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Schaich-Walch: Apotheker in die Netze! (DAZ-Interview)
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Frau Schaich-Walch, bei der Eröffnung des letzten Deutschen Apothekertags fehlten Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD oder Bündnisgrünen. Ist das ein Zeichen für Funkstille mit der Apothekerschaft?
Schaich-Walch:
Nein, wir waren zwar ein wenig enttäuscht über manche Äußerungen aus der Apothekerschaft während der Reformdiskussion, aber das führt in keinem Fall dazu, dass wir an einer solchen Veranstaltung nicht teilnehmen. Die Apotheker haben recht unglücklich eine Sitzungswoche des Deutschen Bundestags gewählt. Der zweite Grund ist der, dass wir in der Endphase mit der Gesundheitsreform 2000 lagen. Ich war zu dem Zeitpunkt in der ständigen Abstimmung mit den Bundesländern, der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Fraktion sowie dem Bundesgesundheitsministerium. Ich würde mir wünschen, dass das nächste Mal nicht wieder ein Termin in der Sitzungswoche gewählt wird.
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Sie haben das große Stichwort des vergangenen Jahres, die Reform 2000 erwähnt. Stellen wir dieses Thema kurz zurück und kommen wir zunächst zu einem anderen, für die Apotheker wichtigen Thema, zu Mifegyne. Hierfür wurde ein Sondervertriebsweg in der neunten Novelle des Arzneimittelgesetzes außerhalb der Apotheken etabliert, was Unruhe hervorrief. Wie steht die SPD-Bundestagsfraktion generell zum jetzigen Vertriebssystem?
Schaich-Walch:
Wir verfolgen im Moment keine Planungen, das Vertriebssystem zu verändern. Mifegyne war für uns eine Ausnahmesituation. Aufgrund der starken gesellschaftlichen Debatte haben wir beschlossen, das Präparat bekommt niemand außer dem Arzt und der Patientin in die Hand, die Abgabe findet ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht statt. Die Apotheker haben uns dann einen Vorschlag ähnlich dem Verfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz gemacht. Diesem sind wir nicht gefolgt, weil wir gerade in der Schmerztherapie ärztlicherseits mit Problemen bei der Ausstellung, Kontrolle und Auslieferung der Rezepte und der Betäubungsmittel konfrontiert werden. Wir wollten auch keine Registrierung der Frauen, die Mifegyne erhalten, an irgendeiner Stelle. Wirtschaftlich gesehen dürfte dieser Bereich für die Apotheken wegen des kleinen Abnehmerkreises von untergeordneter Rolle sein.
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Die Apotheker hatten damals nicht mit dem wirtschaftlichen Potenzial argumentiert, sondern mit dem Sicherheitsargument. In den Apotheken gibt es das sichere, bewährte System, was sich bei den BtM zeigt, sodass Missbrauch ausgeschlossen ist. Jetzt probiert man einen neuen Weg aus.
Schaich-Walch:
Den neuen Weg halte ich für weniger bürokratisch als den nach dem Betäubungsmittelgesetz. Gerade bei den BtM-Rezepten gibt es noch Probleme, die die Verschreibung der Arzneimittel verhindern. Deutschland ist in der Schmerztherapie immer noch nicht auf dem Standard, den viele andere Länder haben. Im übrigen haben wir in das Gesetz aufgenommen, dass wir den Vertriebsweg für Mifegyne nach zwei Jahren überprüfen wollen.
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Zur Rolle der Apotheker im Gesundheitswesen: Wo sehen Sie die und wo sollten Pharmazeuten unter Umständen nachlegen?
Schaich-Walch:
Seit den neun Jahren, die ich im Gesundheitswesen politisch tätig bin, habe ich den Eindruck, dass die Debatte hier nicht voran kommt. Der Apotheker bringt ein unglaubliches Know how mit, aber es wird nicht genügend eingesetzt, um beispielsweise die Compliance des Patienten zu verbessern. Die Beratung, auch im Bereich der Selbstmedikation, könnte meiner Meinung nach noch stärker und besser sein. Zwischen Ärzten und Apothekern sollte, da weitere Reformen im Gesundheitswesen kommen werden, die Diskussion verstärkt werden, mit dem Ziel, die Apotheker im Verordnungsbereich stärker einzubeziehen.
