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- DAZ 27/2001
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Die Seite 3
Man hört, man staunt – es wird wieder einmal über die Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) geredet. Bei teuren Arzneimitteln seien die Aufschläge zu hoch, bei niedrigen viel zu niedrig, weit weg von der Kostendeckung. Ein neues, zumindest ein modifiziertes System müsse her. Vielleicht eine Kombination aus Fixaufschlägen und prozentualen Aufschlägen? Die ABDA brütet, hält sich noch bedeckt; Industrievertreter aber gehen schon an die Öffentlichkeit damit (DAZ Nr. 25, S. 16). "Es wurde auch Zeit" – rufen die einen. "Absolut zur Unzeit" – so das Diktum der anderen. Für beide Positionen gibt es Gründe.
Die Arzneimittelausgaben machen derzeit, nach langer moderater Entwicklung, einen kleinen Schub; sie steigen derzeit kräftiger als viele andere Sektoren des Gesundheitswesens. Die Politik, die sich gern von kurzfristigen Entwicklungen antreiben lässt, sieht Handlungsbedarf. Sicher riskieren wir deshalb einiges, wenn wir derzeit selbst die Arzneimittelpreisverordnung zur Disposition stellen. Wir riskieren zum Beispiel, dass die Politik auf die (falsche!) Idee gebracht wird, die Ausgabenprobleme hingen mit zu hohen Distributionskosten zusammen. Behaupten die Krankenkassen das nicht schon lange und immer wieder? Schlimmer noch: die Politik könnte auf die (ebenfalls falsche!) Idee kommen, auch wir selbst seien insgeheim dieser Meinung; würden wir sonst bereit sein, erneut die AMpreisV ins Gespräch zu bringen – zumal doch die letzte Kappung der Aufschläge bei teuren Arzneimitteln für die GKV ein Schuss in den Ofen war; weite Teile der Industrie haben die erhofften Einsparungen 1998/99 durch drastische Erhöhungen der Herstellerabgabepreise zunichte gemacht.
Es mag sachliche Gründe geben, über eine Modifizierung der AMpreisV nachzudenken. Aber vorher gibt es einiges festzuhalten und manches abzuwägen:
- Die Distributionskosten in Deutschland sind insgesamt nicht zu hoch – weder absolut, noch in ihrer Entwicklung, auch nicht im internationalen Vergleich. Ein Beispiel: Der Apothekenrohertrag im GKV-Bereich (inkl. Zuzahlung) ist zwischen 1992 und 2000 um nur 8,8% gewachsen, obwohl im gleichen Zeitraum (ebenfalls inkl. Zuzahlung) 22,9% mehr für die Arzneimittelversorgung der GKV-Versicherten aufgewendet wurde. Die Wertschöpfung des Distributionssektors ist auch bei langfristiger Betrachtung völlig undramatisch; zwischen 1970 und 1990 stieg sie parallel zum Bruttoinlandprodukt, seitdem sogar schwächer als das BIP. Obwohl in Deutschland (politisch gewollt!) durch sehr viele Generika, Phytopharmaka und Homöopathika der logistische Aufwand für die Versorgung besonders hoch ist, obwohl die Versorgung über Großhandel und Apotheken perfekt funktioniert, sind die Kosten im europäischen Vergleich im unteren Drittel – und niedriger als in Ländern mit Ketten und/oder Versandapotheken.
- Die Roherträge in der Arzneimittelversorgung durch Großhandel und Apotheken sind aber möglicherweise – zwischen hochpreisigen und niedrigpreisigen Arzneimitteln – falsch verteilt. Wird die (in Maßen durchaus erträgliche) Mischkalkulation überstrapaziert? Zahlen von Aventis: Großhandel und Apotheken müssen 200 000 Packungen Novalgin 10 Tabl. (Herstellerabgabepreis ca. 320 000 DM) für insgesamt 296 000 DM Rohertrag jederzeit und an jedem Ort verfügbar machen; das kann nie und nimmer kostendeckend sein. Auf nur 4000 Packungen eines hochpreisigen Arzneimittels wie Profact Depot (Herstellerabgabepreis insgesamt ca. 6 Millionen DM) entfallen aber bei weniger Aufwand Vertriebsroherträge von 1,7 Millionen DM. Solche extremen Schieflagen züchten Rosinenpicker auf Großhandels- und Apothekenebene: das für die Versorgung mindestens ebenso wichtige Kleinvieh überlassen sie gern den Kollegen, sie konzentrieren sich ganz auf die dicken Brummer – und leben damit prächtig und bequem.
Könnte eine Kombination aus Fixaufschlag und einer prozentualen Komponente das Problem lösen? Vorsicht: Zwischen 1992 und 2000 ist die Zahl der Packungen um 30% zurück gegangen. Damit wäre es mit einem Fixaufschlag pro Packung zu 30% weniger Rohertrag in diesem Sektor gekommen. Ein Fixaufschlag pro Packung müsste verlässlich dynamisiert werden – sonst führt er für uns zu einem Super-GAU. Ist dies überhaupt durchsetzbar? Müsste er nicht statt an der Packungszahl z. B. schon eher an Tagesdosen (DDD) oder dem pharmazeutischen Betreuungseinsatz orientiert sein? Wie wäre der objektivierbar? Und: Würde die Verteuerung preiswerter Arzneimittel – die Folge eines adäquateren Vertriebskostenanteils – nicht, wo immer möglich, zu einer Flucht aus der Apothekenpflicht und aus der Selbstmedikation über die Apotheke führen?
Viele Fragen – und bislang nur wenige schlüssige Antworten. Reichen sie, um sich aufs Glatteis zu wagen?
Peter Ditzel
Falsche Signale an die Politik?
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