Feuilleton

Liebigs Lehrer Karl W. G. Kastner

Dass um 1830 in Deutschland eine neue Ära der Chemie begann, deren führender Repräsentant Justus Liebig war, ist allgemein bekannt. Aber wie sah die Chemie vor Liebig aus? Eine Antwort darauf gibt eine soeben publizierte Monographie über Liebigs Lehrer Kastner.

Nach einer Apothekerlehre studierte Kastner in Jena Chemie, u.a. bei seinem Kollegen Göttling. Erst 21 Jahre alt, wurde er 1805 Professor in Heidelberg, lehrte danach an den Universitäten Halle, Bonn und ab 1821 schließlich in Erlangen. Er stand unter dem Einfluss der damals herrschenden romantischen Naturphilosophie und war vom protestantischen Glauben geprägt, gleichwohl waren seine wissenschaftlichen Forschungen praxisnah und zielten auf die Besserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung. Zu diesem Zweck gab er auch die Zeitschrift "Der Deutsche Gewerbsfreund" heraus.

Drei Semester lang studierte Justus Liebig in Bonn und Erlangen bei Kastner und ließ sich ein Jahr später von ihm in absentia promovieren. Er bezeichnete seinen Lehrer damals als größten Chemiker Deutschlands, hat ihn jedoch Jahrzehnte später in einem Rückblick auf seine Ausbildung als Naturphilosophen ohne wissenschaftliche Qualifikation charakterisiert und damit das Urteil der Nachwelt über Kastner wesentlich bestimmt.

Die vorliegende Untersuchung rückt dieses Bild zurecht, indem sie insbesondere Kastners Verdienste in den ersten Jahren seiner wissenschaftlichen Karriere hervorhebt. Nicht zuletzt spiegelt sich in seiner Biographie der naturwissenschaftliche Umbruch jener Zeit. Der Autor resümiert, dass Kastner in vieler Hinsicht eher dem 18. als dem 19. Jahrhundert zuzurechnen sei. cae

Kastentext: Literaturtipp

Liebigs Lehrer Karl W.G. Kastner (1783 - 1857) - Eine Professorenkarriere in Zeiten naturwissenschaftlichen Umbruchs. Von Martin Kirschke. 450 S., Gb. GNT-Verlag, Berlin 2001. 7 38,50. ISBN 3-928186-56-6

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