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Die Apotheker haben in den vergangenen Jahren Konzepte entwickelt, Stichwort pharmazeutische Betreuung. Eine andere Schiene sind Arzt- Apotheker-Kreise. Sehen Sie hier einen richtigen Weg?
Schaich-Walch:
Wie ich gerade sagte, sehe ich diesen Weg schon länger, aber noch nicht die Umsetzung in der einzelnen Apotheke. Wir waren bei der Reformdiskussion sehr offen und haben über die Abgabe von wirkstoffgleichen Präparaten durch Apotheker nachgedacht. Aber hier waren die Vorbehalte in der Ärzteschaft sehr stark, wir haben uns damit nicht durchsetzen können. Hier müssen die Apotheker noch in eine nähere Kommunikation mit den Medizinern eintreten. Allerdings erhoffe ich mir durch die neuen Möglichkeiten des Reformgesetzes 2000, dass die Apotheker ihren Platz in den Netzen bekommen.
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Sie denken an die integrierte Versorgung?
Schaich-Walch:
Ja, wir wollen auf diesem Weg auch zu einer besseren Arzneimittelversorgung kommen. Die integrierte Versorgung kann nicht nur auf der Arztebene stattfinden, da muss der Apotheker genauso wie z. B. der örtliche Pflegedienst oder andere Gesundheitsberufe mit einbezogen werden.
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Zur Positivliste, die jetzt durch die Reform 2000 ins Gesetz geschrieben wurde, jedoch erst durch eine Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates umgesetzt werden kann. Warum war die Liste nötig?
Schaich-Walch:
Wir haben sie immer als wichtiges Instrument der Qualitätssicherung betrachtet, sie ist eine Hilfe, die man den Ärzten zur Verordnung an die Hand geben kann. Wir hoffen auch, dass die Positivliste langfristig Veränderungen hervorruft bei dem, was zur Zulassung vorbereitet wird oder nicht.
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Im Moment prüft das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Ihrer Ansicht nach ist das nicht ausreichend?
Schaich-Walch:
Die Positivliste wird ein zweites Element verdeutlichen. Wenn ein neues Präparat auf den Markt kommt, muss es Vorteile wie höhere Wirksamkeit gegenüber anderen nachweisen. Sie ist auch nötig vor dem Hintergrund der noch nicht nachzugelassenen Arzneimittel. Immer noch haben fast 14000 Medikamente ihre Wirksamkeit nicht belegt. Den Berg wird man auch nicht im nächsten Jahr abgearbeitet haben. Gleichwohl haben die Vorgaben durch EU-Richtlinien, die wir mit der zehnten Novelle des Arzneimittelgesetzes umsetzen, bereits zur Umstellung der Produktpalette bei den Herstellern geführt. Das wird sich fortsetzen.
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Für Apotheker ist bei der 10. AMG-Novelle der geplante Hinweis, ein Arzneimittel habe die behördliche Überprüfung noch nicht absolviert, von Interesse. Ist eine solche Stigmatisierung der Altpräparate sinnvoll?
Schaich-Walch:
Ein Hinweis wird vermutlich kommen. Ich habe Zweifel, ob der genauso ausgestaltet sein wird, wobei dies meine persönliche Meinung ist, denn wir haben in der SPD-Fraktion noch keine abschließende Haltung zu diesem Gesetzentwurf, die Anhörung steht noch bevor. Ich würde mir etwas anderes wünschen, da ich das Vorgeschlagene auch im Sinne des Verbraucherschutzes nicht für die beste Lösung halte. Abgesehen davon wird man einigen bewährten Medikamenten, die seit 20 Jahren auf dem Markt sind, damit nicht gerecht.
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Zum Stichwort Arzneimittelbudgets, die für dieses Jahr weiterlaufen. Aus der Apotheker- und Ärzteschaft ist Ihnen vorgeworfen worden, dass es womöglich zu Versorgungsengpässen etwa im Herbst kommt, dann nämlich, wenn die Mittel aufgebraucht sind. Wie begegnen Sie dieser Kritik?
