Kommentar

Stange-Prozess: Keine Strohmannverhältnisse, aber unzulässige wirtschaftliche

(bgh/diz). Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe musste sich am 25. April mit dem Strafverfahren gegen den Mindener Apotheker Günter Stange befassen, der im Oktober 2000 wegen des Aufbaus einer illegalen Apothekenkette verurteilt worden war. In dem jetzigen Revisionsverfahren hat der BGH das Urteil teilweise aufgehoben: Stange könnten keine Strohmannverhältnise vorgeworfen werden, dagegen aber eine unzulässige wirtschaftliche Einflussnahme. Der Senat hat die Sache daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen. Es liege nahe, dass Stange wegen ordnungswidrigen Verhaltens apothekenrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müsse.

Das Landgericht Bielefeld hatte im Oktober 2000 den Angeklagten wegen falscher Versicherung an Eides statt in Tateinheit mit vorsätzlichem Betreiben einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis in fünf Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe sowie wegen vorsätzlichen Betreibens einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis in weiteren sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Seit Ende der 80er Jahre hatte der Angeklagte, ein approbierter Apotheker, als wirtschaftliches Fernziel den Betrieb einer sog. Apothekenkette vor Augen. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern stand dem jedoch das im deutschen Apothekenrecht bis heute verankerte "Mehrbetriebsverbot" entgegen. Danach erlischt eine für bestimmte Apothekenräume erteilte Betriebserlaubnis, wenn dem Erlaubnisinhaber im Geltungsbereich des Apothekengesetzes die Erlaubnis zum Betrieb einer anderen (Voll)Apotheke erteilt wird.

Angeklagte hoffte auf Wegfall des Mehrbetriebsverbots

Bereits 1964 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem sog. Apothekenurteil das Mehrbetriebsverbot als Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungsgemäß erklärt, weil das apothekenrechtliche Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung, insbesondere aber auch dem allgemein gebilligten wirtschaftspolitischen Ziel der Förderung des Mittelstandes diene.

Der Angeklagte hatte jedoch auf einen Wegfall des Mehrbetriebsverbots gehofft und eine Geschäftsidee entwickelt, die es ihm ermöglichte, zum einen schon jetzt die Standorte für eine spätere Apothekenkette zu sichern und zum anderen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Kette offiziell würde errichten können, bereits Gewinne aus diesen Apothekenstandorten zu ziehen.

Hierzu bediente er sich eines Geflechts von wirtschaftlichen Vereinbarungen, die er teils selbst, teils über zwei von ihm beherrschte Gesellschaften mit von ihm ausgewählten Apothekern schloss. Vertragspartner waren jeweils approbierte Apotheker, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit den Praktiken Stanges einverstanden erklärt hatten. Den Apothekern wurde ein Mindesteinkommen garantiert, das sich am erwarteten Umsatz der Apotheke und an dem Einkommen eines angestellten Apothekers in vergleichbarer Position orientierte. Außerdem sollten ihnen Umsatzprovisionen zustehen. Überschießende Gewinne schöpfte der Angeklagte mittels vielfältiger Verträge ab.

Sämtliche vertraulich getroffenen Absprachen, insbesondere die Vereinbarungen über die Begrenzung des Entnahmeanspruchs und die Abschöpfung der Mehrbeträge, wurden den Genehmigungsbehörden verschwiegen. In einigen Fällen hatte es das Landgericht zudem als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte die vor Ort tätigen Apotheker dazu anstiftete, in eidesstattlichen Versicherungen wahrheitswidrig anzugeben, sie hätten keine wirtschaftlichen Vereinbarungen getroffen, die Dritten (hier dem Angeklagten) eine Gewinnbeteiligung ermöglichten.

Urteil zum Teil aufgehoben, aber...

Auf die Revision des Angeklagten hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil u.a. insoweit aufgehoben, als der Angeklagte wegen Betreibens von Apotheken ohne die erforderliche Erlaubnis verurteilt worden ist. Unabhängig von der Frage einer etwaigen Verfassungswidrigkeit des sog. Mehrbetriebsverbots habe sich der Angeklagte schon deshalb nicht nach Apothekenrecht strafbar gemacht, weil nicht er, sondern die vor Ort tätigen Apotheker die Apotheken nach außen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geleitet und damit im Sinne des Apothekenrechts "betrieben" hätten.

Sog. Strohmannverhältnisse, wie sie das Landgericht als erwiesen angesehen hatte, lägen nicht vor, weil der Angeklagte in Auswahl, Beschaffung und Verkauf der Arzneimittel, die den Kern wirtschaftlicher und pharmazeutischer Tätigkeit der Apotheker bildeten, nicht eingegriffen habe.

Der Senat hat die Sache jedoch zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Landgericht Bielefeld zurückverwiesen, weil es nahe liege, dass der Angeklagte durch eine unzulässige wirtschaftliche Einflussnahme auf die Apotheker wegen ordnungswidrigen Verhaltens nach Apothekenrecht zur Verantwortung zu ziehen sein wird.

(Urteil vom 25. April 2002 - 4 StR 152/01)

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.