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Arzneimittel und Therapie
Atemwegserkrankungen: Monoklonaler Antikörper bei allergischem Asthma
Atopische Erkrankungen sind in den Industrieländern praktisch zu einer Volksseuche geworden. Allein das allergische Asthma hat eine Prävalenz von 5 bis 7% in der Bevölkerung, Tendenz steigend. Bisher war es nur möglich, dieser Entwicklung mit einem recht beschränkten Arsenal von Wirkstoffen entgegenzutreten. Dazu zählten die sogenannten "Reliever", wie Beta-2-Mimetika und Theophyllin, und die "Controller", antiinflammatorisch wirksame Substanzen wie Glucocorticoide, Cromoglycinsäure und Antileukotriene. Die Hyposensibilisierung tritt demgegenüber in den Hintergrund, da sie höchstens bei ein bis drei Allergenen wirksam ist, die meisten Patienten jedoch gegen eine Vielzahl verschiedener Auslöser sensibilisiert sind.
Detektivische Suche und biochemische Tricks
Bei der Grundlagenforschung des allergischen Geschehens erkannte man, dass sich – unabhängig vom Auslöser – ein immer gleiches Bild im Ablauf der Reaktion bot. Dringt ein körperfremder Stoff in den Organismus ein, wird er zunächst von Fresszellen verschlungen und fragmentiert. Die Fragmente werden auf der Oberfläche dieser so genannten APC (Antigen presenting cell) in Verbindung mit bestimmten Proteinen den T-Helferzellen "präsentiert". Erkennt die T Helferzelle das präsentierte Fragment als fremd, gibt sie durch Absonderung von Leukotrienen an Plasma-B-Zellen den Befehl zur Produktion von Immunglobulin E (IgE). Dieses Y-förmige Immunglobulin dockt an spezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche von Mastzellen an. Kommt eine solchermaßen präparierte Mastzelle in Kontakt mit den Antigen-Fragmenten, ergibt sich zwischen den Armen der oberflächengebundenen IgE-Moleküle eine Überbrückung ("bridging"), was die Produktion und Freisetzung einer Vielzahl von Entzündungsmediatoren auslöst.
IgE als therapeutischer Angriffspunkt
IgE spielt also eine Schlüsselrolle bei der allergischen Früh- wie bei der Spätreaktion und bietet sich daher als Angriffspunkt für ein neues Therapiekonzept an. Bei der molekularen Aufklärung der Immunmechanismen fand man heraus, dass die IgE-Antikörper immer an der gleichen Stelle (etwa in der Mitte des Y-Stammes) mit dem Mastzell-Rezeptor interagieren. So kam es folgerichtig zur Entwicklung eines Anti-Antikörpers, der hochspezifisch diese Stelle besetzt und so die Bindung an die Mastzelle verhindert.
Da die Bindungsstelle im unveränderlichen Teil der IgE-Struktur liegt, ist der neu entwickelte Antikörper gegen alle Subtypen der IgE-Gruppe wirksam: Immer lagern sich die Immunglobulin-Antikörper-Komplexe zu Hexameren zusammen, die renal ausgeschieden werden. Der Blutspiegel von IgE sinkt praktisch unter die Nachweisgrenze, Ablagerungen in Gelenken, Darm oder Nieren gibt es nicht.
Humanisierte Antikörper
Die ersten Anti-IgE-Antikörper waren in Mäusen entwickelt worden. Um sie für die Anwendung am Menschen geeignet zu machen, mussten sie zunächst "humanisiert" werden. Über das Zwischenprodukt einer Chimäre gelangte man zu dem heute in den Phase III verwendeten Produkt des "recombinant human Monoklonal Antibody E25" (rhuMAb-E25). Er enthält lediglich in den äußersten Spitzen seiner Y-Arme noch Mäuse-Protein. Dieser Anteil ist mit 5% so klein, dass er keine anaphylaktischen Reaktionen mehr auslösen kann.
Vielversprechende klinische Studien
Bisher sind etwa 2000 Personen in internationalen plazebokontrollierten multizentrischen klinischen Studien mit rhuMAb-E25 behandelt worden. Dabei zeigte sich eine deutliche Senkung der IgE-Titer und eine starke Abschwächung der allergischen Früh- und Spätreaktion. Die Allergie- und Asthmasymptomatik verminderte sich erheblich; große Mengen der sonst üblichen Medikamente konnten eingespart werden.