Schaich-Walch:
Wir haben uns die Verlängerung der Arzneimittelbudgets nicht gewünscht. Durch das Globalbudget hätten wir eine größere Durchlässigkeit der Sektoren gehabt. Das war jedoch nicht möglich, weil wir dafür keine Zustimmung im Bundesrat fanden. Wir werden jetzt die Budgets kritisch begleiten. In der Fraktion werden wir das in zwei Zielrichtungen diskutieren. Zum einen denke ich, dass die Arzneiversorgung in einigen Kassenärztlichen Vereinigungen vorbildlich ist, da möchte ich Hessen nennen. Andere sollten mit einer guten Pharmakotherapieberatung nachziehen. Zum anderen müssen wir die Preisentwicklung beobachten. In Hessen haben wir kein Mengenproblem mehr. Der Wert der verordneten Arzneimittel ist zum Teil sehr gestiegen. Auch deshalb benötigen wir dringend die Neuregelung der Festbeträge, weil sie einige hundert Millionen Mark an Einsparung in der gesetzlichen Krankenversicherung bringt.
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Wie ist der jetzige Stand bei dieser Frage, neue Festbeträge liegen zum Teil auf Eis?
Schaich-Walch:
Das Verfahren ist noch in der Schwebe. Wir hatten eine Lösung insgesamt für den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erarbeitet, nicht nur für die Festbeträge, sondern auch für die Richtlinien, die – wie die Arzneimittelrichtlinien – die Leistungsansprüche der Versicherten konkretisieren. Überlegt wurde, auch unter europäischen Gesichtspunkten, ob man den Bundesausschuss zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts machen könnte. Erste Mitteilungen aus BMJ und BMI (den Bundesministerien für Justiz und Inneres, die Red.) lassen vermuten, dass diese Regelung nicht trägt. Möglich ist, dass der Bundesgesetzgeber eine Institution mit dieser Aufgabe betrauen muss.
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Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI?
Schaich-Walch:
Zum Beispiel, wir prüfen dies. Wir müssen allerdings auf Unabhängigkeit des Instituts achten. Wichtig ist mir die künftige Platzierung des Bundesausschusses, denn grundsätzlich hat sich diese Selbstverwaltung sehr bewährt, auch wenn man die eine oder andere Entscheidung kritisieren könnte. Ich hielte es für schwierig, wenn der Gesetzgeber den Leistungskatalog der GKV oder die einzelnen Richtlinien bestimmen müsste.
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Noch einmal zu den Budgets. Ist es in der Praxis nicht schwierig, die Ausgaben angesichts der Dynamik im Markt vorab festzulegen?
Schaich-Walch:
Wir haben ins Gesetz genommen, dass die individuelle Haftung der Ärzte für unwirtschaftliche Verordnungen Vorrang vor der Kollektivhaftung besitzt. Diesen Weg werden wir weiter verfolgen. Wenn es sich abzeichnet, dass es trotz nachgewiesenermaßen wirtschaftlicher Verordnung Engpässe im Budget geben könnte, die zum Beispiel auf Therapieverbesserungen zurückzuführen sind, werden wir politisch handeln.
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Ein Beispiel: Diabetes. Wenn Ärzte und Krankenkassen sinnvolle Verträge zur intensiveren Versorgung der Diabetiker schließen, produziert das heute zunächst Kosten für die GKV. Die Verbesserungen wie etwa verhinderte Amputationen sind erst später sichtbar.
Schaich-Walch:
Da die Auswirkungen bestimmter Entwicklungen erst in Zukunft zu sehen sind, müssen wir für einen gewissen Spielraum sorgen. Allerdings hat Hessen zum Beispiel das Budget 1999 einhalten können trotz eines großen Anstiegs bei den Ausgaben für die Diabetesbehandlung. Bei der Verlagerung von Krankenhausleistungen in den ambulanten Bereich haben wir gesehen, dass Veränderungen durch das ambulante Operieren sich in Hessen beispielsweise erst nach drei Jahren gezeigt haben. Die Verlagerung der Leistungen vom stationären in den ambulanten Bereich werden daher langfristig Auswirkungen auf den Klinikbereich haben. Wir können dort nicht weiter Leistungen finanzieren, die dort nicht mehr erbracht werden. Deshalb wäre ein Globalbudget so wichtig, damit die Finanzströme schneller umgelenkt werden können.
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Nun haben Sie gerade den Arzneibereich durch die Budgets wieder abgeschottet, ist das nicht ein Widerspruch?
