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Diabetikerbetreuung in der Apotheke: Intensives Fortbildungsprogramm mit Praktik
Auf Initiative von Prof. Dr. H.P.T. Ammon, Lehrstuhl für Pharmakologie der Universität Tübingen, rief die Deutsche Diabetes Gesellschaft eine Ad-hoc-Kommission ins Leben, die darüber diskutierte, welche Aufgaben der Apotheker bei der Betreuung diabetischer Patienten übernehmen könne. Der Ad-hoc-Kommission "Einbindung der Apotheker in die Diabetikerversorgung" gehörten Repräsentanten verschiedener Gesellschaften an (s. Kasten).
Die Diskussionen führten zu der Erkenntnis, dass Apotheken stärker in die Diabetikerversorgung eingebunden werden sollten, was ausdrücklich auch von der DDG befürwortet wurde. Der Apotheker könne vor allem Aufgaben übernehmen in der allgemeinen Gesundheitsberatung, der Früherfassung und in der pharmazeutischen Betreuung von diabetischen Patienten.
Die Überlegungen und Diskussionen der Ad-hoc-Kommission führten zu zwei Konsensuspapieren: "Pharmazeutische Betreuung diabetischer Patienten und Gesundheitsberatung von Risikopersonen durch den Apotheker: Möglichkeiten und Grenzen" und "Programm zur Intensiv-Diabetes-Fortbildung für den Apotheker". Die beiden Konsensuspapiere wurden vom Vorstand der DDG und von der Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer äußerst positiv aufgenommen und einstimmig verabschiedet.
Pharmazeutische Betreuung diabetischer Patienten
Das Konsensuspapier zur Pharmazeutischen Betreuung diabetischer Patienten und Gesundheitsberatung von Risikopersonen durch den Apotheker – Möglichkeiten und Grenzen gliedert sich in drei Unterpunkte:
1. Allgemeine Gesundheitsberatung. Hierzu gehören Screeninguntersuchungen in der Apotheke, gegebenenfalls die Empfehlung zum Arztbesuch. Der Apotheker wendet sich hier an Personen, die ein Risiko mit sich tragen, eines Tages zuckerkrank zu werden. Es gilt, Risikopersonen zu identifizieren, sie auf das Risiko hinzuweisen und Ratschläge zur Abhilfe zu geben. Unter allgemeiner Gesundheitsberatung ist im Einzelnen Folgendes zu verstehen: Ansprechen von Risikopersonen bei familiärer Diabetesbelastung, falscher Ernährung und/oder unzureichender körperlicher Betätigung, Gestationsdiabetes, Hochdruck und/oder Übergewicht und/oder Fettstoffwechselstörungen. Der Apotheker sollte Hinweise geben zur Verminderung von Gesundheitsrisiken insbesondere durch körperliche Betätigung (Sport), gesunde, vollwertige Ernährung, gesundheitsbewusste Lebensführung, Gewichtskorrektur, Vermeidung von Arzneimitteln mit diabetogener Wirkung.
2. Früherfassung von Menschen mit Diabetes. Die Dunkelziffer nichterkannter Diabetiker oder der Personen, die sich im Vorstadium der pathologischen Glukosetoleranz befinden, ist groß. Die möglichst frühzeitige Erkennung und Behandlung ist essentiell, insbesondere um Spätfolgen zu vermeiden oder wenigstens hinauszuschieben. Bei der Früherfassung bieten sich Screeninguntersuchungen an auf Uringlucose und Blutglucose. Daraus folgt, dass bei einem Nüchternblutzuckerwert von über 100 mg/dl bzw. einem postprandialen Blutzuckerwert über 160 mg/dl sowie bei einem positiven Urinzuckernachweis zwei Stunden nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit eine dringliche Empfehlung zum Arztbesuch ausgesprochen werden sollte.
