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Arzneimittel und Therapie
Harninkontinenz: TVT-Plastik – schnelle Hilfe mit minimal-invasivem Verf
Wer unter Harninkontinenz leidet, verbirgt sein Problem oft aus Schamgefühl oder aus falschen Alterungsvorstellungen vor anderen Menschen und vor sich selbst. Dabei könnte der Arzt helfen - je früher, desto besser. Denn für jede Art der Inkontinenz stehen heute entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Rund vier Millionen Frauen sind inkontinent - womit statistisch jeder der 40000 Hausärzte Deutschlands 100 Patientinnen mit Harninkontinenz hat. Doch nur ein Drittel konsultiert deswegen den Arzt, die meisten Betroffenen schämen sich ihres - gelegentlichen oder häufigen - Harnabganges. Statt es zu beseitigen, versuchen viele, ihr Problem vor sich selbst zu leugnen oder es zu bagatellisieren. Was zu einem peinlichen Versteckspiel auch mit den Personen führt, vor denen es sich nicht verheimlichen lässt: dem Partner oder den engsten Familienangehörigen.
Eingeschränkte Lebensqualität
Inkontinenz ist zwar keine lebensbedrohliche Krankheit, aber ein Symptom, das die Lebensqualität immer stärker einschränkt. Wegen der Gefahr des unkontrollierten Harnabganges und aus Angst vor möglicher Geruchsbelästigung ziehen sich betroffene Frauen von Aktivitäten zurück und gelangen in soziale Isolation. Auch partnerschaftliche Beziehungen gehen so kaputt, besonders wenn die Partnerschaft sowieso nicht mehr ganz stabil ist: Sowohl die Patientin als auch der Partner können die Inkontinenz für eine gestörte Sexualbeziehung verantwortlich machen. Selbst für den Experten ist dieses Thema oft tabu. Deswegen sollten Ärzte - und auch Apotheker - auf Anzeichen einer verschwiegenen Inkontinenz achten oder danach fragen - und der Betroffenen Hilfsmöglichkeiten offerieren. Typische Signale einer Inkontinenz sind neben dem Geruch auch, wenn beispielsweise jüngere Frauen plötzlich nicht mehr zur Gymnastik oder zum Schwimmen gehen oder wenn sie nicht mehr wagen, herzhaft zu lachen.
Belastungsinkontinenz ist häufig
In rund 60 Prozent der Fälle handelt es sich um eine Belastungs- beziehungsweise Stress-Inkontinenz, in 10 Prozent um eine Drang-Inkontinenz (Urge-Inkontinenz) und bei 20 Prozent um Mischformen. Nur zu etwa 10 Prozent liegen andere Ursachen vor wie neurogene, psychogene, extraurethrale Inkontinenz, Refluxinkontinenz oder eine Überlaufblase. Mit fortschreitendem Alter und besonders nach den Wechseljahren nehmen Drang-Inkontinenz und die kombinierte Drang-/Stress-Inkontinenz gegenüber der alleinigen Stress-Inkontinenz stark zu. Bei der Stress-Inkontinenz übersteigt bei körperlicher Belastung der Blasen- den Harnröhrendruck, und es geht unwillkürlich Urin ab.
Behandlung der Stress-Inkontinenz
Als erfolgreiche konservative Behandlungsmethoden der Belastungsinkontinenz gelten Beckenbodengymnastik, die Behandlung mit Östrogenen sowie mit Pessaren. Der Behandlungserfolg einer Beckenbodengymnastik kann durch elektromyographische Biofeedback-Geräte verbessert werden, zum Training selbst sind in der Apotheke erhältliche Vaginalkonen oder -kugeln hilfreich. Postmenopausale Östrogene, lokal oder systemisch appliziert, können die Beschwerden von Stress-Inkontinenz bis zu 70 Prozent verbessern.
Bei schweren Formen von Belastungs-Inkontinenz kann die Zeit bis zum Wirkeintritt konservativer Therapiemaßnahmen oder bis zur unumgänglichen Operation mit einem Urethralpessar überbrückt werden, das unter Anwendung einer östrogenhaltiger Creme beispielsweise vor sportlichen Aktivitäten von der Frau selbst eingeführt und abends wieder entfernt wird. Ergänzend dazu gibt es den Urethralstöpsel, der zur Blasenentleerung entfernt wird.
Zu den Standardoperationen zählen die Kolposuspension und die Schlingenoperation: bei ersterer wird die vordere Scheidenwand und damit der Blasenhals angehoben, bei der Schlingensuspension die bindegewebige Hängematte unter der Harnröhre durch eine Schlinge ersetzt.
Erfolg versprechend und nebenwirkungsarm: die TVT-Plastik
Im Gegensatz zu anderen Operationsmethoden weist das relativ neue, minimal-invasive TVT-Verfahren kaum Nachteile auf. Bei dem "Tension-free Vaginal Tape" (TVT), das von Professor Ulf Ulmsten, Uppsala/ Schweden, entwickelt wurde, legt man ein 12 mm breites, gitterartiges Kunststoffband aus Prolene mit Hilfe zweier Nadeln von der Scheide aus unter die mittlere Harnröhre. Es gleicht die defekten Bindegewebsstrukturen des Beckenbodens aus und stabilisiert spannungsfrei die mittlere Harnröhre. Bei dem Eingriff hilft die nur lokal anästhesierte Patientin mit: Ihre Blase wird gefüllt, dann muss sie husten und pressen. So kann der Operateur während des Bandverlegens prüfen, wie stark das Band angezogen werden muss, damit unter "Belastung" kein Urin mehr abgeht. Dieser ambulante Eingriff dauert knapp 30 Minuten.
Eine postoperative Katheterisierung ist selten nötig; Abstoßungsreaktionen treten deshalb nicht auf, weil sofort Fibroblasten in das Netz einwachsen und es nach kurzer Zeit von körpereigenem Collagen völlig ummantelt ist. Üblicherweise können 90 Prozent der Frauen innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Eingriff spontan die Blase entleeren. Weltweit wurden bisher etwa 65000 TVT-Plastiken durchgeführt, die Erfolgsquote liegt bei 85 Prozent - auch noch nach fünf Jahren -, bei weiteren zehn Prozent der Patientinnen besserten sich die Beschwerden.
Quelle: Prof. Dr. phil Gertrud Krüskemper, Düsseldorf; Dr. med. Bernd Zimmer, Wuppertal; Prof. Dr. med. Ludwig Quaas, Freiburg; Prof. Dr. med. Ulf Ulmsten, Uppsala/Schweden, auf einer Fachpressekonferenz der Gynecare Division "Wenig bekannt und weit verbreitet: Belastungs-Inkontinenz ist ein Thema" am 22. Februar 2001 in München.
Mit einem minimal-invasiven Verfahren kann jetzt sogar Patientinnen mit schwerer Stress-Inkontinenz geholfen werden: Ein so genanntes TVT-Band ("Tension-free Vaginal Tape") wird der Patientin in knapp dreißig Minuten eingelegt, eine postoperative Katheterisierung ist meist nicht nötig. Abstoßungsreaktionen wurden – auch noch fünf Jahre nach dem Eingriff – bisher nicht beschrieben. Die TVT-Plastik sollte jedoch nur von einem uro-gynäkologisch erfahrenen Operateur im Beisein eines Anästhesisten eingebracht werden.
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