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Pharmakoökonomie
T. Müller-BohnAlle in einem Boot – aber jeder
Die über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus allen Bereichen des Gesundheitswesens, zahlreich vertreten waren Qualitätsmanagementbeauftragte von Krankenhäusern, Verantwortliche von Krankenkassen und Interessierte aus allen Bereichen des Pflegewesens. Die Inhalte der etwa 30 Workshops und über 50 Vorträge und Diskussionsforen reichten von Grundsatzdiskussionen zur künftigen Entwicklung des Gesundheitswesens über die Vorstellung methodischer Konzepte des Qualitätsmanagements bis zum Erfahrungsaustausch über den Einsatz des Qualitätsmanagements in Krankenhäusern, Arztpraxen und allen Bereichen der Kranken-, Alten- und Behindertenpflege.
Apothekenspezifische Fragestellungen waren im Vortragsprogramm nicht vertreten, nur eine Apotheke hatte ein Poster ausgestellt. Dennoch bot die Veranstaltung auch aus pharmazeutischer Sicht interessante Einblicke in die Anwendung von Instrumenten des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen. Außerdem vermittelte sie einen Eindruck, wie weit das Gedankengut des Qualitätsmanagements bereits in allen Bereichen des Gesundheitswesens verwurzelt ist. Dies dürfte auch die weitere Entwicklung in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken erheblich beeinflussen.
Qualitätssicherung geht alle an
Im Rahmen der Einführungsvorträge beschrieb Dr. Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg und Vorsitzender des Marburger Bundes, die medizinische Qualitätssicherung als eine gemeinsame Aufgabe aller Partner im Gesundheitswesen. Die Ärzte und die anderen Berufsgruppen sollten sich jeweils um die Qualität der Inhalte ihrer Arbeit kümmern und dabei den Fortschritt berücksichtigen. Die Krankenkassen könnten als Finanziers des Systems nicht von der Planung der Qualitätssicherung ausgeschlossen werden.
Die Politik habe nur die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu setzen und die Beziehungen der Berufsgruppen zueinander zu regeln. Doch seien die bisherigen rechtlichen Vorgaben zur Qualitätssicherung zu kritisieren, da unterschiedliche Regelungen an verschiedenen Stellen zu Konflikten führten. Auch die Verknüpfung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit der Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich sei schlecht für die Akzeptanz. Anstelle vieler Insellösungen sei eine einheitliche Qualitätssicherung für den ambulanten und den stationären Bereich anzustreben.
Qualität und Finanzen
Manfred Gotthardt, Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands und Leitender Verwaltungsdirektor der Universitätskliniken Münster, konstatierte den intensiven Gebrauch des Qualitätsbegriffes in allen Diskussionen um das Gesundheitswesen. Doch sollten dann auch die finanziellen Mittel hierfür bereitgestellt werden.
Andererseits seien Qualität und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch, denn qualitätsorientiertes Handeln sei zumeist wirtschaftlicher, da es überflüssige Leistungen vermeide. Ähnlich wie schon zuvor Montgomery problematisierte auch Gotthardt die scharfe Trennung zwischen stationärem und ambulantem Bereich als Hindernis für eine ganzheitliche Behandlung und als kostentreibend, z. B. in Hinblick auf Doppeluntersuchungen.
Finanzielle Mittel sollten in die Verbesserung der Qualität, aber nicht in zusätzliche Dokumentationen investiert werden. Kritisch sei auch eine externe Qualitätskontrolle, ausgehend von ISO-Normen, zu sehen. Dabei werde nur ein Status abgefragt, doch bleibe offen, ob das beschriebene Instrument des Qualitätsmanagements in der Praxis tatsächlich arbeite. Besser sei daher ein stärker ergebnisorientiertes System, das sich am EFQM-Konzept (s.u.) orientiert. Praktische Hilfen böten auch Maßnahmen des Risk Managements. Auf jeden Fall müsse die Qualitätsorientierung mit dem Umdenken anfangen und könne nicht durch ein Gesetz vorgeschrieben werden.
Schlüsselbegriffe: KTQ,...
Beispielhaft für die vielen Vorträge und Workshops sollen hier einige Veranstaltungen zu vielfach anwendbaren Themenbereichen erwähnt werden. Die meistgebrauchten Begriffe während der Tagung dürften KTQ und EFQM gewesen sein.
