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Im Trubel um Importquotenregelung, Rabatterhöhung, Aut-idem-Diskussion, Versandhandelsbestrebung und Villakauf ist das Thema Pharmazeutische Betreuung in letzter Zeit ein wenig in den Hintergrund gerückt. An Aktualität hat es deshalb aber nicht verloren. Gerade weil man von allen Seiten versucht, uns das Wasser abzugraben und unsere Bedeutung als Arzneimittelfachfrau bzw. -fachmann in der Dreiecksbeziehung Arzt-Apotheker-Patient herunterzuspielen, ist das Thema wichtiger denn je. Und es wird Zeit, dass es aus der Phase der Theorie nun in die Praxis übergeht. Denn dass Pharmazeutische Betreuung machbar ist, dass sie einen erkennbaren Nutzen nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Arzt und den Apotheker hat, und dass sie nicht zuletzt dazu beitragen kann, Therapiekosten einzusparen, haben genügend Studien in den vergangenen Jahren zeigen können. Auch sind die technischen Voraussetzungen mittlerweile alle vorhanden und warten nur darauf, zum Einsatz zu kommen. Protokolle, Leitlinien, Manuale sind geschrieben worden, die von der ABDA erstellten CAVE-Module arbeiten zuverlässig, und auch die Softwarehäuser haben inzwischen reagiert und entsprechende Komponenten in ihre Warenwirtschaftssysteme aufgenommen.

Eigentlich könnte man also mit Pharmazeutischer Betreuung im großen Stil beginnen. Nur - es macht niemand. In den wenigsten Apotheken - einmal abgesehen von denjenigen, die sich an Pharmaceutical-Care-Studien beteiligen - wird Pharmazeutische Betreuung tatsächlich praktiziert. Woran dies liegen könnte, war Thema eines von der Landesapothekerkammer Bayern veranstalteten Wochenendworkshops, der vom 17. - 18. November in Erlangen stattfand (S. 59). Dabei wurde deutlich, dass es vor allem der Umfang ist, der abschreckt. Als riesiger Berg wird die Pharmazeutische Betreuung empfunden. So viele Details stecken in den Leitlinien und Protokollen - wie soll man die alle beachten? Der zusätzliche Zeitaufwand und die Mehrbelastung - wie soll man das in einem ohnehin schon randvollen Arbeitstag noch unterbringen? Und wenn man sich die Mühe schon macht - wird das von Patient und Arzt überhaupt richtig angenommen oder eckt man damit nicht viel eher an?

Die Einwände sind nachvollziehbar. Es ist verständlich, wenn viele Kolleginnen und Kollegen angesichts der Größe der Aufgabe Pharmazeutische Betreuung erst einmal zurückschrecken. Zumal man ihnen als Motivation für die intensive Betreuungsleistung bislang nur ideelle Werte, nicht aber finanzielle Anreize bieten kann. Wie ihnen also vermitteln, dass sie Pharmazeutische Betreuung dennoch machen sollten und dabei sogar Spaß haben können? Eine Möglichkeit könnte das Bayerische Modell der kleinen Schritte sein, das im Rahmen des Workshops vorgestellt wurde. Dieses geht davon aus, dass nicht jede Apotheke gleich von Null auf Hundert das gesamte Spektrum der Pharmazeutischen Betreuung übernehmen muss, sondern man sich erst einmal einen kleinen Teilaspekt herauspickt und diesen in sein Tagesgeschäft einbaut. Dass man beispielsweise bei der Abgabe von Antibiotika konsequent darauf achtet, Einnahmemodalitäten und potenzielle Interaktionen mit dem Kunden zu besprechen, mit Asthmatikern die Inhalationstechnik intensiv übt oder auch Wert darauf legt, die Kommunikation mit dem Arzt zu optimieren. Man kann sich auch darauf konzentrieren, Hypertoniepatienten besser zu beraten, um sie vor den Gefahren von Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall zu schützen - dies war übrigens Thema der Scheele-Tagung, die vom 9. bis 11. November in Heringsdorf stattfand, und über die wir in diesem Heft ebenso wie über den Workshop zur Pharmazeutischen Betreuung berichten (S. 42).

Der Erfolg einer derartiger Maßnahme ist rasch erlebbar, das hat das Bayerische Modell bereits bewiesen. Die Maßnahme selbst ist ohne größeren Aufwand und vor allem für das gesamte Apothekenteam umsetzbar. Sie verbessert die Wirkung nach außen, da die Kunden schnell merken, dass "man sich kümmert", sie verbessert sie aber auch nach innen, da ein gemeinsames Ziel vorhanden ist, das das Team zusammenschweißt.

Es scheint also etwas zu bringen, auch wenn es nicht Pharmazeutische Betreuung von A bis Z ist, nicht der gesamte Berg, sondern nur ein Kiesel. Sicher, letztendlich ist der Berg das eigentliche Ziel, aber auch dieser besteht im Grunde aus kleinen Steinen, der Ansatz scheint daher durchaus Sinn zu machen. Mir erscheint er auf jeden Fall besser, als eine "Ganz-oder-gar-nicht-Lösung", bei der sich die meisten offenbar für "dann lieber gar nicht" entscheiden.

Beatrice Rall

Es müssen nicht gleich 100 Prozent sein

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