Bei einer Untersuchung an 317 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Asthma verbesserte sich die Lungenfunktion erheblich, und der Verbrauch an inhalativen wie oralen Glucocorticoiden sank dabei um bis zu 50%. Darüber verringerten sich die Asthma-Exazerbationen. Ähnlich positiv waren die Ergebnisse einer Studie mit Heuschnupfen-Patienten. Nach der Behandlung mit rhuMAb-E25 gaben die Patienten eine signifikante Reduktion der nasalen Symptome an, und der Bedarf an Begleitmedikation nahm deutlich ab. Da die Wirkung von rhuMAb-E25 abhängig von der Dosis und diese vom vorhandenen IgE-Antikörpertiter ist, muss jeder Behandlung eine Bestimmung dieses Titers vorausgehen. Abhängig vom Ergebnis und dem Körpergewicht des Patienten ergibt sich dann die erforderliche Dosierung.
Die Applikation muss subkutan erfolgen. In der Regel sind eine bis zwei Dosen pro Monat ausreichend, um den IgE-Spiegel auf Normalniveau zu drücken und den Patienten fast völlig von den Symptomen seiner Allergie zu befreien. Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bis heute nicht aufgetreten. Vielfach kommt es lediglich an der Injektionsstelle zu einer Lokalreaktion. Nebenwirkungen wie Kopfschmerz, Übelkeit oder ähnliches lagen durchweg auf Plazeboniveau.
Da die IgE-Antikörper bei der Abwehr parasitärer Erkrankungen eine Rolle spielen, bestand der Verdacht, dass die Infektionsanfälligkeit gegen sie unter rhu-MAb-E25 zunehmen könnte. Bisher hat sich diese Vermutung nicht bestätigt; dennoch wird man wohl zum Absetzen des Produktes raten, wenn Fernreisen in die dritte Welt in Form eines Rucksacktourismus geplant sind.
Therapeutische Ausblicke
Mit rhuMAb-E25 wurde bisher vor allem im Bereich des allergischen Asthmas und des Heuschnupfens geforscht. Allerdings könnte der monoklonale Antikörper auch bei anderen IgE-vermittelten allergischen Krankheitsbildern wirken. So soll demnächst auch eine Studie an Patienten mit atopischer Dermatitis (Neurodermitis) initiiert werden. Derzeit scheint rhuMAb-E25 viele Vorteile bei der Allergiebehandlung aufzuweisen: Die IgE-Reduktion ist von Art und Ausmaß der allergischen Sensibilisierung unabhängig – ein deutlicher Vorsprung vor der Hyposensibilisierung.
Die Therapie ist mit allen heute bekannten antiallergischen und antiasthmatischen Medikationen kombinierbar. Die langen Dosierungsintervalle von 2 bis 4 Wochen vereinfachen die Therapie und fördern die Compliance. Das Nebenwirkungspotential ist auch in der Dauertherapie sehr niedrig, durch die "Humanisierung" des Antikörpers kann es auch nicht zu Immunreaktionen kommen. Die einfache Therapie lässt die arztgeführte Selbstbehandlung ähnlich der Insulintherapie möglich erscheinen.
Quelle: Prof. Dr. med. Stefan Zielen, Zentrum f. Kinderheilkunde der Universität Bonn; Prof. Dr. med. Klaus F. Rabe, M.D., Ph.D., Department of Pneumology, Leiden University Medical Center, The Netherlands; Prof. Dr. med. Ulrich Wahn, Universitätsklinikum – Medizinische Fakultät der Universitätsklinik Berlin; Prof. Dr. med. Roland Buhl, III. Medizinische Klinik, Johannes Gutenberg- Universität Mainz; Pressekonferenz, Frankfurt/Main,18. Januar 2000, veranstaltet von der Novartis AG.
Mit der Entwicklung des monoklonalen Anti-IgE-Antikörpers rhuMAb-E25 scheint sich ein neuer Weg der Behandlung des allergischen Asthmas aufzutun – spezifischer, wirksamer und anscheinend ohne störende Begleiterscheinungen. Der neue Antikörper soll Mitte nächsten Jahres eingeführt werden. Die zusätzliche Gabe dieses Antikörpers besserte in einer Studie mit 317 Patienten gegenüber der bisher üblichen Asthmatherapie die Symptomatik und erlaubte in machen Fällen eine Reduktion oder gar ein Absetzen der oralen bzw. inhalativen Glucocorticoide.
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