Arzneimittel und Therapie

Neues Antithrombotikum: Fondaparinux-Natrium verringert das Risiko thromboemboli

Das synthetische Pentasaccharid Fondaparinux-Natrium hemmt selektiv den Blutgerinnungsfaktor Xa. In vier großen Phase-III-Studien wurde es zur Prophylaxe von Thromboembolien bei großen orthopädischen Operationen eingesetzt. Im Vergleich zum bisherigen Standard - niedermolekularem Heparin - senkte Fondaparinux-Natrium das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis um die Hälfte.

Patienten, die sich einem größeren orthopädischen Eingriff an der Hüfte oder am Bein unterziehen, sind thrombosegefährdet. Ohne eine entsprechende Prophylaxe drohen eine tiefe Venenthrombose und sogar eine Lungenembolie. Ein besonders hohes Risiko für thromboembolische Prozesse besteht bei Hüft- und bei Kniegelenkersatz.

Zur Prophylaxe von Thromboembolien wurden bislang Heparine eingesetzt, zunächst unfraktionierte Heparine und seit einigen Jahren niedermolekulare Heparine. Mit ihnen gelang es zwar, das Thromboserisiko zu senken, dennoch bleibt ein beachtliches Restrisiko.

Jetzt steht mit dem Pentasaccharid Fondaparinux-Natrium der erste Vertreter der selektiven Faktor-Xa-Hemmstoffe kurz vor der Zulassung. Er wurde von Sanofi-Synthelabo und Organon gemeinsam entwickelt. In vier großen Doppelblindstudien mit über 7300 Patienten, die sich einer Hüft- oder Kniegelenkoperation unterzogen, senkte er das Risiko thromboembolischer Ereignisse im Vergleich zum niedermolekularen Heparin Enoxaparin (Clexane) um durchschnittlich 50%, ohne das Risiko klinisch bedeutsamer Blutungen wesentlich zu erhöhen.

Hemmstoff von Faktor Xa

Die Pentasaccharid-Abfolge in Fondaparinux-Natrium entspricht der Antithrombin-Bindungsstelle im Heparin-Molekül, die für die Hemmung des Faktors Xa verantwortlich ist. Fondaparinux-Natrium ist ein reiner Faktor-Xa-Hemmstoff, während unfraktionierte Heparine die Faktoren Xa und IIa (Thrombin) zu gleichen Teilen und niedermolekulare Heparine die Faktoren Xa und IIa etwa im Verhältnis 4:1 hemmen. Für die Thromboembolie-Prophylaxe scheint in erster Linie die Hemmwirkung auf den Faktor Xa von Bedeutung zu sein.

Fondaparinux-Natrium wird vollständig synthetisch hergestellt. Es ist ein chemisch genau definiertes Molekül mit einer relativen Molekülmasse von 1728 (zum Vergleich: unfraktionierte Heparine 3000 bis 30000, niedermolekulare Heparine 4000 bis 6000).

Pharmakokinetik

Nach subkutaner Gabe weist Fondaparinux-Natrium eine sehr hohe Bioverfügbarkeit auf. Es bindet zu 97 bis 98% an Antithrombin. Seine antithrombotische Wirkung erzielt es - wie Heparin - gebunden an Antithrombin. Es wird nicht unspezifisch an Eiweiße gebunden. Bereits nach 25 Minuten wird die halbmaximale Plasmakonzentration erreicht (bei niedermolekularen Heparinen nach 60 Minuten).

Fondaparinux-Natrium wird nicht metabolisiert. Aufgrund seiner langen Halbwertszeit (15 bis 20 Stunden) kann es einmal täglich gegeben werden. Es weist eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung auf.

Vier Phase-III-Studien

In vier Phase-III-Studien zur Thromboembolie-Prophylaxe wurde Fondaparinux-Natrium mit dem niedermolekularen Heparin Enoxaparin verglichen:

  • Penthifra (Operation bei Hüftfraktur; Europa, Australien, Südafrika, Argentinien)
  • Ephesus (geplanter Hüftgelenkersatz; Europa)
  • Pentamaks (geplanter Kniegelenkersatz, Nordamerika)
  • Pentathlon 2000 (geplanter Hüftgelenkersatz; Nordamerika)

Alle Studien hatten ein vergleichbares Design (randomisiert, doppelblind) und dieselben Wirksamkeits- und Sicherheitskriterien.

Die einzigen relevanten Unterschiede bestanden im Enoxaparin-Regime zwischen Europa und USA:

  • Während in den europäischen Studien einmal täglich 40 mg des niedermolekularen Heparins subkutan injiziert wurden, waren es in den amerikanischen zweimal täglich 30 mg (= amerikanischer Standard).
  • In Europa wurde mit der Enoxaparin-Gabe bereits 12 Stunden vor der Operation begonnen, in den USA 12 bis 24 Stunden nach der Operation (= amerikanischer Standard).

In allen Studien wurde das Pentasaccharid einmal täglich in einer Dosis von 2,5 mg subkutan injiziert, wobei 4-8 Stunden nach der Operation begonnen wurde. Die Behandlung dauerte im Schnitt 9 Tage. Nach fünf bis elf Tagen wurden beide Beine phlebographisch untersucht.

