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Pharmaforschung: Deutschland als Forschungsstandort nur Mittelfeld

BERLIN (im). Deutschland ist als Standort für Arzneimittelforschung weiter hinter den USA und Großbritannien zurückgefallen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Boston Consulting Group (BCG), die im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller erstellt wurde. Vor allem die klinische Forschung habe den Anschluss an die Weltspitze verloren. Kritisiert wurde darüber hinaus die Langsamkeit der deutschen Zulassungsbehörde.

Wie Dr. Michael Steiner von der Unternehmensberatung BCG am 27. November bei der Vorstellung der Studie in Berlin ausführte, ist Deutschland nur noch ein starker Vertriebsstandort und der weltweit drittgrößte Umsatzmarkt für die Industrie, aber keine Forschungshochburg mehr. Von den 130 weltweit betriebenen Forschungsstandorten der 30 umsatzstärksten Unternehmen lägen nur noch zehn in unserem Land. Er bemängelte darüber hinaus die ungenügende Förderung in der biomedizinischen Forschung. Während Deutschland 46 Euro jährlich pro Einwohner an öffentlichen Fördermitteln bereitstelle, stünden in den USA mit über 64 Euro pro Einwohner rund 40 Prozent mehr zur Verfügung. Zudem werden nur 30 Prozent der 3,8 Milliarden Euro Fördermittel leistungsorientiert vergeben, so die weitere Kritik. Die Förderung müsste um 1,5 Milliarden Euro jährlich aufgestockt werden, um zu den USA aufzuschließen.

Kaum klinische Forschung

Erhebliche Defizite konstatierte Steiner bei der klinischen Forschung. Qualitativ hochwertige klinische Studien würden, bezogen auf die Einwohnerzahl, in den USA doppelt so häufig, in Großbritannien sogar fünfmal häufiger veröffentlicht. In Europa lägen sogar noch die Niederlande vor unserem Land.

Befragt, wie dieses Ergebnis mit den hohen Exportzahlen pharmazeutischer Unternehmen zusammenpasse, gab der Vorsitzende des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller Patrick Schwarz-Schütte zu, dass sich der Export zur Zeit auf Medikamente stütze, die vor rund 15 Jahren entwickelt wurden. Neue Medikamente kämen vor allem in den USA auf den Markt. Dabei, heißt es in der Studie der Boston Consulting Group, sind die Rahmenbedingungen in Deutschland angesichts der hohen Facharztdichte und Patientenzahl gar nicht schlecht.

Gegenmaßnahmen

Besonders für Nachwuchswissenschaftler sei die klinische Forschung unattraktiv. Nur jede dritte der medizinischen Habilitationen beschäftige sich mit Themen, die den direkten Patientenkontakt erfordern. Vorgeschlagen werden Einrichtungen in Unikliniken, in denen sich Wissenschaftler ausschließlich der patientenorientierten klinischen Forschung widmen können und dafür vom regulären Versorgungsbetrieb freigestellt werden.

Die wissenschaftliche Ausbildung solle mittels modularer Studiengänge flexibilisiert und an internationale Standards angepasst werden. Speziell für die klinische Forschung müssten spezifische Ausbildungsprogramme aufgelegt werden, die Kenntnisse in Studiendesign, Biometrie und Good Clinical Practice vermitteln.

Patientenbeteiligung

Patienten profitierten an einem leistungsfähigen Standort von der klinischen Forschung, da sie zum Beispiel früher Zugang zu neuen Arzneimitteln bekämen, wird in der Studie weiter ausgeführt. Da die Zahl mündiger Kranker steige, müssten diese mehr und besser als bisher informiert werden. Angeregt wurde ein Studienregister, das Patienten den Zugang zu klinischen Prüfungen erleichtert.

Zu langsame Zulassung ...

Eine zu langsame Zulassungsbehörde ist ein Standort-Nachteil, eine leistungsfähige Behörde kann durch zügiges Arbeiten auf hohem wissenschaftlichem Niveau die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes steigern. Erhebliche Kritik übte Unternehmensberater Dr. Michael Steiner von der Boston Consulting Group (BCG) an der nach wie vor zu langsamen Arbeitsweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, was zum Teil auf den Umzug des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte von Berlin nach Bonn zurückzuführen sei, als das BfArM ein Drittel hochqualifizierter Mitarbeiter verlor.

Großes Defizit sei zur Zeit, dass das Institut an einem Mangel an Expertise im europäischen Vergleich leide. Zwischen 1995 und 2000 habe das BfArM im gegenseitigen Anerkennungsverfahren (als so genannter Reference Member State) noch nicht einmal halb so viele Anträge wie die britische Zulassungsbehörde MCA bearbeitet. Selbst die niederländische Behörde liege noch vor der deutschen.

... und das Gegenmittel

Die Unternehmensberater regen die Anwerbung international renommierter Experten für das BfArM sowie die Förderung interner Spezialisten an. Nötig seien in diesem Zusammenhang individuelle, leistungsbezogene Karrieremöglichkeiten zur Motivation des qualifizierten Personals.

BCG schlägt darüber hinaus ein effektives Projektmanagement vor, zu dem die Etablierung einer leistungsabhängigen Bezahlung - etwa durch einen Haustarifvertrag - sowie weisungsbefugter Projektleiter zähle. Der Projektleiter müsse einen Zeitrahmen vorgeben und dessen Einhaltung durchsetzen können. Ungeachtet der letzten Reformschritte des BfArM-Präsidenten Professor Harald Schweim müsste die Prozesstransparenz weiter verbessert werden, zur Zeit seien Beratungsgespräche mit langen Wartezeiten verbunden. Angesichts des Wettbewerbs der Zulassungsbehörden in Europa sollte das BfArM zusätzliche Kompetenzen in zukunftsorientierten Indikationsgebieten aufbauen, so der weitere Vorschlag. Konkret könnte die heutige Bundesoberbehörde in ein eingeschränkt wissenschaftliches Institut mit weiterhin alleiniger Zuständigkeit für die Arzneimittelzulassung umgebaut werden.

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