Kommentar

Porträt: Johannes M. Metzger

München (ri). Irgendwann während unseres dreistündigen Gesprächs sagt der Präsident der Bayerischen Landes- und der Bundesapothekerkammer, dass es bei ihm ganz einfach so sei, dass er "nichts lau machen kann. So wie andere blaue Augen haben, so gehört das eben zu meiner Natur." Dass er mit diesem Satz überhaupt nicht kokettiert, weiß jeder, der Johannes M. Metzger jemals bei einem öffentlichen Auftritt erlebt hat: Der Zuhörer kann seine Ansicht teilen oder sich völlig konträr dazu verhalten, aber er kann nicht leugnen, dass der Redner ungewöhnlich engagiert und energiegeladen ist.

Selbst bei unserem relativ entspannten Gespräch spürt man die Energie, die der Präsident ausstrahlt beinahe körperlich. Wenn er etwa als sein wichtigstes politisches Ziel angibt, die Idee der selbstständig geführten Apotheke aufrechtzuerhalten, blitzen seine Augen auf, als er betonend ergänzt: "... allerdings mit einem Apotheker als Inhaber, der seine Tätigkeit als Heilberuf versteht!" Und das bedeutet für ihn, dass sich der Apotheker auf seine Kern-Kompetenz konzentriert: "Die Drogerie als Konkurrenz zur Apotheke ist eine reine Scheindebatte. Untersuchungen haben ergeben, dass das Nebensortiment im Laufe der letzten Jahre bei lediglich drei Prozent stagniert. Die Idee der Merkantilisierung war ein Misserfolg, die teilweise um den Preis durchgesetzt wurde, dass die Apotheke von den Patienten nicht mehr als heilberufliche Institution wahrgenommen wird." Anstatt sich durch aufgeregte Marketing-Aktionen beirren zu lassen, legt der Präsident seinen Kollegen eher die sachgerechte Durchführung der QMS-Maßnahmen nahe, mit deren Hilfe Umsatzsteigerungen von bis zu 20 Prozent geriert werden können.

Wer allerdings aus Metzgers stets entschlossen wirkender Geradlinigkeit - die er vor allen Dingen in der Öffentlichkeit immer wieder demonstriert - bei ihm den Typus des politischen Hardliners abzuleiten versucht, irrt gewaltig. Immer wieder fällt auf, dass sich der Präsident bei seinen Gedankenspielen im Gespräch unter vier Augen in argumentative Gegenpositionen hineinversetzt - eine Denkfigur also, die von der Suche nach Gerechtigkeit und Toleranz zeugt und das Gegenteil von billiger Rechthaberei ist. Und diese Haltung verschafft ihm bei vielen, die ihn näher kennen lernen Respekt: Auch seine Kritiker attestieren dem Bayern Fairness. Selbst wenn er seine Überlegungen zum Scheitern der Merkantilisierungs-Idee vorträgt, wird dieser grundsätzliche Wille erkennbar, auch Gegenpositionen einordnen zu können: So lehnt er die Idee, in der Apotheke beispielsweise esoterische Präparate zu verkaufen, zunächst mit der Sicherheit desjenigen ab, der eine Selbstverständlichkeit äußert: "Nur weil das jetzt ein Trend ist, müssen wir da nicht mitziehen." Aber nach sekundenschnellem Nachdenken fügt er hinzu: "Es sei denn, der Apotheker erwirbt dazu ein spezielles Wissen und kann begründen, warum er in dem entsprechenden Präparat eine sinnvolle Sache sieht."