KTQ bedeutet Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus. Dies ist ein spezielles Zertifizierungsverfahren, das für Krankenhäuser in Deutschland entwickelt wurde und inzwischen von den meisten großen gesetzlichen Krankenkassen anerkannt wird. Es orientiert sich teilweise am Verfahren der Joint Commission, das schon seit Jahrzehnten in US-amerikanischen Krankenhäusern genutzt wird.
Derzeit laufen in vielen Krankenhäusern Vorbereitungen für den bald erforderlichen routinemäßigen Einsatz von KTQ. Künftig wird die Teilnahme an diesem Verfahren eine Voraussetzung für die volle Honorierung der Krankenhausleistungen sein. Daher war dieses Thema Gegenstand vieler Vorträge und Workshops auf der Hamburger Tagung.
...EFQM...
EFQM steht für European Foundation for Quality Management. Gebraucht wird die Abkürzung meist für das Bewertungsmodell dieser Organisation. Dieses international verbreitete branchenunabhängige Modell beschreibt Eigenschaften von Qualitätsmanagementsystemen und gibt damit auch eine Orientierung für ihre Konzeption und Bewertung.
Es geht in vieler Hinsicht über die bekannten ISO-Normen hinaus und lässt insbesondere mehr Raum für die Ergebnisse der Arbeit. Es zielt nicht nur auf das Erfüllen von Anforderungen, sondern auf Höchstleistungen, die als "business excellence" bezeichnet werden.
Das Modell wurde ursprünglich für die Selbstbewertung von QMS entwickelt, wird aber inzwischen auch für Fremdbewertungen herangezogen, zumeist bei der Vergabe von Qualitätspreisen. Es hat auch im Gesundheitswesen eine weite Verbreitung gefunden. So wurde auch während der Veranstaltung in Hamburg in verschiedenen Zusammenhängen über die Erfahrungen im Umgang mit dem Modell berichtet.
...und was sie miteinander verbindet
In einem Workshop stellte Dr. Axel Paeger, Asklepios Kliniken GmbH, Nidda, Beziehungen zwischen KTQ und EFQM her. Die Bewertung anhand des EFQM-Modells ist demnach ein Assessment, d.h., die Qualität wird inhaltlich bewertet. Dies bildet den entscheidenden Unterschied zu einer Konformitätsprüfung im Rahmen eines Audits, z. B. bei einer ISO-Zertifizierung.
Die Bewertung gemäß KTQ hat, obwohl sie als Zertifizierung bezeichnet wird, den Charakter eines Akkreditierungsverfahrens, d.h., sie orientiert sich an inhaltlichen Vorgaben, die gezielt abgefragt werden. Auch dies ist mehr als eine Konformitätsprüfung. Doch betonte Paeger, dass zumindest die bisher vorhandenen Inhalte des KTQ-Verfahrens nur auf die Struktur- und Prozessqualität abzielen, nicht jedoch auf die Ergebnisqualität. Dies soll erst später folgen, wenn aus der praktischen Anwendung Daten entstehen.
So richte sich die Frage "Führen Sie Patientenbefragungen durch?" auf das Vorhandensein eines solchen Prozesses. Die Ergebnisqualität wäre erst tangiert, wenn Ergebnisse der Patientenbefragung abgefragt oder gar Mindestzufriedenheitswerte festgelegt würden. Hier liegt denn auch der entscheidende Unterschied zum EFQM-Modell, das ausdrücklich auf die Ergebnisqualität abzielt.
Doch ungeachtet der Unterschiede stellten Paeger und sein Team eine Methode vor, mit der die Beantwortung der KTQ-Fragen in einen Qualitätsbericht gemäß EFQM integriert werden kann. Dabei werden alle KTQ-Fragen auf das EFQM-Modell abgebildet. So können Krankenhäuser, die schon routinemäßig EFQM-Berichte zur Entwicklung ihres QMS erstellen, mit verhältnismäßig geringem Mehraufwand auch die neuen Anforderungen gegenüber den Krankenkassen erfüllen.
Was bedeutet die Patientenzufriedenheit?