3. Aufgaben des Apothekers in der Pharmazeutischen Betreuung. In diesem Konzept spielen verschiedene Gruppen der Heil- und Heilhilfsberufe eine unterschiedliche, sich gegenseitig ergänzende Rolle: Der Arzt ist zuständig für Diagnostik, Schulung und Therapie. Er wird unterstützt durch nichtärztliche Diabetesfachkräfte (Diabetesberater/innen DDG, Diabetesassistenten/innnen DDG, Diätassistenten/innen). Der Apotheker beteiligt sich an der Information der Öffentlichkeit über die Zuckerkrankheit. Für den diabetischen Patienten steht er als Arzneimittelfachmann in allen Fragen der Arzneimitteltherapie als Ansprechpartner zur Verfügung. Er versucht, gemeinsam mit Patient und Arzt arzneimittelbezogene Probleme zu lösen. Bei den Aufgaben des Apothekers in der pharmazeutischen Betreuung steht im Vordergrund: Information über technische Geräte, insbesondere Pens, Teststreifen bzw. Messgeräte, Applikationshilfen (Erklärung der Handhabung, Vorführung und Betreuung), Beratung zu den verordneten Medikamenten, Sicherstellung der richtigen Anwendung und Dosierung der Medikamente entsprechend der ärztlichen Verordnung, Information zur Lagerung der Arzneimittel, Information zu Neben- und Wechselwirkungen, Überwachung der Begleitmedikation, Dokumentation der Medikation einschließlich Selbstmedikation, Hinweis auf Neben- und Wechselwirkungen, Informationen zu Insulinpräparaten und oralen Antidiabetika für Arzt und Patient (Beratung bei Abgabe der Medikamente, Informationen über Neuheiten, Aushändigung von Unterlagen über diabetesrelevante Themen), Förderung der Compliance in Bezug auf Arzneimitteleinnahme, nichtmedikamentöse Maßnahmen, Selbstkontrolle, Aufklärung über die Folgen von Nichtcompliance hinsichtlich möglicher Folgeerkrankungen. Betonung der Vorteile der intensivierten Insulintherapie und ihrer Hypoglykämiegefahr. Anleitung und Hilfe zum Selbstmanagement (Medikamente, Krankheit). Anleitung zum Selbstmonitoring. Empfehlung des Gesundheitspasses Diabetes der DDG, falls erforderlich Messung von Urin und Blutparametern mit Dokumentation der Messergebnisse.
Information zur Ernährung und Lebensführung
Ergänzende Beratung zur adäquaten Ernährung und zum Körpergewicht, gegebenenfalls Einbeziehung des Lebenspartners bzw. der Familie. Körperliche Aktivität Information über Begleiterkrankungen Beratung zur Hygiene,Wundbehandlung und Fußpflege.
Sonstiges
Information über Organisationen für Diabetiker (Selbsthilfegruppen, Laienorganisation), Hinweis auf Zeitschriften, Broschüren, Bücher, Videos etc. Hinweis auf Informationsveranstaltungen Evaluation der pharmazeutischen Betreuung gemeinsam mit den Landesverbänden der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Intensivdiabetesfortbildung
Das Konsensuspapier "Programm zur Intensiv-Diabetesfortbildung für Apotheker" gestaltete inhaltlich eine Arbeitsgruppe der Beauftragten für Pharmazeutische Betreuung der Landesapothekerkammern. Für diese Fortbildung ist ein zeitlicher Rahmen von 36 Stunden vorgesehen, hinzu kommt ein Praktikum in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis. Die Intensivfortbildung soll den Apotheker in die Lage versetzen, die Themenschwerpunkte der pharmazeutischen Betreuung diabetischer Patienten in die Praxis umzusetzen.
Die Intensivfortbildung vermittelt Kenntnisse der Physiologie/Intermediärstoffwechsel, sie beschreibt die Klinik des Diabetes mellitus und intensiviert das Wissen der Pharmakotherapie bei Diabetes mellitus. Neben diesen theoretischen Kenntnissen der Physiologie und Pathophysiologie befasst sich die Intensivfortbildung mit der Theorie und Praxis diagnostischer Maßnahmen, mit der Gerätekunde und den Messmethoden. Hinzu kommen Hinweise zur informativen Begleitung bei manifestem Diabetes und der Themenblockorganisation, Infrastruktur und Umsetzung (s. auch die Programmübersicht der Intensiv-Diabetesfortbildung). Ein Praktikum in einer Diabetesklinik oder -Schwerpunktpraxis rundet diese Fortbildung ab.
Neben dem Programm zur Intensivfortbildung konzipierte man auch eine Basisfortbildung, die Grundlage über die Qualitätssicherung bei der Abgabe von Antidiabetika und Hilfsmitteln für Apotheker in allen Apotheken sein soll und deshalb für das gesamte pharmazeutische Personal angeboten wird. In den Bereichen Hilfs- und Arzneimittel, die zur Diabetesbehandlung benötigt werden, soll ein Patient in allen Apotheken kompetent informiert, beraten und versorgt werden.
Für die Basisfortbildung sind zwei Module mit jeweils vier Stunden vorgesehen. Während sich das erste Modul mit der Pharmakotherapie des Diabetes mellitus befasst, behandelt das zweite Modul die dort relevanten Hilfsmittel und Messmethoden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der praktischen Anwendung und Bewertung der Hilfsmittel. Die beiden Module können Grundlage für die Intensivfortbildung sein und innerhalb eines begrenzten Zeitraums hierfür anerkannt werden.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Bundesapothekerkammer vereinbarten gemeinsam ein Konzept zur pharmazeutischen Betreuung diabetischer Patienten in der Apotheke. Erarbeitet wurden ein Programm für eine Intensivfortbildung mit Praktikum in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis oder -klinik, außerdem ein Programm zur Basisfortbildung, bei der die Pharmakotherapie des Diabetes mellitus und die praktische Anwendung und Bewertung von Hilfsmitteln im Mittelpunkt stehen.
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