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- DAZ 38/2001
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Arzneimittel und Therapie
Influenza: Prävention durch Impfung oder Behandlung mit Arzneimitteln
Ziel der Grippeschutzimpfung ist es nicht, Grippe-Epidemien zu verhindern, sondern schwere Grippekomplikationen zu vermeiden. Die Impfung wird deshalb den Menschen empfohlen, die ein hohes Risiko für eine Grippekomplikation haben (Hochrisikopersonen). In den USA richtet sich die Impfempfehlung an fast die Hälfte der Bevölkerung, darunter:
- alle Menschen ab 50 Jahre
- Schwangere, die in der Grippesaison das zweite oder dritte Schwangerschaftsdrittel erreichen
- HIV-Infizierte (alle, die antiretroviral behandelt werden)
- Erwachsene und Kinder mit chronischer Lungen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung
- Bewohner von Pflegeheimen
- Personal im Gesundheitsbereich
- Angehörige von Hochrisikopersonen
Die Impfstoffe aus abgetöteten Influenzaviren werden für jede Grippesaison neu zusammengesetzt. Stimmen die im Impfstoff enthaltenen Varianten mit den tatsächlich zirkulierenden Varianten überein, werden 70 bis 100% der gesunden Erwachsenen durch sie vor grippespezifischen Erkrankungen geschützt. Ansonsten sind es nur 30 bis 60%. Vorschulkinder, Senioren und Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr sprechen etwas weniger gut auf die Impfung an. Die einzige häufige Nebenwirkung sind lokale Impfreaktionen bei 25% der Geimpften, die ein bis zwei Tage anhalten. Kleine Kinder können Fieber bekommen. Das Guillain-Barré-Syndrom kann mit einer Häufigkeit von 1 auf 1 Million Geimpfte auftreten.
Demnächst auch Influenza-Lebendimpfstoff
In den USA steht ein abgeschwächter Lebendimpfstoff kurz vor der Zulassung. Er wird als Nasenspray angewendet. Sicherheit, Immunogenität und Wirksamkeit waren bei jungen Erwachsenen mit den inaktivierten Impfstoffen vergleichbar. Bei Kleinkindern scheint der Lebendimpfstoff besonders wirksam zu sein: In einer Studie mit Kindern zwischen ein und fünf Jahren schützte der Lebendimpfstoff etwa 90% der Kinder vor Grippe. Als Nebenwirkungen können bei 10 bis 15% der Impflinge leichte Symptome in den oberen Atemwegen auftreten. Zur medikamentösen Prophylaxe und Frühtherapie der Virusgrippe stehen heute folgende Arzneistoffe zur Verfügung:
- Amantadin (z. B. PK-Merz®) und Rimantadin (in Deutschland nicht zugelassen)
- Zanamivir (Relenza®) und Oseltamivir (Tamiflu®)
Amantadin nur gegen Influenza A
Amantadin und Rimantadin blockieren das M2-Protein von Influenza A. Sie sind nur gegen Influenza-A-Viren wirksam. Beide werden oral eingenommen, fast vollständig resorbiert und über die Nieren ausgeschieden. Amantadin erreicht bereits nach zwei Stunden den Plasma-Spitzenspiegel, Rimantadin nach vier Stunden. Der Plasma-Spitzenspiegel von Amantadin ist bei Senioren doppelt so hoch wie bei jungen Erwachsenen. Die Halbwertszeit von Amantadin beträgt bei jungen Erwachsenen 15 und bei Senioren 30 Stunden. Rimantadin hat eine Halbwertszeit von 30 Stunden.
Mit Amantadin kommt es bei etwa 10% der Patienten zu vorübergehenden zentralnervösen Nebenwirkungen, darunter Angst, Depression und Schlafstörungen. 2% der mit Rimantadin Behandelten leiden ebenfalls an zentralnervösen Begleitwirkungen. Beide Virustatika führen gelegentlich zu Übelkeit, Erbrechen und Dyspepsie.
Wird Amantadin oder Rimantadin während der gesamten Expositionsdauer täglich eingenommen, schützt es in ähnlichem Ausmaß vor Influenza-Infektionen und -Erkrankungen wie die Schutzimpfung. Ist eine Infektion bereits eingetreten, so kann eine Frühtherapie mit Amantadin oder Rimantadin in den ersten zwei Krankheitstagen beginnen. Die Grippeerkrankung wird durch die Behandlung um durchschnittlich einen Tag verkürzt. Bei 25 bis 35% der mit Amantadin oder Rimantadin Behandelten entwickeln sich allerdings Virusstämme, die gegen beide Virustatika resistent sind.
