzliche Behandlung mit Racecadotril (in Frankreich: Tiorfan) bei kleinen Kindern mit akuten wässerigen Durchfällen wirksamer ist als die alleinige orale Rehydratation.
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