Berichte

Ökotoxikologie: Arzneimittelrückstände in der Umwelt

Am 26. April hielt Dr. Gerd Hamscher, Zentrum für Lebensmittelwissenschaften der Tierärztlichen Hochschule Hannover, auf einer Veranstaltung der DPhG in Hannover einen Vortrag zum Thema "Arzneimittelrückstände in der Umwelt".

Humanarzneimittel in der Umwelt

Laut Roter Liste sind in Deutschland ca. 3000 Stoffe als Arzneimittel zugelassen. Nach Applikation werden diese Substanzen und ihre Metaboliten ausgeschieden und gelangen so in die Umwelt. Zahlreiche Studien liegen vor zur Problematik und Analytik von Arzneimittelrückständen aus der Humanmedizin [1, 2]. Es konnte gezeigt werden, dass diese Substanzen insbesondere über den Weg Abwasser– Kläranlage–Oberflächengewässer in das Grundwasser und auch in das Trinkwasser gelangen können.

Relevante Substanzgruppen sind Antibiotika (z.B. Erythromycin), Antiphlogistika (z.B. Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen), Arzneistoffe mit hormonellen Wirkungen, Lipidsenker (z.B. Clofibrinsäure, Bezafibrat), Psychopharmaka und Zytostatika. Die ermittelten Konzentrationen liegen deutlich unterhalb der pharmakologisch wirksamen Dosis dieser Substanzen. Allerdings können ökotoxikologische Wirkungen, insbesondere bei synthetischen Hormonen, nicht ausgeschlossen werden.

Tierarzneimittel in der Umwelt

Es sind bislang nur wenige Untersuchungen durchgeführt worden über das Vorkommen und das Verhalten von Tierarzneimitteln in der Umwelt, obwohl diese Substanzen seit vielen Jahren in vergleichbaren Mengen wie Humanarzneimittel eingesetzt werden. Ein Haupteintragspfad ist hier die Gülle, die größtenteils zur Düngung landwirtschaftlicher Nutzflächen ausgebracht wird. Ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten des Umweltbundesamtes zeigte, dass Tetracyclin in Konzentrationen von bis zu 20 mg/l in der Gülle vorkommen kann und über einen Zeitraum von sieben Wochen nur zu ca. 50% abgebaut wird [3].

Entwicklung neuer Analysenverfahren

In einer Pilotstudie hat Hamscher Bodenproben und Sickerwasser aus landwirtschaftlich genutzten Flächen in Norddeutschland auf Antibiotikarückstände untersucht. Für ein erstes Monitoring wurden Substanzen ausgewählt, die häufig und in größeren Mengen eingesetzt werden, wie Tetracyclin und Chlortetracyclin [3].

Da es bislang keine spurenanalytischen Verfahren zum Nachweis von Tetracyclinen in Boden und Sickerwasser gab, wurden diese neu entwickelt. Nach effizienten Probenvorbereitungsschritten erfolgte die Messung in beiden Matrices nach flüssigkeitschromatographischer Trennung mittels Elektrospray-Tandemmassenspektrometrie. Dieses Verfahren hat sich in den letzten Jahren als Methode der Wahl zur selektiven und sensitiven Detektion von polaren Substanzen in komplexen Matrices etabliert.

Tetracycline zeigen hohe Persistenz im Boden

In vier von zwölf untersuchten Flächen wurden Tetracyclinrückstände deutlich über 10mg/kg nachgewiesen. Es ließen sich keine Rückstände in der unteren sandigen Bodenschicht (40 bis 90 cm) und im Sickerwasser nachweisen [4]. Höhere Befunde für Tetracycline fanden sich insbesondere in mit Schweinegülle beaufschlagten Flächen. Daher wurde in einer Folgestudie eine Fläche, die nachweislich mit Schweinegülle beaufschlagt wurde, über einen Zeitraum von sechs Monaten sowohl unter Feld- als auch unter Laborbedingungen untersucht. Darüber hinaus wurden die aufgebrachte Gülle sowie Sicker- und Grundwasserproben untersucht.

Die Schweinegülle enthielt 4 mg/l Tetracyclin und 0,1 mg/l Chlortetracyclin. Die Gehalte in Sicker- und Grundwasser lagen unterhalb der Nachweisgrenze. Im Boden wurden Tetracyclinkonzentrationen von bis zu 200 mg/kg gefunden. Ein signifikanter Abbau der Tetracycline fand in sechs Monaten sowohl unter Freiland- als auch unter definierten Lagerungsbedingungen (im Dunkeln bei 4 °C) nicht statt. Ackerflächen können daher über längere Zeiträume mit Antibiotikarückständen im subtherapeutischen Konzentrationsbereich belastet sein [5]. Die in der vorgestellten Studie untersuchten Flächen werden weiterhin beprobt werden, sodass dann auch Aussagen darüber getroffen werden können, ob es durch weitere Güllezufuhr zueiner Akkumulation der Rückstände kommen kann.

Maßnahmen zur Risikominderung

Da es derzeit nicht möglich ist, die Gefahren durch Arzneimittelrückstände in der Umwelt abzuschätzen, sollte als wichtigste Maßnahme zur Risikominderung eine Reduzierung des Eintrages angestrebt werden. Dies beinhaltet sowohl eine rationale Verschreibungspraxis in der Human- und Tiermedizin als auch eine sachgerechte Entsorgung nicht aufgebrauchter Arzneimittel. Bis zum heutigen Tage können Arzneimittel – mit Ausnahme von Zytostatika – legal über den Hausmüll entsorgt werden.

Eine weitere Minimierung des Arzneimitteleintrages könnte auch durch die Entwicklung neuer Darreichungsformen (z.B. transdermale Applikation) und den Verzicht auf den Einsatz entbehrlicher Arzneimittel erreicht werden.

Bei der Zulassung von Arzneimitteln sollten generell Daten über Umweltverhalten, Abbaubarkeit, Persistenz, Bioakkumulation und Ökotoxizität erhoben werden. Für Tierarzneimittel gibt es bereits seit 1996 eine entsprechende EU-Leitlinie. Aus wissenschaftlicher Sicht müssen die Eintragspfade unter besonderer Berücksichtigung von Punktquellen (Kläranlagen, Krankenhäuser, pharmazeutische Betriebe, Intensivtierhaltung) weiter untersucht werden [2].

Literatur [1] Daughton, C., G., Ternes, T. (1999): Pharmaceuticals and personal care products in the environment: Agents of subtle change? Environ. Health Persp. 107, Suppl. 6 907–938. [2] Sattelberger, R. (1999): Arzneimittelrückstände in der Umwelt, Bestandsaufnahme und Problemdarstellung: Report R-162, Umweltbundesamt Österreich, ISBN 3-85457-510-6. [3] Winckler, C., Grafe, A. (2000): Charakterisierung und Verwertung von Abfällen aus der Massentierhaltung unter Berücksichtigung verschiedener Böden. Herausgeber: Umweltbundesamt, Forschungsbericht 29733911, Berlin. [4] Hamscher, G., Sczesny, S., Abu-Qare, A., Höper, H., Nau, H. (2000): Stoffe mit pharmakologischer Wirkung einschließlich hormonell aktiver Substanzen in der Umwelt: Erster Nachweis von Tetracyclinen in güllegedüngten Böden. Dtsch. Tierärztl. Wochenschr., Heft8, S.332–334. [5] Hamscher, G., Sczesny, S., Höper, H., Nau, H. (2001): Persistent tetracycline residues in soil fertilized with animal slurry in northern Germany. Naunyn's Schmiedeberg's Arch. Pharmacol., Suppl. 363, 4, R170.

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