Schaich-Walch:
Da kann ich nur sagen, reden Sie mal mit den CDU-Ländern im Bundesrat. Wir hätten es gerne anders gelöst. Wichtig ist mir hervorzuheben, dass die Arzneimittelfragen, nach Vorbereitung in der Arbeitsgruppe Gesundheit, sicher verstärkt in der SPD-Fraktion diskutiert werden. Ich möchte diese Themen pushen. Was zum Teil an Neuerungen bei den Arzneimitteln ansteht und was durch Gerichtsurteile auf uns zukommt, sehe ich mit Sorge, auch was die finanziellen Belastungen der GKV angeht. Wir müssen hier sehr aufmerksam das Geschehen beobachten und sehr sorgfältig arbeiten. Sollten wir hier Fehler machen, könnte dies negative Folgen für die Arzneimittelversorgung der Menschen haben. Und auch wenn es im Arzneimittelbereich noch gewisse Reserven etwa bei den so genannten umstrittenen Arzneimitteln gibt, kommt man an Grenzen.
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Gerade bei den so genannten umstrittenen Arzneimitteln weist der Arzneiverordnungsreport seit Jahren eine rückläufige Tendenz auf.
Schaich-Walch:
Das gilt auch für Hessen. Die dort vorhandenen Reserven sind begrenzt. Dies gilt aber nicht für das gesamte Bundesgebiet.
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Kommt angesichts des teils sehr teuren Fortschritts die jetzige GKV nicht an ihre Grenzen? Hat die Krankenversicherung nicht ein Einnahmeproblem, wenn man die Einnahmen wie bisher nur an die Löhne und Gehälter koppelt?
Schaich-Walch:
Die Einnahmesituation der GKV war in den letzten Jahren noch nie so günstig wie heute. Die höheren Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres werden sich in diesem Jahr voll auswirken, und über 3,5 Millionen Arbeitsverhältnisse wurden bei den geringfügig Beschäftigten gemeldet, was gut eine Milliarde Mark ins Gesundheitssystem bringt. Mit den Einnahmen sind die Ausgaben zu bewältigen.
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Ein Sprung zu den Importarzneimitteln: die Abgabe, die schon in Lieferverträgen zwischen Apotheken und Kassen geregelt ist, steht jetzt wieder im Gesetz. Warum?
Schaich-Walch:
Es steht im Gesetz, dass sie vertragsmäßig geregelt werden soll. Re- und Parallelimporte sind nämlich die einzigen Instrumente, die für einen – wenn auch begrenzten – Preiswettbewerb auf dem Markt der patentgeschützten Arzneimittel sorgen können. Wir halten dieses Regulativ für unverzichtbar.
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Ist es denn realistisch, den Anteil der Importe erheblich zu steigern, wenn man weiß, dass diese auf einem Spotmarkt in Europa beschafft werden müssen?
Schaich-Walch:
Nein, in einem übergroßen Maß nicht. Es bleibt vermutlich bei der vorhandenen Größenordnung. Durch das Reformgesetz 2000 wurden neue Leistungen wie die Soziotherapie eingeführt.
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Wie soll das gehen, wenn neue Leistungen eingeführt, die Finanzierungsgrundlagen aber nicht geändert werden?
Schaich-Walch:
Hier wird übersehen, dass die Personengruppe, an die sich die Soziotherapie wendet, nicht unversorgt war. Die Patienten waren häufig in stationärer Behandlung, der teuersten Versorgungsform, die nicht immer die beste ist für die Betroffenen. Hier ist eine Alternative geschaffen worden. Nach der Anschubfinanzierung werden die Aufwendungen langfristig durch die Reduzierung von Klinikkosten mehr als ausgeglichen. Ein Modellversuch hat ergeben, dass eine Mark, die für ambulante Soziotherapie ausgegeben wird, sechs Mark für stationäre Behandlung psychisch schwer Kranker einspart.
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Teilen Sie die Befürchtung etwa der Ersatzkassen, durch das Gesetz entstünden für 2000 insgesamt Mehrbelastungen für die GKV in Höhe von zwei Milliarden Mark ohne Gegenfinanzierung?
Schaich-Walch:
Es kommt darauf an, wie konsequent die Kassen mit den verbesserten Instrumenten ihrer Vertragsgestaltung, wie zum Beispiel integrierten Versorgungsformen oder Qualitätssicherung, umgehen, denn Qualitätsmängel schlagen sich immer wirtschaftlich nieder. Ich sehe noch Reserven im System, deren Mobilisierung im übrigen nicht schmerzlos ist.