Ein grundsätzliches Problem der Qualitätsorientierung im Gesundheitswesen ist die Messung bzw. die Aussagekraft der Patientenzufriedenheit. Allgemein gilt die Zufriedenheit des Kunden mit einem Produkt oder einer Dienstleistung als letztlich entscheidendes Qualitätsmaß, da der Kunde über den Kauf entscheidet. Doch ist zu fragen, inwieweit dieses Konzept auf das Gesundheitswesen angewendet werden kann.
Diesem Problem widmete sich Dr. Thomas Ruprecht, Hamburg, in einem Workshop. Nach seiner Erfahrung ist das Zufriedenheitskonzept durchaus als Qualitätsmaßstab anzusehen, sofern die Patientenbefragung einige Besonderheiten beachtet. Allerdings sei es schwer, reliable und valide Messgrößen zu finden.
Die Ergebnisqualität der medizinischen Leistung im engeren Sinne, z. B. die Ausführung einer Operation oder die Angemessenheit einer Arzneimittelverordnung, könne der Patient nicht beurteilen. Hierfür müssten andere Instrumente wie Infektions- oder Komplikationsraten dienen. Doch habe das "Picker/Commonwealth Program for Patient Centered Care" aus einer Vielzahl von Patientenbefragungen acht Qualitätsdimensionen aus Patientensicht identifiziert. Diese reichen vom Zugang zur Versorgung über Rücksicht auf individuelle Präferenzen, Kommunikation und Information bis zum leiblichen Wohlbefinden. Je nach Klientel und Krankheitsbild können unterschiedliche Dimensionen mehr oder weniger Bedeutung erlangen.
Patientenbefragungen sollten sowohl Urteils- als auch Berichtsfragen enthalten. Bei Urteilsfragen drücken die Patienten ihre Zufriedenheit mit einer bestimmten Leistung auf einer Skala aus. Hier komme es meist zu einem Deckeneffekt, d. h., die Leistungen werden meist gut bewertet. Viele Untersuchungen ließen erkennen, dass hier eher die Abweichung zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Zufriedenheit abgefragt wird. Wer schlechte Leistungen erwartet, bewertet sie demnach nicht als so schlecht. Solche Antworten wären als Qualitätsmaßstab nur bedingt geeignet.
Als Alternative bieten sich Berichtsfragen an, bei denen Patienten nach bestimmten Ereignissen oder z. B. nach Wartezeiten gefragt werden. Eine Mischung geeigneter Ereignisse könne zu aussagekräftigen Ergebnissen führen, doch liegt das Problem in der Auswahl der Messgrößen. Angesichts dieser vielfältigen Probleme sollte die Zufriedenheitsbefragung im Gesundheitswesen nicht als Dogma der Qualitätsbewertung angesehen werden.
QMS im Haftungsfall hilfreich
Ein Workshop zum Organisationsverschulden ging speziell auf die Probleme im Krankenhaus ein, doch besteht das Problem in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Dr. Ulrich Paschen, Hamburg, untersuchte die Frage, ob und wie ein QMS beim Vorwurf des Organisationsverschuldens hilfreich sein kann. Demnach haben Patienten keinen Anspruch auf ein bestimmtes Behandlungsergebnis, wohl aber auf einen beherrschten Behandlungsprozess. Ein Haftungsanspruch aus Organisationsverschulden lässt sich begründen, wenn der Verantwortliche - hier der Krankenhausträger - nicht durch Anweisungen für einen ordnungsgemäßen Betrieb sorgt.
Außerdem muss überprüft werden, dass die Anweisungen verstanden und tatsächlich befolgt werden. Bleiben Abläufe ungeregelt, so sei dies als fahrlässig einzustufen. Doch wenn einzelne Abläufe bewusst nicht geregelt werden, um sich der Verantwortung für die Inhalte der Regelung zu entziehen oder Geld zu sparen, so werde dies als vorsätzlicher Verstoß aus niederen Motiven bewertet.
Damit warnte Paschen eindringlich vor der Idee, kein umfangreiches QMS einzuführen, um sich dadurch als Vorgesetzter vermeintlich aus der Verantwortung zu ziehen. Im Gegenteil, klare Regeln in einem praktizierten QMS seien im Haftungsfall unbedingt vorteilhaft, auch wenn im Einzelfall doch ein Fehler aufgetreten ist.
Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen
Wie viel Wettbewerb verträgt das Gesundheitswesen? Wie viel Wettbewerb wird es auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer geben? Welche Bedeutung werden Netze und integrierte Versorgungsformen bekommen? Welchen Stellenwert wird das Qualitätsmanagement dabei haben? Diese Fragen waren zentrale Inhalte einer Diskussion im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen (GQMG) am 15. Februar in Hamburg-Bergedorf.
Unter der Moderation von Dr. Christoph Straub, Techniker Krankenkasse, Hamburg, präsentierten
- Dr. Friedrich Belle, Maria Hilf GmbH/ Marienkrankenhaus GmbH, Waldbreitbach,
- Prof. Dr. Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, und
- Walter Plassmann, Kassenärztliche Vereinigung Hamburg,
ihre Visionen und meist kontroversen Positionen. Bemerkenswert einig waren sie sich in der Bewertung des bestehenden Systems. Es gewährleiste eine im internationalen Vergleich gute Versorgung, sei durchaus finanzierbar und keineswegs marode. Doch müsse es angesichts der künftigen demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschrittes zukunftsfähig gemacht werden.
Die Auffassungen, wie dies erfolgen sollte, gingen dagegen weit auseinander. Belle als Vertreter des größten frei-gemeinnützigen Krankenhausträgers in Deutschland sieht die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Informationstechnologie und im Qualitätsmanagement. Die Verknüpfung der Informationen helfe gegen übermäßige Bürokratie und biete den Patienten ganzheitliches Wissen, ohne das keine Qualität mehr möglich sei.
Wettbewerb oder Korporatismus
Aus der Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung verteidigte Plassmann das bestehende System des Korporatismus. Dessen Schwachpunkte könnten reformiert werden, doch müssten künftige Änderungen berücksichtigen, dass das Gesundheitswesen im Korporatismus entstanden ist. Dies vertrage sich nicht mit der Idee des Wettbewerbs. Zudem sei es unlogisch, gleichzeitig Wettbewerb und den gleichen Zugang aller Versicherten zu allen Leistungen zu fordern.
Für Klusen dagegen liegt die Zukunft des Gesundheitswesens im Wettbewerb, der sich durchaus aus anderen Wirtschaftsbereichen übertragen lasse. So habe der Wettbewerb unter den Krankenkassen diese in ihrer Organisation und in ihrem Kostenmanagement erheblich vorangebracht, was künftig auch für die Leistungserbringer gelten solle. Hierin bestehe kein Widerspruch zur Menschlichkeit im Gesundheitswesen. Denn es könne nicht menschlich sein, Geld für schlechte Abläufe auszugeben, das dann bei anderen Behandlungen fehle.
Nach Klusens Auffassung wird sich das Gesundheitssystem auch ohne Zutun der Politiker zu mehr Wettbewerb entwickeln, weil dies ein gesellschaftlicher Trend sei und die meisten Menschen dies erwarten. Die Politik solle diesen evolutorischen Prozess nicht behindern.
Wettbewerb in der Praxis
Doch gerade angesichts dieser Veränderungen sei eine wirksame Wettbewerbsordnung erforderlich, die das Solidaritätsprinzip sichere. Nach Auffassung von Klusen wird es in 15 Jahren eine scharfe Grenze zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung in der heutigen Form nicht mehr geben. Eine ähnliche Entwicklung müsse bei den Leistungsanbietern vollzogen werden.
Doch sind hierbei viele praktische Probleme zu befürchten. So fragte eine niedergelassene Ärztin aus dem Publikum, wie eine Kassenarztpraxis, die nicht werben darf und keine Rückversicherung hat, in einem solchen Umfeld handeln könne. Belle mahnte an, dass bei solchen Deregulierungen auch die Konsequenzen bei anderen Vorschriften zu beachten sind, z. B. die steuerliche Behandlung gemeinnütziger Träger. Außerdem fordere die gesellschaftliche und christliche Verantwortung, beispielsweise kleine Krankenhäuser im ländlichen Bereich vor dem Konkurs zu schützen.