Verständnis für politisches Rollenspiel

Im Kontext der jüngsten politischen Debatte um die Sinnhaftigkeit der Zulassung der Internet-Apotheke vertritt der Präsident vehement die Meinung, dass dies ein Unfug wäre, der den Systembruch nach sich ziehen würde. Dass aber die Herren Professor Rolf Krebs, Sprecher des Weltpharma-Verbandes, und Patrick Schwarz-Schütte, damaliger Vorstand des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), sich als Mitglieder des Sachverständigen Rates für die Zulassung der Versandhandels-Apotheke aussprechen, versteht Metzger durch und durch:

"Natürlich sehen diese Leute als Vertreter der Industrie die Internet-Apotheke als vorgeschaltetes Instrument zur Liberalisierung des Arzneimittel-Marktes. Und als Folge dieser Liberalisierung versprechen sie sich höhere Umsätze. An deren Stelle würde ich genauso handeln, das ist doch klar." Aber genauso klar ist für ihn, dass es in diesem demokratischen Rollenspiel die Aufgabe des Staates ist, in der Debatte um mögliche Liberalisierungstendenzen eine Schutzfunktion auszuüben. "Die liberale Idee beruht darauf, dass zwei gleiche Partner einen Vertrag abschließen. Wenn aber ein Diabetiker sein Insulin lebensnotwendig braucht, ist er nicht in einer freien Position, in der er einen Preis aushandeln kann."

Außerdem bedeute eine Liberalisierung auch eine Aufsplittung der Gesellschaft in Kreise, die sich eine qualitativ hochstehende, aber eben auch hochpreisige Gesundheitsversorgung leisten können und solche, die dazu nicht in der Lage sind: "Und da bin ich dann doch der Meinung: Wir können vielleicht nicht jedem die optimale Versorgung garantieren, aber wir können eine größtmögliche Zahl von Bürgern hinreichend mit gesundheitsdienlichen Leistungen versorgen. Und das nenne ich eine kulturell-zivilisatorische Errungenschaft, auf die wir nicht so einfach verzichten sollten."

Journalisten missverstehen ABDA-Politik

Generell findet er es schade, dass die Journalisten der Publikumsmedien die Politik der ABDA als Politik der Errichtung von Zunft-Zäunen abqualifizieren und nicht erkennen, dass es sich bei den derzeit gültigen Gesetzen um "Patienten-Schutz-Gesetze" handelt, die die Betroffenen beispielsweise vor unechten Medikamenten schützen. "Die WHO verbreitet Zahlen, wonach jedes zehnte Medikament, das weltweit per Versand verschickt wird, eine Fälschung ist!" Die intellektuelle Neugierde, die Johannes M. Metzger umtreibt, spiegelt sich nicht nur in seiner abendlichen Lektüre diverser inländischer Zeitungen wider - "das ist für mich eine Erholung" - sondern lässt ihn auch regelmäßig in angelsächsischen Blättern stöbern: "Wissen Sie, die haben ja doch eine andere Sichtweise als wir."

Es scheint, als ob die Unaufgeregtheit der englischen Kommentatoren - zumindest gelegentlich - unmittelbar auf den Politiker abfärbt, der ansonsten mit so viel Herzblut für die Sache der Apotheker kämpft. So beurteilt er mit betont empirisch-nüchternem Blick, der bekanntlich kennzeichnend für die angelsächsische Wissenschaft ist, die seltsame Verliebtheit der SPD in die Idee der Internetapotheke und die damit verbundene Gefahr der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes: "Die Sozialdemokraten haben in ihrer Tradition immer eine Nähe zu Gewerkschaften gehabt. Und diese wiederum erreichen ihre Klientel nicht im Mittelstand, sondern in groß angelegten Strukturen. Insofern hat die SPD keine Angst vor der Apothekenkette - das ist gewissermaßen ihre Heimat. Die Union hingegen war immer dem Mittelstand nahe gestanden - daraus ergibt sich dann eben eine bessere Gesprächsbasis."

"Die Tragik des braven Apothekers ..."

Während wir, gerade im Hinblick auf die Internetapotheke, die teilweise doch recht schlechte Position der Apotheker in der Öffentlichkeit thematisieren, wird der Präsident nachdenklich. So tastet er sich an eine ungewöhnliche These heran, die neben anderen Ursachen den tiefer liegenden Kern des Problems ausmachen dürfte: "Vielleicht funktioniert unser Berufsstand einfach zu gut. Wenn wir trouble maker wären, würden uns die Politiker vielleicht vorsichtiger anfassen." Dann sagt er einen Satz, der beinahe philosophisch anmutet: "Wahrscheinlich neigen Menschen dazu, nur dort Experimente anzusetzen, wo etwas funktioniert ..." und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: "Das scheint wohl die Tragik des braven Apothekers zu sein."

