Kommentar

Knochenbruch

Serviceleistungen wie Wiegen des Körpergewichts, Blutdruckmessen, Bestimmung von Blutwerten wie Blutzucker, Cholesterin und Triglyzeriden, Überprüfung von Harnwerten oder die Venenfunktionsprüfung gehören heute zum Dienstleistungsumfang vieler Apotheken. Kunden und Patienten nehmen diese Serviceleistungen der Apotheke gerne an zur Orientierung, zur Überprüfung, wie eine Therapie anschlägt, und weil es unkompliziert und schnell, in aller Regel ohne große Wartezeiten abläuft. Apotheken bieten die Bestimmung dieser Werte gerne an als Service und zur Kundenbindung, gleichzeitig leisten sie durch dieses Screening einen hervorragenden Dienst für die Volksgesundheit. Viele Diabetiker oder Hypertoniker entdeckten ihre Krankheit durch den Apothekenservice und konnten dadurch einer lebensverlängernden Therapie zugeführt werden.

Die Technik schreitet voran - mittlerweile sind kompakte Geräte auf dem Markt, mit denen die Knochenqualität bestimmt und ein erhöhtes Frakturrisiko erkannt werden. Ein so genanntes Osteodensitometer misst mittels eines "quantitativen Ultraschalls" die Knochenqualität am Fersenbein. An Hand eines "T-Score" vergleicht das Gerät den Wert mit einem gesunden Referenzkollektiv. Aktive Apotheker haben sich ein solches Gerät bereits angeschafft (über 30000 DM) oder sie mieten es für Aktionswochen. Die Messung mit diesem Gerät ist allerdings in gewissen Kreisen umstritten, da zu ungenau, wenngleich selbst zahlreiche Orthopäden und Osteoporosespezialisten diese Messung empfehlen und sie selbst in der Praxis durchführen - gegen cash, die Kasse zahlt dafür nicht.

An dieser Messung entzündet sich nun seit einigen Monaten ein Streit zwischen Apothekern und Ärzten und bedauerlicherweise auch zwischen Apothekern und einigen Apothekerkammern, der sogar schon zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Eine Art von Streit, von der ich glaubte, dass sie mittlerweile überwunden sei. Den servicefreundlichen Apothekern wird die Ausübung der Heilkunde vorgeworfen, ja, Sie lesen richtig: Heilkunde. Da muss man sich doch wirklich die Augen reiben und fragen, wo bitte wird hier geheilt, wenn ein Messwert oder ein Tendenzwert erhoben wird? Da könnte ja noch eher das Bestimmen des Körpergewichts und der Hinweis des Apothekers, man sollte doch ein paar Kilo abnehmen, eine Heilkunde darstellen. Oder ist es wieder die Angst der Ärzte - wie seinerzeit beim Aufkommen des Blutdruckmessens -, dass Apotheker in ihr Terrain eindringen? Entlarvend sind dazu Aussagen des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Hans-Friedrich Spies, dem es, so in einem Gespräch mit der FAZ, nicht um die Abrechnung einer solchen Leistung gehe, sondern: weil womöglich aufgrund der Untersuchungsergebnisse in der Apotheke gesunde Menschen einen Arzt aufsuchten und sie dessen Budget gefährdeten. Limitierte Honorare, so gestand er, führten dazu, dass der Doktor an neuen Patienten gar kein Interesse habe. Je mehr Leistungen ein Arzt erbringe, um so weniger Geld erhalte er für die einzelne Leistung. Alles klar? Die Aufdeckung von Krankheiten - in unserem Gesundheitssystem also unerwünscht?

Schade nur, dass nicht alle Kammern hinter der Initiative aktiver Apothekerinnen und Apotheker stehen, die Dienstleistungen für Ihre Patientinnen und Patienten anbieten. Während die hessische Kammer sich klar hinter Ihre Mitglieder stellt, ihnen die Unbedenklichkeit dieser Dienstleistung attestiert und sich durch Störfeuer der Ärzte nicht einschüchtern lässt, zuckt die bayerische Kammer zusammen und überzieht Mitglieder sogar mit Prozessen. Nach Meinung der Kammer ist die Osteodensitometrie keine gewissenhafte Berufsausübung, da es derzeit nicht möglich sei, mit nur einer Messung einen sicheren Messwert zu erzielen, aufgrund dessen ein Arztbesuch angeraten werden könne. Das sind für mich Diskussionen wie damals, als die ersten Apotheker Blutdruckmessungen anboten. Es wird Zeit, dass sich auch Standesführungen hinter die von ihnen selbst propagierten Aufrufe zu Profilierung über Service und Dienstleistungen stellen und zwar einheitlich und bundesweit. Pikant: Selbst die apothekereigene Marketinggesellschaft deutscher Apotheker (MGDA) empfiehlt die Knochenqualitätsmessung als Aktion.

Peter Ditzel

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