Mängel der Integrierten Versorgung
Ein zentraler Inhalt vieler Reformkonzepte ist die Auflösung der starren Grenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Die Befürworter versprechen sich davon ein transparenteres System, in dem alle Leistungserbringer ohne überflüssige Doppelarbeit im gemeinsamen Interesse für die Patienten zusammenarbeiten. Doch wurde der bisherige Ansatz der Integrierten Versorgung als dritte Regelversorgung von allen Diskussionsteilnehmern kritisiert, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Plassmann kritisierte besonders die juristischen Schwächen der neuen Regelung. Außerdem sei der Gedanke der Vernetzung systemfremd und ließe sich daher in das bestehende System kaum einfügen. Es sei auch fraglich, ob die Patienten überhaupt einen "Lotsen" durch das System haben wollen. Belle sieht in der umfangreichen Bürokratie dieser neuen Strukturen ein weiteres Problem.
Gefahr für die gesetzlich geschützte Nische
Dagegen gehen Klusen die Möglichkeiten nicht weit genug. Die bisherige Rechtslage biete nicht viele praktikable Möglichkeiten. Daher müssten Impulse von den Leistungserbringern kommen. Er forderte qualitativ hochwertige und kostengünstige Vorschläge von den Leistungserbringern einschließlich der Pharmaindustrie. Apotheken stelle er sich in 10 bis 15 Jahren vollkommen anders vor (er konkretisierte dies allerdings nicht): Sie würden - auch ohne Zutun der Krankenkassen - insbesondere durch die europäische Einigung aus ihrer jetzigen Position herausgeholt. Verlierer des Wandels würden diejenigen, die glauben, auch in Zukunft durch Gesetze geschützt in einer Nische weiterleben zu können.
Nach Einschätzung von Plassmann wandelt sich das Gesundheitssystem bereits jetzt erheblich, doch fehlt eine angemessene Wettbewerbsordnung für die neuen Strukturen. Daher vollziehen sich viele Entwicklungen in einer nicht kontrollierbaren Grauzone. So versuchen industrielle Anbieter, Leistungen aus besonders technologielastigen Bereichen in der ambulanten und stationären Versorgung an sich zu ziehen. Dadurch würden unkontrollierbare monopolistische Strukturen der Industrie entstehen und die Kosten letztlich steigen.
Qualität als Wettbewerbsinstrument
Weitgehend einig waren sich die Diskussionsteilnehmer in ihrem Bekenntnis zur Qualität der Leistungen, doch wurde sehr kontrovers beurteilt, wie diese Qualität gemessen werden kann. Für Plassmann ist allein die Qualität der Rahmenbedingungen zu sichern, d.h. die Struktur- und Prozessqualität. Unter optimierten Rahmenbedingungen sei zu erwarten, dass Leistungserbringer und Patienten gemeinsam gute Ergebnisse erzielen. Die Ergebnisqualität der ärztlichen Leistungen sei jedoch nicht messbar und Qualitätsvergleichen nicht zugänglich, weil Patienten auf gleich gute Leistungen unterschiedlich reagieren können. Die Ermittlung von Komplikationsraten sei methodisch so fragwürdig, dass eine Veröffentlichung auch aus rechtlichen Gründen undenkbar wäre.
Klusen wünscht sich dagegen stärkere Möglichkeiten, den Versicherten geeignete Leistungserbringer zu empfehlen. Dabei sollten langfristige Erfolge und Komplikationsraten berücksichtigt werden können. Obwohl jeder Test Fehler und Probleme aufweisen kann, sei dies bei Produkten und Dienstleistungen in anderen Bereichen ein akzeptiertes Verfahren. Daher sei nicht einzusehen, warum es gerade im Umgang mit dem wertvollen Gut Gesundheit nicht angewendet werden sollte.
Eine wesentliche Konsequenz der Qualitätsorientierung sei für ihn, als Krankenkasse nur mit denjenigen Leistungserbringern zu kontrahieren, die Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und möglichst auch eine gute Ergebnisqualität nachweisen. So würde die Qualität zu einem Steuerungsinstrument in einem wettbewerblich ausgerichteten Gesundheitssystem, wie es eingangs diskutiert worden war.
Mitte Februar fand in Hamburg-Bergedorf das 2. Hamburger Forum "Qualität im Gesundheitswesen" statt. Die Veranstaltung unter dem Motto "... alle in einem Boot – aber jeder in seinem eigenen?!" wurde wesentlich von der Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen getragen. Es versteht sich, dass dabei auch die Belange von öffentlichen und Krankenhausapotheken berührt wurden.
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