Amüsiert reagiert Metzger auf die Frage, welches Parfum er seiner Frau schenkt: Es sei ein Parfum von Lilac, aber gelegentlich verwende sie auch Opium, und generell käme es bei einem Duft auf den Anlass an und schließlich könne ja der Fall eintreten, dass der Mann auch einmal ein Parfum schenkt, das ihm selbst an seiner Frau gefällt! Hinter der heiteren Beiläufigkeit, mit der dieser Gedankengang geäußert wird, ist doch auch wieder die Ernsthaftigkeit erkennbar, mit der sich Metzger um alles, was ihn berührt, kümmert. Tatsächlich stuft sich Metzger selbst als "ernsthaften Menschen" ein. Gleichzeitig betont der Mann, der von einigen Widersachern gerne als überehrgeizig beschrieben wird, dass er: "... in großer innerer Distanz zu mir selbst und auch zu meinem Amt stehe. Das Wichtigste ist für mich die Familie. Dass ich durch meine Ehrenämter nicht so oft bei meiner Familie präsent bin, ist für mich das größte Opfer."

Ehefrau vs. Staatssekretär

Und dann erzählt er eine Geschichte, die er erst nach einer besonderen Bitte seitens des Journalisten für die Veröffentlichung freigibt. So habe er einmal einen Termin mit einem Staatssekretär gehabt, der sich mit einem vorher fest vereinbarten, raren Treffen mit seiner Frau überkreuzte. Obwohl er großen Respekt vor dem Staatsekretär hatte, überzeugte ihn doch seine Frau, den Tag mit ihr zu verbringen, nachdem sie ihn fragte: "Wer pflegt dich, wenn du krank bist? Der Staatsekretär oder ich?" Aber es war nicht nur die listige Bemerkung seiner Frau, die ihn bewog, den Termin an einen Kollegen zu delegieren: "Wissen Sie, niemand ist unersetzlich, und Gott sei Dank haben wir in der ABDA jede Menge fähiger Köpfe." Und schließlich filtert der Politiker auch aus dieser kleinen Begebenheit noch eine Einsicht von allgemeiner Bedeutung: "Verlässlichkeit ist enorm wichtig. Sie gehen immer wieder nach Hause und bleiben nirgends!" Im Rahmen dieser Überlegungen relativieren sich für den Menschen und Politiker auch seine beruflichen Erfolge: "Natürlich braucht jeder Erfolge. Aber das sind für mich nicht herausragende Ereignisse, sondern eher die kleinen Dinge des Alltages. Wenn ich etwa meine, ein Gesundheitspolitiker hat eine Formulierung oder ein Argument von mir übernommen, dann freue ich mich."

Vielleicht rührt diese Relativierung von Erfolgserlebnissen auch aus einer schweren Niederlage, die Metzger in seiner frühen Jugend einstecken musste, als er vom Gymnasium flog. Nicht weiter bei den damaligen Freunden zu sein, hat ihn geschmerzt, aber auch seinen Kampfwillen geprägt, dem er es verdankt, dass er mit "hoher Disziplin" sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholte.

Disziplin ist neben vielen unterschätzten Facetten des Präsidenten natürlich das Charakteristikum, welches es ihm erlaubt, trotz eines mit Einträgen teilweise auch an den Wochenenden regelrecht überschwemmten Terminkalenders seine eigene Apotheke zu führen, in der er wöchentlich versucht, präsent zu sein: " Und sei es per Fax und Telefon: Kernaufgaben delegiere ich nicht!" Da verzichtet der Mann, dessen Hobby das Fliegen ist, dann zur Not lieber noch auf die jährlich vorgeschriebenen Flugstunden, die man absolvieren muss, wenn der Flugschein verlängert werden soll. Bleibt zu hoffen, dass dieser Ernstfall nicht eintritt!

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