Frühtherapie mit Neuraminidasehemmern
Zanamivir und Oseltamivir hemmen die Neuraminidase. Die Neuraminidase ist für die Freisetzung von Influenza-A- und -B-Viren aus infizierten Zellen essenziell. Zanamivir steht als Pulverinhalat zur Verfügung. Szintigraphische Untersuchungen ergaben, dass sich rund 78% der Zanamivir-Dosis im Mund-Rachen-Raum absetzen und nur etwa 15% Luftröhre, Bronchien und Lunge erreichen. 10 bis 20% der inhalierten Dosis sind bioverfügbar. Oseltamivir wird oral eingenommen. Durch Spaltung der Esterbindung in der Leber entsteht aus dem Prodrug der aktive Metabolit. Etwa 75% der eingenommenen Dosis erreichen die systemische Zirkulation.
Da Zanamivir Bronchospasmen verursachen kann, sollte es bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen nur mit Vorsicht eingesetzt werden (z. B. schnell wirksamen Bronchodilatator bereit halten). Oseltamivir führt bei etwa 10% der Behandelten zu Übelkeit und Erbrechen. Bei Einnahme mit der Nahrung treten gastrointestinale Nebenwirkungen seltener auf, ohne dass die Pharmakokinetik beeinflusst wird. Wechselwirkungen sind für keinen der Neuraminidasehemmer bekannt.
Zugelassen sind Zanamivir und Oseltamivir für die Behandlung der Grippe bei Personen, die seit weniger als zwei Tagen Symptome haben. Sie verringern die Grippedauer um 1 bis 1,5 Tage und verkürzen die Virusausscheidung. In mehreren Studien wurde die prophylaktische Wirksamkeit gezeigt - beispielsweise in Pflegeheimen oder in Haushalten, in denen bereits eine Person erkrankt war.
Wer soll Virustatika bekommen?
Eine medikamentöse Grippeprophylaxe sollten vor allem nicht geimpfte Personen mit hohem Risiko für Grippekomplikationen (= Hochrisikopersonen) erhalten. Menschen mit einem Immundefekt können auch nach einer Impfung die medikamentöse Prophylaxe während einer Epidemie bekommen. Auch andere Hochrisikopersonen - besonders ältere - sind durch Impfung plus Medikament besser geschützt als durch die Impfung allein. Alle Hochrisikopersonen, die an einer Grippe erkrankt sind, sollten mit einem Virustatikum behandelt werden, unabhängig von ihrem Impfstatus. Die Behandlung sollte in den ersten beiden Tagen begonnen werden.
Welches Virustatikum darf es sein?
Für die Prophylaxe sind bislang nur Amantadin und (in den USA) Rimantadin zugelassen. Sie wirken ausschließlich gegen Infektionen mit Influenza-A-Viren. Amantadin ist preiswerter, Rimantadin besser verträglich. Die Neuraminidasehemmer sind teurer als Amantadin und Rimantadin, werden aber in der Behandlung aus folgenden Gründen vorgezogen:
- wirksam auch gegen Influenza B,
- weniger Nebenwirkungen,
- weniger Resistenzentwicklungen.
Oseltamivir ist in der Anwendung leichter als Zanamivir. Die Gabe eines Neuraminidasehemmers über mehr als fünf Tage scheint keinen klinischen Nutzen zu haben; das Risiko für Resistenzentwicklungen steigt.
Grippe im Pflegeheim
Grippeausbrüche in Pflegeheimen können 20 bis 70% der Bewohner betreffen. Die Letalität ist hoch. Die wichtigste Schutzmaßnahme ist die jährliche Impfung der Bewohner und des Pflegepersonals. Beim Grippeausbruch sollten alle Bewohner und alle nicht geimpften Mitarbeiter ein Virustatikum einnehmen: Amantadin, wenn von einer Influenza-A-Grippe ausgegangen werden kann, ansonsten Zanamivir oder Oseltamivir. Die Prophylaxe sollte 14 Tage lang oder sieben Tage über den Beginn der letzten Grippeerkrankung hinaus dauern.
Kastentext: Komplikationen und Letalität der Influenza
Letale Ausgänge sind vor allem bei älteren Menschen über 65 Jahre zu befürchten. Bei einer Pandemie können aber auch jüngere Erwachsene und Kinder schwer erkranken und daran sterben (je nach Virulenz des Epidemiestammes). Die Grippepneumonie führt bei Kindern und älteren Erwachsenen in 7 bis 42% der Fälle zum Tod. Häufige Komplikationen sind bei Kindern Otitis media und Croup. Seltenere Komplikationen sind Reye-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom, Enzephalopathie und Myokarditis.
Literatur Couch, R. B.: Prevention and treatment of influenza. N. Engl. J. Med. 343, 1778 - 1787 (2000).
Ziel der Grippeschutzimpfung ist es nicht vorrangig, Grippeepidemien zu verhindern, sondern schwere Grippekomplikationen zu vermeiden. Die Impfung wird deshalb den Menschen empfohlen, die ein hohes Risiko für eine Grippekomplikation haben. Ist es zu einer Infektion und einer Erkrankung gekommen, kann diese mit Arzneimitteln wie Amantadin oder Neuraminidasehemmern behandelt werden.
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