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Es hat bundesweit Unmut im Vorfeld der Reform 2000 gegeben, das Bündnis für Gesundheit mit rund 40 Organisationen hat sich gebildet. Es hat unterdessen angekündigt, die Proteste sollen gegen die Gesundheitspolitik weiterlaufen.
Schaich-Walch:
Es ist seine höchstpersönliche Entscheidung, das zu tun. An der Umsetzung des Gesetzes, die wir einfordern werden, wird das nichts ändern. Proteste gibt es immer, wenn es an Umverteilungen und das Verlassen alter Trampelpfade geht, das war uns von vornherein klar. Bei Seehofer haben damals nicht die Leistungserbringer, sondern die kranken Menschen protestiert. Ich hoffe, dass das Bündnis für Gesundheit neue Wege findet, mit der Politik zu reden. Wenn ich auf der einen Seite die Kosten unserer Sozialversicherung begrenzen möchte, muss ich den Mut haben, zu fragen, wo kann ich bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität sparen? Den Weg haben wir eingeschlagen und werden auf ihm konsequent weitergehen.
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Sehen Sie die Leistungen, die das freiberuflich geprägte Gesundheitswesen mit den selbstständigen Apothekern und Ärzten – etwa verglichen mit einem staatlichen System wie in Großbritannien – erreicht hat?
Schaich-Walch:
Ich sehe die Leistungen, ein staatliches Gesundheitswesen ist nicht das, was wir anstreben. Wobei die Freiberuflichkeit von Ärzten und Apothekern unterschiedlich zu bewerten ist. Es gibt Regionen mit sehr vielen Apotheken, deren Zahl reduziert werden könnte, ohne dass die Versorgung leidet, die GKV wird aber nicht durch die Apothekenzahl belastet. Anders bei den Medizinern. Der Arzt hängt sehr viel stärker an der GKV-Zulassung, und bei den Medizinern haben wir Überkapazitäten. So ist die Anzahl der Vertragsärzte allein seit Ende 1990 um 25 Prozent auf 125000 Kassenärzte gestiegen. Hier bestehen Überkapazitäten, die wir schrittweise abbauen müssen.
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Die FDP hat Ihnen vorgeworfen, Europa völlig außen vor zu lassen. Was halten Sie von der optimistischen Sichtweise, das Gesundheitswesen als Wachstumsmarkt zu sehen und beispielsweise gut betuchte Ausländer in unsere gut ausgestatteten Kliniken zu holen? p>Schaich-Walch: Wenn es heißt, Europa wird außen vor gelassen, kann ich nur sagen, das hat die FDP in 16 Jahren Regierungsbeteiligung mit verantwortet. Dass wir nicht alles in einem Jahr und in einem Gesetz aufarbeiten können, ist einsehbar. Wir werden an den europäischen Bereich herangehen. Gerade im Arzneisektor bin ich im übrigen gespannt, was die einheitliche Preisausweisung bewirken wird. Unter Umständen eröffnet sie uns neue Ansätze für die Preisgestaltung in der GKV.
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Ein schwieriges Thema, denn der einheitliche Binnenmarkt ist für Arzneimittel nicht verwirklicht.
Schaich-Walch:
Aber das Thema kommt. Zurück zu den Krankenhäusern: Niemand hindert sie daran, ausländische Patienten zu umwerben. Private Krankenanstalten sind schon sehr aktiv. Allerdings ist doch die Zahl der Scheichs mit Gefolge, die nach Deutschland kommen, sehr begrenzt.
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Wo setzen Sie Schwerpunkte bei Ihrer Arbeit?
Schaich-Walch:
Der wesentliche Schwerpunkt ist die Arzneimittelfrage. Ein weiterer Punkt ist die Qualitätssicherung im Pflegebereich und ethische Fragen bei der Weiterentwicklung der Medizin, zum Beispiel bei der Fortpflanzungsmedizin.
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Frau Schaich-Walch, wir bedanken uns für das Gespräch!
Die Apotheker sollten im Verordnungsbereich stärker als bisher einbezogen werden, meint die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Gudrun Schaich-Walch in einem DAZ-Interview. Sie weist zugleich darauf hin, dass die Debatte hier nicht recht voran komme. Die Vertreterin der größten Fraktion im Deutschen Bundestag erläutert auch, warum die Regierungskoalition bei Mifegyne die Vertriebsschiene änderte und warum die Sozialdemokraten die Positivliste für nötig halten.
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