Wichtigstes Wirksamkeitskriterium war der Anteil der Patienten mit thromboembolischen Ereignissen. Dies konnten entweder symptomatische tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien sein oder aber Thrombosen, die phlebographisch erkannt wurden.

An Penthifra nahmen 1711 Patienten teil, bei denen ein Bruch des Oberschenkelknochens im obersten Drittel operiert wurde. Die Wirksamkeitsanalyse für 1250 Patienten (73%) ergab, dass 19,1% der mit Enoxaparin, aber nur 8,3% der mit dem Pentasaccharid Behandelten bis zum elften Tag nach der Operation ein venöses thromboembolisches Ereignis erlitten. Das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis war demnach um 56% reduziert.

Patienten der Ephesus-Studie bekamen einen Hüftgelenkersatz implantiert oder korrigiert. Von 2309 Patienten konnten 1827 (79%) für die Wirksamkeitsanalyse ausgewertet werden. In dieser Studie hatten 4,1% der mit dem Pentasaccharid Behandelten gegenüber 9,2% der mit Enoxaparin Behandelten ein venöses thromboembolisches Ereignis (relative Risikoreduktion um 56%).

Pentamaks erfasste 1049 Patienten bei einer Implantation oder operativen Korrektur eines Kniegelenkersatzes. Die Daten von 724 Patienten (69%) gingen in die Wirksamkeitsanalyse ein. 27,8% der mit Enoxaparin Behandelten und 12,5% der mit dem Pentasaccharid Behandelten erlitten bis zum elften Tag ein venöses thromboembolisches Ereignis. Demnach verringerte das Pentasaccharid das Risiko um 55%.

Im Gegensatz zu den anderen Studien hatte Pentathlon 2000 beim primären Wirksamkeitskriterium ein nicht signifikantes Ergebnis: Von 2275 aufgenommenen Patienten waren 1584 (69%) auswertbar. Die Patienten bekamen ein künstliches Hüftgelenk implantiert oder korrigiert. Mit Enoxaparin erlitten 8,3% und mit dem Pentasaccharid 6,1% ein venöses thromboembolisches Ereignis bis zum Tag 11 (Risikoreduktion 25%).

Risiko venöser Thromboembolien ist vermindert

Alle vier Studien zusammen ergaben für das Pentasaccharid im Vergleich zu den Enoxaparin-Standardregimen ein um 50% verringertes Risiko venöser Thromboembolien, ein signifikanter Effekt. Schwerwiegende klinische Ereignisse - symptomatische Lungenembolien, tödliche Lungenembolien und Todesfälle - waren in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar selten.

Als Sicherheitskriterium wurden "größere Blutungen" erfasst. Hierzu zählten:

  • tödliche Blutungen (eine mit Enoxaparin)
  • nicht tödliche Blutungen in kritischen Organen (eine mit Enoxaparin)
  • Blutungen, die eine erneute Operation erforderlich machten (neun mit Enoxaparin, zwölf mit Fondaparinux-Natrium)
  • Blutungs-Index. Dieser erfasst manifeste Blutungen, die eine Transfusion von mindestens 2 I.E. Erythrozytenkonzentrat erforderten und/oder mit einem Abfall der Hämoglobinkonzentration um 2 g/dl oder mehr einhergingen (52 mit Enoxaparin, 84 mit Fondaparinux-Natrium)

Insgesamt traten mit Fondaparinux-Natrium mehr größere Blutungen auf als mit Enoxaparin: 96 gegenüber 61. Der Unterschied bestand im Wesentlichen nur beim Blutungs-Index. Bei den klinisch relevanten Blutungen (tödliche, nicht tödliche in kritischen Organen sowie Blutungen, die eine Reoperation erfordern) gab es keinen signifikanten Unterschied.

Markteinführung für 2002 geplant

In Deutschland wird die Markteinführung von Fondaparinux-Natrium für die Hochrisikoprophylaxe von Thromboembolien in der Orthopädie für das Jahr 2002 erwartet. Weitere mögliche Indikationsbereiche sind:

  • Akutbehandlung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien (Phase-III-Studien sind bereits angelaufen)
  • Bauchchirurgie/Onkolgie
  • Akutes Koronarsyndrom/Herzinfarkt

Quelle: Priv.-Doz. Dr. R. Bauersachs, Frankfurt, Prof. H. R. Büller, Amsterdam, Prof. B. Eriksson, Göteborg Prof. J. Hirsh, Hamilton (Kanada), Prof. A. G. G. Turpie, Hamilton, Priv.-Doz. Dr. S. Schellong, Dresden, Satellitensymposium und Pressekonferenz "Pentasaccharid (Org 3150/SR 90107A) - Ergebnisse der klinischen Studien" beim Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung, Düsseldorf, 15. Februar 2001, veranstaltet von der Sanofi-Synthelabo GmbH, Berlin.

Das synthetische Pentasaccharid Fondaparinux-Natrium hemmt selektiv den Blutgerinnungsfaktor Xa. In vier großen Phase-III-Studien wurde es zur Prophylaxe von Thromboembolien bei großen orthopädischen Operationen eingesetzt. Im Vergleich zum bisherigen Standard – niedermolekularem Heparin – senkte Fondaparinux-Natrium das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis um die Hälfte.

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