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Arzneimittel und Therapie
Influenzaprophylaxe: Oseltamivir schützt Mitbewohner vor Grippe
Grippeviren werden durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Erkrankt ein Familienmitglied an Grippe, so besteht für alle Mitbewohner Ansteckungsgefahr. Indem man die Ausbreitung der Grippe innerhalb der Haushalte verringert, kann man möglicherweise die Grippe-Ausbreitung insgesamt eindämmen.
Oraler Neuraminidasehemmer
In einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie wurde untersucht, inwieweit Oseltamivir (Tamiflu®) Kontaktpersonen, die im selben Haushalt leben, vor der Übertragung einer Grippe schützt. Oseltamivir ist ein Ethylester des Neuraminidasehemmers Ro 640 802. Das Prodrug kann oral eingenommen werden.
Prophylaxe contra Plazebo
Die Studie fand in der Influenzasaison des Winters 1998/99 statt. Teilnehmen konnten Haushalte, in denen ein Grippekranker (= Fallpatient) mit zwei bis acht Kontaktpersonen zusammenlebte (Familien oder sonstige Wohngemeinschaften). Innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn wurden dem Fallpatienten ein Nasen- und ein Rachenabstrich und eine Blutprobe entnommen. Im selben Zeitraum begannen alle Mitglieder seines Haushaltes entweder eine Prophylaxe mit Oseltamivir oder eine Plazebo-Einnahme. Alle Haushaltsmitglieder bis auf den Fallpatienten nahmen randomisiert und doppelblind sieben Tage lang täglich 75 mg Oseltamivir oder Plazebo ein.
Kinder unter zwölf Jahren waren nur als Fallpatienten und nicht als Kontaktpersonen zugelassen. Haushalte, in denen Schwangere oder Stillende, Krebspatienten, Immunsupprimierte, HIV-Infizierte oder Patienten mit chronischen Leber- oder Nierenerkrankungen lebten, waren ausgeschlossen. Kontaktpersonen durften gegen Influenza geimpft worden sein.
Als klinisch grippekrank galten Personen mit einer im Mund gemessenen Körpertemperatur von 37,2 °C oder mehr, mindestens einem Atemwegssymptom (Husten, Schnupfen, Halsschmerzen) und mindestens einem Symptom der Allgemeinverfassung (Kopfschmerzen, sonstige Schmerzen, Schüttelfrost/Schwitzen oder Müdigkeit). Im Labor konnte die Influenzadiagnose bestätigt werden durch:
- Isolation des Virus aus dem Abstrich oder
- Nachweis spezifischer Antikörper im Serum (Anstieg des Hämagglutininationshemm-Titers vom Beginn bis zur Genesung um mindestens das Vierfache)
Alle Fallpatienten waren klinisch grippekrank, die Laborergebnisse bestätigten die Diagnose aber nur bei einem Teil (= Influenza-Positive). Kontaktpersonen galten nur dann als grippekrank, wenn die klinische Diagnose im Labor bestätigt wurde.
377 Patienten und 955 Kontaktpersonen
76 Zentren in Nordamerika und Europa erfassten 377 Fallpatienten und 955 Kontaktpersonen. 493 Kontaktpersonen nahmen Oseltamivir und 462 Plazebo ein. Während der siebentägigen Prophylaxe erkrankten in der Oseltamivir-Gruppe vier Kontaktpersonen und in der Plazebo-Gruppe 34 an Grippe. Die grippekranken Kontaktpersonen lebten in vier beziehungsweise 26 Haushalten. Die Oseltamivir-Prophylaxe verringerte also die Zahl der weiteren Grippefälle um 89% und die Zahl der von weiteren Grippefällen betroffenen Haushalte um 86%.
Risiko um fast 90% gesenkt
Wichtigstes Wirksamkeitskriterium war jedoch, wie viele Kontaktpersonen von Influenza-Positiven an Grippe erkrankten. Denn nur Influenza-Positive kommen als Grippe-Ansteckungsquelle innerhalb des Haushaltes in Frage. 163 Fallpatienten (43%) waren Influenza-positiv. In ihren Haushalten lebten 415 Kontaktpersonen. 209 von ihnen bekamen die Oseltamivir-Prophylaxe, 206 Plazebo. Während der Oseltamivir-Einnahme erkrankten drei Kontaktpersonen in drei Haushalten an Grippe, während der Plazebo-Einnahme 26 in 18 Haushalten. Demnach senkte Oseltamivir die Zahl der neuen Grippefälle um 89% und die Zahl der davon betroffenen Haushalte um 84%. Während unter Plazebo-Einnahme sowohl Influenza-A- als auch Influenza-B-Infektionen vorkamen (21 bzw. 13 Fälle), war unter Oseltamivir-Einnahme Influenza-A-Virus bei keinem Grippekranken nachweisbar.
Gut verträglich
Oseltamivir wurde gut vertragen. Gastrointestinale Nebenwirkungen (9,3%) traten nicht häufiger auf als unter Plazebo (7,2%). Insgesamt brachen fünf Personen mit Oseltamivir (1%) und zwei mit Plazebo (0,4%) die Einnahme wegen Nebenwirkungen vorzeitig ab. Eine rasch begonnene Kurzzeitprophylaxe mit Oseltamivir schützt also enge Kontaktpersonen von Grippekranken vor Ansteckung. Noch stärker geschützt sind die Angehörigen wahrscheinlich, wenn der Grippekranke selbst auch mit dem Neuraminidasehemmer behandelt wird. Ein Nachteil dieser Studie: Kleinkinder spielten eine untergeordnete Rolle (nur 2,5% der Fallpatienten). Im Alltag sind sie jedoch für die Einschleppung und Ausbreitung der Influenza in Haushalten enorm wichtig.
Literatur Welliver, R., et al.: Effectiveness of oseltamivir in preventing influenza in household contacts. J. Am. Med. Assoc. 285, 748 - 754 (2001).
Eine frühzeitige Einnahme von täglich 75 mg Oseltamivir über sieben Tage schützt die Mitbewohner von Grippekranken in hohem Maße vor der Erkrankung. Das zeigte eine Studie mit 377 Patienten und 955 Kontaktpersonen. Der Neuraminidasehemmer wurde gut vertragen.
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